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Die türkischen Angriffe gegen Stellungen der PKK in Nordirak haben als negative Begleiterscheinung verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Darauf hat das Linzer kirchliche Hilfswerk "Initiative Christlicher Orient" (ICO) aufmerksam gemacht. Die Zivilisten, darunter auch die kleine christliche Minderheit in der Region, würde zwischen die Fronten geraten. Die ICO verwies auf eine Studie des "Assyrian Policy Instituts" (API) vom Jänner 2021, wonach alleine im Jahr 2020 insgesamt 52 türkische Luftangriffe in jenen Gebieten dokumentiert wurden, in denen Christen leben.

Die PKK verlegte ihr Hauptquartier und zahlreiche Stützpunkte in den früheren 1990er-Jahren in die nordirakische Grenzregion zur Türkei. Dabei wurden aber nicht nur grenznahe Gebirgszüge in Beschlag genommen, sondern auch einige Regionen, die weiter im Landesinneren liegen, etwa das Nahla-Tal. Einige abgelegene Dörfer stehen somit seit gut zwei Jahrzehnten de facto unter Kontrolle der PKK; mit weitreichenden negativen Konsequenzen für die Bevölkerung. Im API-Bericht ist abgesehen von der schlechten Sicherheitslage von Landenteignungen die Rede, aber auch von Versorgungsschwierigkeiten der örtlichen Bevölkerung, wenn etwa Straßen geschlossen sind. Die kurdische Regionalregierung hat jedenfalls keine Kontrolle über bestimmte Gebiete.

Kirchliche und politische Vertreter der Christen hatten in den vergangenen Jahren zum einen an die Türkei appelliert, in den Gebieten mit Zivilbevölkerung keine militärischen Operationen durchzuführen, und zum anderen wurde die PKK aufgefordert, sich aus solchen Regionen zurückzuziehen. Bislang freilich ohne Erfolg.

Die Gefahr, die von den türkischen Luftschlägen ausgeht, betrifft freilich nicht nur die Christen, sondern auch Kurden und Jesiden, hielt das Hilfswerk ICO fest. Das API verweist in seinem aktuellen Bericht auf Zahlen der "International Crisis Group" (ICG), wonach seit Juli 2015 bei den Kämpfen zwischen dem türkischen Militär und der PKK geschätzt 535 Zivilisten ums Leben kamen. Darunter waren allerdings keine Christen.

Nothilfe für ausgebombte Familien

Wie dramatisch die Situation vor Ort ist, verdeutlichte die ICO gegenüber Kathpress am Beispiel der kleinen christlichen Ortschaft Sharanish im Bezirk Zakho nahe der Grenze zur Türkei. Am 29. März 2019 bombardierte die türkische Luftwaffe zum wiederholten Mal PKK-Kämpfer in unmittelbarer Nähe des Dorfes. Mehrere Häuser im Ort wurden dabei zerstört. Die verbliebenen 18 Familien flohen in der Folge aus Angst um das Leben ihrer Kinder aus dem Ort und mussten in der Stadt Zakho Unterschlupf suchen. Die ICO half den Familien dann einige Zeit bei der Bezahlung der Mieten für die Notunterkünfte.

Die Luftangriffe 2019 waren nicht die ersten auf Sharanish. In dem Ort gab es einst 80 bewohnte Häuser, von denen 2019 nur mehr 18 bewohnt waren. Der Großteil der Bewohner war schon ins Ausland emigriert. Im Juni 2020 wurde Sharanish dann nochmals bei Luftangriffen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Dabei wurde auch die Infrastruktur für Strom und Wasser endgültig zerstört. Der Ort ist so gut wie unbewohnbar.

Die Türkei hat seit rund einer Woche im Nordirak wieder einen groß angelegten Militäreinsatz gegen die PKK laufen. Die PKK gilt in der Türkei, Europa und den USA als Terrororganisation. Ihr Hauptquartier befindet sich in den nordirakischen Kandil-Bergen.