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Per Ende 2018 hebt der Österreichische Verfassungsgerichtshofes (VfGH) die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare auf und ermöglicht somit allen Paaren ungeachtet ihres Geschlechts die Schließung einer „Ehe“ sowie einer eingetragenen Partnerschaft.

Nach der scharfen Kritik von Österreichs Kardinal Christoph Schönborn, folgte am Donnerstag eine Stellungnahme der Österreichischen Evangelischen Allianz (ÖEA). Der Zusammenschluss von evangelischen und evangelikalen Christen, die an der bleibenden Gültigkeit und Autorität der Bibel und dem traditionellen Verständnis der kirchlichen Bekenntnisse festhalten, steht der Entscheidung höchst kritisch und ablehnend gegenüber.

Folgende Gründe führt die ÖEA in ihrem Protestschreiben an:

  • Die Entscheidung des VfGH steht im Widerspruch zu Wortlaut und Sinn der Ehebestimmungen des ABGB, wo die Ehe explizit als Institut von zwei Personen verschiedenen Geschlechts bestimmt wird. Diese Ehedefinition stellt u.E. keine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare dar, weil der Ehebegriff eine spezifische Sache meint, die ihrem Wesen nach nur bei einer Verbindung von Mann und Frau gegeben ist.
  • Sie berücksichtigt weiterhin nicht, dass die mögliche – und nach unserer christlichen Überzeugung von Gott gewollte – leibliche Elternschaft und mit ihr das Recht des Kindes auf Vater und Mutter ein konstitutives Element des Eheinstituts ist. Der Staat muss ein besonderes Interesse an der verschiedengeschlechtlichen Ehe haben und sollte diese besonders fördern, da sie die natürliche Keimzelle der Gesellschaft darstellt und den Raum für ein sicheres und gemeinschaftliches Aufwachsen von Kindern in familiärer Geborgenheit bietet.
  • Der VfGH nimmt mit dieser Entscheidung eine sehr weitreichende definitorische Autorität in Anspruch, die bedenklich stimmen muss. Er definiert den Ehebegriff in bewusstem Gegensatz zum tradierten rechtlichen, religiösen und allgemein gesellschaftlichen Verständnis von Ehe. Wir fragen uns, ob ihm diese Hoheit wirklich zusteht, oder ob er damit nicht über sein Mandat hinausgeht, die Verfassungsgemäßheit rechtlicher Regelungen zu beurteilen.

Darüber hinaus hat Österreichs Evangelische Allianz ernsthafte Bedenken in Hinblick auf mögliche gesellschaftspolitische Auswirkungen dieses Gerichtsurteils.

  • Bislang sehen Christen wie auch andere Religionsgemeinschaften ihr religiöses Eheverständnis in weitgehender Übereinstimmung mit dem zivilen Eheinstitut. Die gegenständliche Entscheidung des VfGH ist geeignet, diese Übereinstimmung durch eine zeitgeistige Umdeutung des Ehebegriffs zu gefährden und Religionsgemeinschaften von den staatlichen Behörden zu entfremden. Auf längere Sicht stellt sich die Frage, ob dies nicht zu einem sicherlich nicht erwünschten Nebeneinander von ziviler und religiöser Ehe führen könnte.
  • Schließlich haben wir die Sorge, dass sich Christen, die der biblischen, allgemein-christlichen und herkömmlichen Lehre in Bezug auf die Ehe folgen, mehr und mehr in einer marginalisierten Position wiederfinden, und dass sie in Zukunft gesetzlich belangt werden könnten, wenn sie sich jener „Diskriminierung“ schuldig machen, die der VfGH in den derzeitigen gesetzlichen Regelungen sieht. Dabei sind Christen der Überzeugung, dass eine Diskriminierung nur dann vorliegt, wenn Gleiches ungleich behandelt wird; dass es aber genauso falsch ist, Ungleiches gleich zu behandeln, wie es in diesem Falle unserer Meinung nach geschieht.

In den Worten von Christoph Grötzinger, dem Generalsekretär der ÖEA:

„Forderungen nach rechtlicher Absicherung weiterer Formen verbindlichen Zusammenlebens werden nun wohl nicht lange auf sich warten lassen. Ich wünsche mir auf allen Ebenen der Politik Entscheidungen, die in Verantwortung vor Gottes Schöpfungsordnung und seinem offenbarten Willen getroffen werden. Nur so werden sie dem Wohl einer Gesellschaft dienen.“

Evangelisch-lutherischer Bischof und Synode H.B. begrüßen „Ehe für alle“

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs pro „Ehe für alle“ wird vom evangelisch-lutherischen Bischof Michael Bünker begrüßt. „Für die Evangelische Kirche sind Vertrauen, Verlässlichkeit und die Übernahme von Verantwortung in der Gestaltung menschlicher Beziehungen von zentraler Bedeutung“, hält der Bischof in einer Stellungnahme gegenüber dem Evangelischen Pressedienst fest. Aus Sicht der Evangelischen Kirche biete die Ehe dafür beste Voraussetzungen und sei deshalb „ein Zukunftsmodell“. Sie bilde den rechtlichen Rahmen für ein Zusammenleben von zwei Menschen, das auf lebenslanger Treue beruhe. Für Martin Luther – „und im Jahr des Reformationsjubiläums soll daran erinnert werden“ – sei die Ehe „ein weltlich Ding“, erklärt der Bischof.

Dass auch für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, die den Wunsch nach einer lebenslang verbindlichen Partnerschaft haben, der rechtliche Raum nun vollständig geöffnet wird, „in dem Vertrauen, Verlässlichkeit und Verantwortung durch gesetzliche Regelungen geschützt und unterstützt werden, ist aus meiner Sicht zu begrüßen“, so der Bischof. Es gehe um die rechtliche Gleichbehandlung und die Überwindung von allem, was Menschen diskriminieren könne. Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau, die für den christlichen Glauben hoch einzuschätzen ist, werde dadurch keineswegs geschmälert. Bünker: „Im Gegenteil – sie wird noch einmal unterstrichen.“

Auch die reformierte Synode begrüßt die „Ehe für alle“. Positiv bewertet das höchste gesetzgebende Gremium der Evangelischen Kirche H.B. in Österreich, dass der VfGh am Dienstag „diskriminierende Formulierungen in Bezug auf eingetragene Partnerschaft bzw. Ehe“ aufgehoben hat. Gleichzeitig erinnert die reformiere Synode in einer Aussendung daran, dass die Evangelische Kirche H.B. bereits seit 1999 Partnerschaften zwischen heterosexuellen und homosexuellen Paaren als gleichwertig betrachte und Paaren, die auf Dauer zusammenleben wollen, Segnungsgottesdienste anbietet.