Lizenz : CC0 1.0
Jerusalem wird in der Bibel 900 Mal erwähnt – so oft wie keine andere Stadt. Sie existierte schon, bevor sie die Hauptstadt Israels wurde: Das erste Buch der Bibel nennt Melchisedek als „König von Salem“, wahrscheinlich ein anderer Name für Jerusalem. Später wird Adoni-Zedek als Herrscher der Stadt erwähnt, der alles andere als ein guter König war. Erst 400 Jahre später, etwa 1000 v. Chr., nahm der berühmte König David die Stadt für Israel ein und Jerusalem wird immer wichtiger. Im Islam ist das anders: der Koran erwähnt Jerusalem genau null Mal.
Heute ist Jerusalem heftig umstritten, vor allem zwischen Israel und Palästina. Aber auch Muslime aus anderen Ländern hängen an der Stadt. Das führt immer wieder zu gewalttätigen Konflikten mit Israel. Dabei ist es eine späte Liebe zwischen dem Islam und Jerusalem. Am Anfang waren Mekka als Geburtsstadt des Religionsgründers Mohammed und Medina als seine spätere Wirkungsstätte am wichtigsten. Mohammed selbst erwähnt Jerusalem nicht. Einer späteren mündlichen Überlieferung zufolge hat der Prophet allerdings von Jerusalem aus seine Reise gen Himmel angetreten. So wurde Jerusalem auch für Muslime zu „Al Quds“ – „die Heilige“.
Was genau Jerusalem bedeutet, ist unklar – es könnte „Besitz des Friedens“ oder „Grundlage des Friedens“ bedeuten. Ausgerechnet der Teil mit dem „Frieden“ entsprach allerdings fast nie der Realität. Zu biblischen Zeiten war es nur unter dem jüdischen König Salomo (Regierungszeit etwa von 970-931 vor Christus) wirklich friedlich. Ansonsten ging’s kriegerisch zu. Schon David, der später König wurde, nahm die Stadt als eine Art Guerilla-Kämpfer ein und seitdem wurde es kaum ruhiger. Mehrfach wurde sie schon zu biblischen Zeiten eingenommen, unter anderem von den Babyloniern (588 v. Chr.) und später von den Römern sogar zerstört (70 n.Chr.). Und auch später ging es so weiter: Eroberung durch die Perser 614, später die Türken, Araber, Kreuzfahrer, Engländer… und so wirklich ruhig ist es bis heute nicht geworden. Für die Zukunft bleibt aber Hoffnung. Der Prophet Haggai macht eine Vorhersage für Jerusalem mit den Worten von Gott: „An diesem Ort will ich Frieden geben“.
Jerusalem teilt eine Besonderheit mit der Stadt Nikosia auf Zypern: Es sind die beiden letzten geteilten Hauptstädte der Welt. Ähnlich wie Berlin zur Zeit des Kalten Krieges werden sie von zwei Staaten als Kapitale beansprucht. Im Falle Nikosias sind das die (griechisch geprägte) Republik Zypern und die (international nicht anerkannte) Türkische Republik Nordzypern. Und in Jerusalem? Zum einen natürlich der jüdische Staat, Israel, der Jerusalem im Sechs-Tage-Krieg 1967 einnahm. Und auf der anderen Seite der (international nicht anerkannte) Staat Palästina. De facto regiert die palästinensische Autonomiebehörde allerdings von Ramallah aus – die Kontrolle über Jerusalem liegt bei Israel.
Schon seit den Feldzügen der Babylonier und Perser, spätestens aber durch die römische Besatzung, wurden die Juden in alle Welt verstreut. In der „Diaspora“ (Zerstreuung) hielt sie die Sehnsucht nach ihrer Heimat Israel und vor allem Jerusalem aufrecht. Schon in einem ganz alten Bibelvers ruft ein Beter im Exil aus: „Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, dann soll mir die rechte Hand verdorren.“ (Ps. 137,5). Und orthodoxe Juden beten seit Jahrhunderten dreimal am Tag: „Baue Jerusalem, die Heilige Stadt, schnell in unseren Tagen!“ Und Daniel kam in Persien unter anderem deshalb in die Löwengrube, weil er nach alter Väter Sitte dreimal am Tag in Richtung Jerusalem betete.
Für das warme Mittelmeerklima eigentlich recht ungewöhnlich, schneit es in Jerusalem immer wieder. So kommt es gar nicht so selten zu weißen Weihnachten in der Stadt, genauso wie im nahe gelegenen Betlehem. Der Grund: mit 754 Metern über dem Meer liegt Jerusalem recht hoch im judäischen Bergland. So wird’s im Winter ziemlich frostig – und alle paar Jahre bedecken Schneeflocken die Heilige Stadt.
