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Die Fokolarbewegung wählt am Sonntag online eine Nachfolgerin für die Präsidentin Maria Voce (83). Das Statut schreibt ausdrücklich vor, dass an der Spitze des katholischen Werks eine Frau steht. Voce hatte die Bewegung seit dem Tod der Gründerin Chiara Lubich (1920-2008) vor zwölf Jahren geleitet. Im Interview mit Vatican News (Mittwoch) erklärte die scheidende Präsidentin, sie sehe es als "Privileg" ihrer Vereinigung, dass diese per Statut eine Frau in der Führungsrolle vorsieht. Die Fokolarbewegung könne dies "der Kirche und der Welt als Beispiel und in gewisser Weise als Vorreiterin anbieten".

Rund zwei Millionen Menschen in 182 Ländern stehen der Fokolarbewegung nach Voces Angaben nahe. Etwa 120.000 gehören ihr im engeren Sinn an, darunter auch Priester und Bischöfe wie etwa der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl. An der Spitze dieser Bewegung zu stehen bedeute, "wirklich erste" zu sein im Dienst an den anderen und im Annehmen von Herausforderungen, erklärte die aus Süditalien stammende Juristin, Theologin und Kirchenrechtlerin. Dabei gelte es, nach dem Vorbild der Gründerin Chiara Lubich zu "lieben, leiten und dienen".

Mit ihrer Verpflichtung, die Führung mit einer Frau zu besetzen, gebe die Fokularbewegung ein Zeugnis "jener Gleichheit, tiefen Geschwisterlichkeit und gleichen Würde, die über die sexuellen Unterschiede hinausgeht, die Gott in die Welt gebracht hat, als er den Menschen nach seinem Bild schuf und ihn als Mann und Frau schuf", sagte Voce. Gott habe "zwei unterschiedliche Wesen geschaffen", sie aber geschaffen, "um zusammen zu sein und gemeinsam die Menschheit nach seinem Bild und Gleichnis zu bilden".

In diesem Sinn, so die scheidende Präsidentin, könne die weibliche Präsidentschaft ein "Zeichen des Fortschritts" sein und "etwas, das sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft immer mehr auftaucht". Sie bringe aber zugleich auch das "marianische Profil der Kirche" wesentlich zum Ausdruck. Maria sei "Frau, Mutter, aber auch Königin der Kirche und, zusammen mit ihrem Sohn auf dem Kalvarienberg, Miterlöserin der Menschheit, Prinzip der Einheit für alle."

Die Situation der Fokolarbewegung selbst beschrieb Voce als einen "Baum im Herbst, der vielleicht ein wenig seine Blüten und Blätter verloren hat, aber seine starke Wurzel intakt hält". Das Werk sei heute auf allen Kontinenten verbreitet und könne seine Wurzeln "weiterhin nähren und zum Blühen bringen", was so auch zu beobachten sei. Sie selbst wünsche ihrer Bewegung für die Zukunft eine bis zum "Heldentum" reichende "Treue, das Evangelium konkret zu leben".

Die Fokolarbewegung wurde 1943 in Trient von der damals 23-jährigen Chiara Lubich gegründet. Für die 2008 verstorbene Gründerin läuft ein Seligsprechungsverfahren. Das Anliegen der geistlichen Aufbruchsbewegung ist es, aus einem Geist des Evangeliums heraus Respekt und Toleranz zwischen Menschen zu stärken und zu mehr Geschwisterlichkeit und Einheit in der Welt beizutragen. Auch Menschen ohne religiöses Bekenntnis gehören der Gemeinschaft an, nach deren Prinzipien weltweit 35 Siedlungen errichtet wurden. Die älteste davon, Loppiano bei Florenz, besuchte Papst Franziskus im Mai 2018.