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„I have a dream“ – diese Worte kennt jeder. Die Rede von Martin Luther King (1929-1968) ist wahrscheinlich die berühmteste der Welt. Vor 50 Jahren (4. April 1968) wurde der schwarze Bürgerrechtler ermordet, fünf Jahre nach seiner legendären Ansprache am 28. August 1963 beim „March on Washington for Jobs and Freedom“. Zeit für ein paar überraschende Fakten.
King hatte schon über zehn Minuten geredet und war am Ende seines Manuskripts. Die Passage, die in die Geschichtsbücher eingegangen ist, war gar nicht geplant. Ähnliche Worte hatte er schon bei vorigen Ansprachen verwendet und wollte dieses Mal darauf verzichten – er hielt sie für abgedroschen. Aber die Rede zündet nicht, der Funke springt einfach nicht über. Und dann ruft Mahalia Jackson, die große Gospelsängerin, aus der ersten Reihe: „Erzähl ihnen von dem Traum, Martin!“ Da schiebt er das Manuskript zur Seite und hebt die Stimme. „I have a dream…!“ Die Zeilen, die Geschichte machten, hat er komplett improvisiert.
Obwohl Martin Luther King tiefgläubig war, wollte er eigentlich kein Pfarrer werden. Ihm schwebte vor, Arzt oder Anwalt zu werden. Doch er wuchs gewissermaßen in den Job hinein, weil sein Vater Prediger einer Baptistengemeinde in Atlanta (Georgia) war. So kam es, dass Martin Luther King Junior (sein Vater hieß genauso), bereits mit 17 Jahren Hilfsprediger seines Vaters wurde. Im College merkte er dann endgültig, dass die öffentliche Rede sein großes Talent ist – er schrieb sich für das Theologiestudium ein. 1955 erwarb er sogar einen Doktortitel in Theologie.
King wurde nach seinem Vater benannt – der Michael King hieß. In seiner Kindheit wurde er „Little Mike“ genannt. Dann allerdings nahm der Papa an einer Baptistenkonferenz in Berlin teil. Im Anschluss besuchte er mehrere historische Wirkungsstätten Martin Luthers. Das hinterließ so tiefen Eindruck, dass er sich nach der Reise nach Vorbild des deutschen Reformators umbenannte. Und seinen fünfjährigen Sohn gleich mit!
Als der künftige Prediger und Sozialrevolutionär zwölf Jahre alt war, starb seine Großmutter. Er hatte so eine enge Bindung zu ihr, dass ihr Tod ihn in tiefe Trauer stürzte. Er versuchte, sich das Leben zu nehmen – indem er aus dem zweiten Stock sprang. Sein Versuch scheiterte – Gott sei Dank.
Zehn Jahre vor dem tödlichen Angriff auf Martin Luther King erlebte er bereits ein Attentat: Bei einer Autogrammstunde stieß eine psychisch kranke Frau mit einem Messer auf ihn ein. Der Stich war so nah an seiner Hauptschlagader, dass sein Überleben eine Frage von Millimetern war. Hätte er niesen müssen, wäre er wahrscheinlich gestorben. King verzichtete darauf, die Frau anzuzeigen. In der letzten Rede vor seinem Tod sah er voraus, dass er wohl keines natürlichen Todes sterben sollte: „Ich habe das gelobte Land gesehen. Vielleicht gehen wir nicht zusammen hinein, aber ich bin glücklich. Ich fürchte niemanden. Meine Augen haben die Herrlichkeit des kommenden Herrn gesehen!“
Schon zu Lebzeiten war Martin Luther King eine Legende. Er gewann den Friedensnobelpreis 1964 mit nur 35 Jahren. Damit ist er nach wie vor der jüngste männliche Preisträger aller Zeiten.
Heute hat Martin Luther King einen Status wie Ghandi, Mutter Teresa oder JFK. Nach einer Umfrage von 1966 jedoch sahen ihn 63 Prozent der Amerikaner negativ. Fünf Jahre zuvor waren es nur 37 Prozent. Der Grund war ein veränderter Schwerpunkt seines Engagements. Viel Zustimmung erntete er noch für seinen Einsatz für die Bürgerrechte der Afroamerikaner. Später fokussierte er sich auf den Widerstand gegen den Vietnamkrieg und die Armut allgemein. Das fand deutlich weniger Sympathie.