Schon als zwölfjähriges Kind besuchte Jesus mit seinen Eltern den Tempel und legte den staunenden Schriftgelehrten die Bibel aus (Lukas 2). Die Botschaft war klar: Gott selbst kehrt in sein Eigentum zurück, in den Ort, an dem er schon seit Jahrhunderten verehrt wurde. Mit seinem ganzen Leben erfüllte Jesus zahlreiche Prophetien aus dem Alten Testament – von der Geburt in Betlehem bis zum Einzug in Jerusalem auf einem Esel. Der Prophet Sacharja sagte: „Du, Tochter Zion (Jerusalem), freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.“ Der König Israel und Herrscher der Welt konnte sein Werk nur in der Stadt vollenden, die schon immer „die irdische Hauptstadt“ des Reiches Gottes war.
Orthodoxe, also strenggläubige Juden, lassen sich bis heute am liebsten auf dem Ölberg bestatten. Die Erhebung liegt genau gegenüber dem Tempelberg, auf dem das Erscheinen des Messias erwartet wird. Der Gedanke: wenn der verheißene Retter kommt und Israel machtvoll aufrichtet, sind sie in der ersten Reihe vorne mit dabei. Alle anderen, so ein verbreiteter Volksglaube, müssen sich erst mühsam von ihrer Grabstätte durch die Erde kämpfen, um sich dem Messias anzuschließen. Inzwischen ist allerdings der Platz eng geworden und es finden nur noch selten Beerdigungen auf dem Ölberg statt.
1948 wurde der Staat Israel gegründet, 1950 wurde Jerusalem zu seiner Hauptstadt ernannt. Als Reaktion eroberte und annektierte Jordanien den Ostteil der Stadt. Als das arabische Land 1967 auch Westjerusalem angriff, übernahm Israel die Kontrolle über die ganze Stadt, die seitdem komplett unter israelischer Verwaltung steht. Doch schon lange zuvor lebte in Jerusalem eine jüdische Mehrheit. In den hundert Jahren vor der Staatsgründung, als zunächst die Osmanen und dann die Briten die Region beherrschten, waren 60 Prozent der Bewohner Jerusalems Juden. Im Jahr 1961 waren es 72 Prozent Juden, 22 Prozent Muslime und 5 Prozent Christen. Unter israelischer Verwaltung wuchs übrigens der Anteil der Palästinenser an der Stadtbevölkerung auf über 30 Prozent.
Das gibt es wohl nur in der Heiligen Stadt: eine Kirche, die sich gleich sechs verschiedene christliche Konfessionen teilen. Der Grund: Es ist nicht irgendein Gotteshaus, sondern die Grabeskirche Jesu. Sie wurde im vierten Jahrhundert auf Initiative Helenas, der Frau des römischen Kaisers, an der vermuteten Stelle des Grabes Jesu gebaut. Daran will natürlich jeder teilhaben. Und so teilen sich heute die armenische, äthiopische, griechische, koptische, römisch-katholische und syrisch-orthodoxe Kirche das Gotteshaus. Eigentlich eine schöne Idee – die leider nicht so richtig funktioniert hat. Weil es immer wieder Streitereien, zum Beispiel über Gebetszeiten, gab, verwahrt die muslimische Familie Joudeh seit mehreren Jahrhunderten die Schlüssel der Kirche
Geschichte ist immer auch eine Interpretationsfrage. Aber es gibt Fakten, über die sich nicht streiten lässt – eigentlich. Das König Salomo einst in Jerusalem seinen Tempel gebaut hat, galt lange als unumstritten. Schließlich gibt es viele archäologische Belege für das Bauwerk und seinen Nachfolgebau aus römischer Zeit. Umso überraschender war die Behauptung des ehemaligen palästinensischen Führers Yassir Arafat, dass es in Jerusalem nie einen jüdischen Tempel gegeben habe. Seitdem ist diese Ansicht immer häufiger zu hören. Selbst die Unesco verfasste eine Resolution über Jerusalem, die ohne Verweise auf die jüdischen Wurzeln auskam. Dabei sprach schon der höchste muslimische Rat der Stadt 1920 ganz selbstverständlich vom „Tempelberg“. Fakten lassen sich eben bestreiten – aber nicht so leicht beerdigen.
Gerne schmückt sich Rom mit dem Titel „die ewige Stadt“. Die Bibel sieht das allerdings anders. Zwar sagen die Propheten des Alten Testament die Zerstörung der Stadt voraus (Jes 10,5 und Sach 14,1), aber das ist nicht das Ende. Vielmehr kündigt der Prophet Jeremia an, dass Jerusalem „nicht ausgerottet und nicht zerstört wird in Ewigkeit“ (Jer 31,38). Der Tempel, den einst Salomo gebaut hatte, soll neu und prächtig wiederaufgebaut werden und neu zum Ort der Gegenwart Gottes werden. Dieses „himmlische Jerusalem“ soll der Mittelpunkt der neuen, erlösten Welt Gottes werden. Dann gilt, was der Prophet Hesekiel schreibt: „Und der Name der Stadt soll von nun an heißen: ‚Der Herr ist hier’“ (Hes 48,35).