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Metropolit Hilarion (Alfejew), Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats und damit die Nummer Zwei in der Russisch-orthodoxen Kirche, fährt einmal mehr schwere verbale Geschütze gegen den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., auf. In einem Interview mit der serbischen Zeitung Vecernje Novosti, das im Wortlaut auch auf der Website des Moskauer Patriarchats veröffentlicht wurde, warf der russische Metropolit dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie ein falsches Kirchenbild vor.

Bartholomaios habe sich in den vergangenen Jahren nicht als Koordinator in den zwischenorthodoxen Beziehungen bewährt, sondern als "souveränes Oberhaupt der gesamten Kirche Christi, das keiner Gerichtsbarkeit unterliegt" verstanden, so Hilarion. Solche Machtansprüche seien aber der orthodoxen Lehre und Kirche fremd. Wenn der Ökumenische Patriarch diesen Weg weiter verfolgt, werde sich die Spaltung in der orthodoxen Kirche nur noch vertiefen, warnte der russisch-orthodoxe Metropolit. Die Trennlinie verlaufe jedoch nicht zwischen Konstantinopel und Moskau oder zwischen Griechen und Slawen, sondern schlicht zwischen jenen, die sich an die kirchlichen Gesetze und Traditionen hielten und jenen, "die auf ihnen herumtrampeln". Er hoffe sehr, so der Moskauer Außenamtsleiter, dass es keine endgültige Spaltung der Orthodoxie geben und die Einheit der gemeinsamen orthodoxen Familie wiederhergestellt wird.

Mit Blick auf die Ukraine meinte Hilarion, dass Patriarch Bartholomaios stets erklärt habe, mit der Verleihung der Autokephalie an die "Orthodoxe Kirche der Ukraine" die dortigen Orthodoxen vereinen zu wollen. Doch das Gegenteil sei der Fall, die Spaltung habe sich vielmehr verschärft. Die "Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats" sei trotz massiver Beschlagnahmungen von Kirchen und diskriminierender Gesetze nach wie vor die größte Kirche in der Ukraine mit der größten Anzahl von Gemeinden.

Angesprochen auf den von Patriarch Bartholomaios angekündigten Besuch in der Ukraine im kommenden August anlässlich der Unabhängigkeitsfeierlichkeiten des Landes, meinte der Metropolit lapidar, dass dieser Besuch wohl nichts an der vorgegebenen Situation ändern werde. Die orthodoxen Gläubigen würden weiterhin in der laut Hilarion einzigen legitimen orthodoxen Kirche des Landes beten, die Kirchen der "Orthodoxe Kirche der Ukraine" hingegen würden weiterhin leer bleiben. Und die ukrainischen Politiker würden weiterhin versuchen, Religion für ihre Zwecke zu missbrauchen.

Konflikt um Nordmazedonien

Zum orthodoxen Konflikt in und um Nordmazedonien, betonte Hilarion, dass die Lösung des mazedonischen Kirchenproblems das Vorrecht der Serbisch-orthodoxen Kirche sei. Ohne Zustimmung Belgrads seien alle Versuche, sich einzumischen, völlig inakzeptabel. Zuletzt hatten die aktuellen politisch Verantwortlichen in Skopje und auch Kirchenvertreter Patriarch Bartholomaios gebeten, der Kirche - wie in der Ukraine - die Autokephalie (Unabhängigkeit) zu verleihen und sie damit anzuerkennen.

Nordmazedonien gehört kanonisch zum serbisch-orthodoxen Patriarchat. 1967 trennte sich die mazedonische Kirche - unter aktiver Beteiligung des titokommunistischen Regimes - vom serbischen Patriarchat, das den Mazedoniern bereits 1959 ein "autonomes Statut" angeboten hatte. Für die Weltorthodoxie galt die neue Kirche als "schismatisch".

Theologischer Dialog mit Rom schwierig

Thema des Interviews war auch der bevorstehende 5. Jahrestag der historischen Begegnung zwischen von Papst Franziskus und dem Moskauer Patriarch Kyrill I. auf Kuba am 12. Februar 2016. Dazu meinte Metropolit Hilarion, dass es angesichts der Schwierigkeiten im theologischen orthodox-katholischen Dialog derzeit vor allem um die gemeinsame Arbeit im sozialen, kulturellen und karitativen Bereich gehe. Diese sei auch nicht an Fortschritte im theologischen Dialog gebunden.

In Übereinstimmung mit den während des Treffens in Havanna getroffenen Vereinbarungen seien in Folge etwa eine Reihe gemeinsamer humanitärer Projekte im Nahen Osten gestartet worden. In den Jahren seit dem Treffen habe sich auch die Zusammenarbeit im kulturellen Bereich erheblich intensiviert.

Hilarion: "Trotz der verbleibenden Meinungsverschiedenheiten arbeiten wir erfolgreich an der Umsetzung vieler gemeinsamer Projekte, bewahren unsere eigene Identität und verwirklichen gleichzeitig gemeinsam unsere gemeinsame christliche Berufung unter modernen Bedingungen."

Kritik an Demonstrationen

Im Fernsehsender Rossija-24 äußerte sich der Metropolit zuletzt auch kritisch zu den jüngsten politischen Demonstrationen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin bzw. für den Oppositionellen Alexej Nawalny. Hilarion ging zwar nicht näher auf die politische Dimension ein, verurteilte aber, dass bei den Demonstrationen auch Kinder und Jugendliche dabei gewesen seien. Diese in solche politischen Aktionen hineinzuziehen, sei inakzeptabel und die Verantwortliche müssten zur Rechenschaft gezogen werden, sagte der Metropolit laut Nachrichtenagentur Interfax.

Hilarion räumte ein, dass es in Russland zahlreiche soziale Probleme gebe und teils auch sehr viel Korruption, das sei aber kein Grund, Jugendliche dazu zu bringen, auf die Straße zu gehen. Ein Staat müsse sich "auf evolutionäre und nicht auf revolutionäre Weise entwickeln", so der Metropolit mit Verweis auf das negative Beispiel von Oktoberrevolution bzw. Kommunismus im Land.