Eines der wichtigsten Anliegen Kings war die Aufhebung der Rassentrennung. Doch als er seine Frau Coretta Scott King 1953 heiratete, war die amerikanische Gesellschaft davon noch weit entfernt. Auch in Hotels war die Diskriminierung allgegenwärtig. Deshalb gab es keine „Honeymoon Suites“ für Afroamerikaner. Kurzentschlossen entführte King seine frisch Angetraute in das Bestattungsinstitut eines Freundes. So verbrachte das junge Paar die Hochzeitsnacht zwischen Verstorbenen. Makaber oder romantisch?
Martin Luther King gewann einen Grammy, den wichtigsten Musikpreis der Welt. Dabei war er nicht für seine Sangeskünste bekannt – obwohl er als Kind im Kirchenchor gesungen hat. Tatsächlich gewann er den Preis 1971 für das beste Album in der Kategorie „Spoken Word“. Die posthume Ehre wurde ihm zuteil für sein Album „Warum ich gegen den Krieg in Vietnam bin“.
Feiertage gibt es in den USA einige. Aber der „Martin-Luther-King-Jr.“-Feiertag ist aus mehreren Gründen besonders: Es ist der einzige Feiertag in den USA, der jemandem gewidmet ist, der nie ein politisches Amt bekleidet hat. Neben George Washington ist King sogar der einzige, dessen Geburtstag ein Feiertag ist. Auch außergewöhnlich: Der Tag wird auch in Toronto (Kanada) und Hiroshima (Japan) gefeiert. Und in den USA selbst wird der Feiertag, obwohl 1983 eingeführt, erst seit dem Jahr 2000 in allen Bundesstaaten begangen.
King war so ein großer Fan der Serie “Star Trek” (Ja, die gibt’s seit den 60ern!), dass er sogar seinen Kindern erlaubte, dafür aufzubleiben – was er bei keiner andere Sendung tat. Er nutzte schließlich sogar seine Prominenz, als er die Schauspielerin Nichelle Nichols (sie spielte „Uhura“) dazu bewegte, der Serie treu zu bleiben, als sie aufhören wollte.
So überzeugend King als Redner, Bürgerrechtler und friedliebender Christ war: Er hatte eine große Schattenseite. Er betrog seine Ehefrau regelmäßig und häufig mit anderen Frauen. Ans Licht kam das durch das FBI. Weil dessen Chef J. Edgar Hoover King für einen Kommunisten und eine Bedrohung der nationalen Sicherheit hielt, ließ er ihn jahrelang beschatten. Dabei kam heraus: Auf seinen vielen Reisen verbrachte King die Nächte mit wechselnden Geliebten.
Nach Angaben des Martin-Luther-King-Centers saß King 29 mal im Gefängnis. Oft ging es um „zivilen Ungehorsam“, also quasi das Berufsrisiko der Bürgerrechtlers – oder eine Auszeichnung? Meist ging es um aufgeblasene Vorwürfe, wie zum Beispiel als er in Montgomery, Alabama 1956 festgenommen wurde, weil er 30 Meilen pro Stunde schnell fuhr. Erlaubt waren 25 Meilen.
Als Sohn eines Predigers und gläubigem Christ blieb das Wort Gottes Zeit seines Lebens die wichtigste Inspirationsquelle Kings. Ein Blick in seine berühmteste Rede reicht, um das festzustellen. Sie wimmelt vor Anspielungen und direkten Zitaten aus der Bibel. Vom Aufruf zur Gerechtigkeit bei den Propheten Amos und Jesaja bis zu den Psalmen, dem Lukasevangelium und dem Galaterbrief: King schöpft seine rhetorische Kraft aus dem Buch der Bücher. Und: Ja, das ist die Originalbibel Martin Luther Kings.