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Zu einer besseren Vorsorge gegen Angstzustände hat der deutsche Neurobiologe Gerald Hüther aufgerufen. Gerade in Pandemie-Zeiten mit vielen bedrohlichen Nachrichten sei es wichtig, auf das "Immunsystem" nicht nur des Körpers, sondern auch der Psyche zu achten, sagte der Experte bei einem gesellschaftspolitischen Stammtisch der Diözese Feldkirch zu Beginn dieser Woche. Das Vertrauen spiele dabei eine besondere Rolle, unterstrich Hüther vor über 330 Menschen, die den auf der Diözesan-Website abrufbaren Online-Talk live mitverfolgten.

Allzu leicht würden Menschen derzeit in Panik angesichts von Überlegungen, was alles geschehen könnte, mahnte der deutsche Hirnforscher. Die Angst- und Stresssituationen des Lockdowns lösten dabei ein "Durcheinander im Kopf" aus und ließen Menschen in Kindheitsmuster zurückfallen, erkennbar an Verhaltensweisen wie etwa Herumbrüllen, Zuknallen von Türen, Erstarren oder "Totstellen". Dabei laufe im Hirnstamm ein "Notfallprogramm" ab, erklärte Hüther, der Vorstand der in Göttingen, Wien und Zürich vertretenen "Akademie für Potentialentfaltung" ist und jüngst das Buch "Wege aus der Angst" veröffentlichte.

Statt Ängste unnötig zu verstärken oder sie kleinreden, solle man besser gegen sie vorbeugen, so die Botschaft des Experten. Am ehesten gelinge dies durch den bewussten Blick auf drei "Vertrauensressourcen", darunter zunächst das Vertrauen in die eigene Kompetenz, mit der man schon Schwieriges gelöst habe. Eltern könnten diese Selbstwirksamkeit bei ihren Kindern im Rahmen der Erziehung fördern, indem sie ihnen Hürden selbst meistern ließen und nicht alle Lebensvollzüge ins Digitale auslagern.

Als zweites Standbein nannte Hüther das Vertrauen in andere Menschen - in Freunde, Verwandte und Bekannte, nach dem Motto "Gemeinsam sind wir stark!". Diese Ebene komme mit zunehmender Dauer der Pandemie oft unter die Räder: Nach der Anfangsphase gegenseitiger Unterstützung würden nun das "Ellenbogen- und Konkurrenzdenken" der Wettbewerbsgesellschaft langsam wieder die Oberhand gewinnen, bedauerte der Experte. Viele soziale Beziehungen würden damit zerstört, besonders in Großstädten.

"Gott-Vertrauen, dass es wieder gut wird"

Noch mehr Mangelware sei im heutigen säkularen Zeitalter allerdings das "Vertrauen, dass es wieder gut wird", erklärte Hüther - der dieses dritte notwendige Element auch als "Ur- oder Gottvertrauen" bezeichnete. Dass der Mensch selbst für alles sorgen könne, sei jedoch eine Einbildung, werde in der Pandemie mitunter sichtbar.

Die Ratschläge des Experten für die Corona-Zeit: Liebevoll mit sich selbst und eigenen Bedürfnissen umgehen, sich stärker um Dinge und Menschen kümmern, die einem selbst wichtig sind, sowie das Wiederfinden alter Entdeckerfreude. So wenig man an den derzeitigen Gegebenheiten auch ändern könne, so sehr könne man "Verankerungen" suchen - und damit besser gewappnet sein, wenn etwas oder jemand einem "Angst einjagen" will.

(Link: www.kath-kirche-vorarlberg.at/organisation/ethikcenter/artikel/angst-corona-huether-gesellschaftspolitischer-stammtisch)