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Nächste Enttäuschung für eine österreichische Lebensschutz-Initiative: Auch die Bürgerinitiative "#fairändern - Bessere Chance für Frauen und ihre Kinder" ist vom österreichischen Parlament lediglich "zur Kenntnis genommen" und die mehr als 60.000 Unterzeichner damit "de facto ignoriert" worden, beklagten die Betreiber am Mittwoch in einer Aussendung. Zuletzt hatte sich auch die "Aktion Leben" enttäuscht über dieselbe Behandlung ihrer Bürgerinitiative "Fakten helfen!" im parlamentarischen Petitionsausschuss gezeigt und über das Desinteresse der Politik an Frauen in Konfliktschwangerschaften geklagt. "Eklatantes Wegschauen statt echter Hilfe" ortete nun auch "#fairändern"-Erstunterzeichnerin und Vorsitzende Petra Plonner.

Erwartet hätten sich die Betreiber der auch kirchlicherseits unterstützten Initiative, dass ihre Anliegen wie Einführung einer anonymen Abtreibungsstatistik oder mehr Ressourcen für Schwangere, Familien und Kinder mit Behinderung an einen Parlamentsausschuss zur weiteren Bearbeitung weiter verwiesen werden. Das sei unterblieben, doch "#fairändern lässt sich natürlich nicht ignorieren", so Plonner. Aus der Bürgerinitiative sei längst eine Bewegung gewachsen, die angesichts hoher Abtreibungszahlen, "unreflektierter Abtreibungspraxis" und der Not betroffener Frauen und Familien "lauter denn zuvor zum Handeln aufruft".

Von den politischen Verantwortungsträgern fordere "#fairändern" das ehrliche Bemühen um Hilfe für jede noch so schwierige Situation, hieß es in der Aussendung. "Alles andere ist eines zivilisierten Landes wie Österreich nicht würdig." Petra Plonner betonte: "Die Not bleibt. Man kann sie nicht einfach in eine Schublade stecken." Die Träger der Bürgerinitiative würden Politiker weiterhin persönlich von der Wichtigkeit des Anliegens zu überzeugen suchen, in der Gesellschaft meinungsbildend wirken "und jeder Frau auch bei ungeplanter Schwangerschaft ein Ja zum Kind ermöglichen".

Unterstützt haben "#fairändern" u.a. Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof Franz Lackner, Dompfarrer Toni Faber sowie prominente Politiker wie FPÖ-Vorsitzender Norbert Hofer, Altlandeshauptmann Erwin Pröll und VP-Europaparlamentarier Lukas Mandl.

Katholischer Familienverband "bestürzt"

"Mit großer Bestürzung" kritisierte am Mittwoch Alfred Trendl, Präsident des Katholischen Familienverbandes Österreich (KFÖ), die Ablehnung von "Fakten helfen" und das Anliegen, in Österreich eine anonymisierte Statistik und Motivforschung zu Schwangerschaftsabbrüchen einzuführen. Fast 60.000 Unterstützerinnen, die Frauen- und Arbeitsministerin sowie die Ärztekammer hatten sich dafür ausgesprochen. Gerade in Zeiten einer Pandemie, da eine evidenzbasierte Medizin so wichtig sei, mehr Information und Transparenz abzulehnen, klingt für Trendl nach "ideologischer statt sachlicher Begründung".

Beim Thema Abtreibung auf aussagekräftige Zahlen und Motive zu verzichten, sei ein Schaden für die betroffenen Frauen und auch ein "Rückschritt für die Frauenpolitik", zeigte sich Trendl enttäuscht. Bis auf Weiteres sei man in Österreich - anders als in den meisten europäischen Ländern - auf Schätzungen angewiesen. Der KFÖ-Präsident nannte es "ein demokratisches Armutszeugnis, dass wir in Österreich nicht wissen dürfen, wie viele Frauen sich jedes Jahr zu einer Abtreibung entschließen - und warum".

Abtreibungsstatistik: "Aktion Leben" beklagt Dialogverweigerung

In Österreich liegt die Gesprächskultur zum Thema Abtreibungsstatistik "weit unter dem Gefrierpunkt". Die Generalsekretärin der "Aktion Leben", Martina Kronthaler, hat in einem Gastkommentar in der Wochenzeitung "Die Furche" (25.3) keinen Hehl über ihre Enttäuschung über das Abschmettern der Bürgerinitiative "Fakten helfen" im Parlament gemacht und zugleich scharfe Kritik an der Dialogverweigerung besonders der grünen Frauenpolitikerinnen geübt. Die von der "Aktion Leben" geforderte anonyme Statistik über Schwangerschaftsabbrüche und freiwillige Motiv-Erhebung funktioniere in anderen Ländern klaglos, so Kronthaler. Hierzulande sei dieses Ansinnen jedoch Anlass für Unterstellungen und "Selbstinszenierung".

Der Hintergrund: In der jüngsten Zusammenkunft des die Entscheidung des Parlamentsausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen wurde die von knapp 60.000 Personen unterstützte Bürgerinitiative "Fakten helfen!" der "Aktion Leben" bloß "zur Kenntnis genommen" statt sie politisch aufzugreifen und Verbesserungen für Betroffene von Konfliktschwangerschaften zu erwägen. Verlässliche statt wie bisher bloß geschätzte Daten zu Abtreibungen hätten gezielte Hilfe und entsprechende politische Rahmenbedingungen wesentlich erleichtert, schrieb Kronthaler.

"Leider nützten einige Frauenpolitikerinnen wie jene der Grünen und einiger Oppositionsparteien das Thema 'Schwangerschaftsabbruch-Statistik' zur Selbstinszenierung", ärgerte sich die "Aktion Leben"-Generalsekretärin. Sie hätten behauptet: "Die Frauenrechte sind in Gefahr!", wenn Erhebungen vorgesehen wären. Immer wieder sei auch eine Parallele zu Polen gezogen worden, wo sich Frauen derzeit im Aufstand gegen eine rigid verschärfte Abtreibungsgesetzgebung befinden. Eine "undifferenzierte Vereinfachung", befand Kronthaler. Wenn schon Vergleiche, dann mit den Regelungen in Deutschland oder der Schweiz: Dort gebe es eine Abbruch-Statistik, "eine Gesprächskultur, die man als erwachsen bezeichnen kann", sowie Programme, um Frauen nachhaltig zu unterstützen.

Gesprächsangebote der "Aktion Leben", um Missverständnisse zu klären, wurden - so Kronthaler - von den Grünen ignoriert und von deren Anhängerinnen als "Anbiederung" diffamiert. "Wir haben Derartiges noch nie erlebt."

Einmal mehr versicherte Kronthaler: Die "Aktion Leben" habe mit "Fakten helfen!" nicht die Fristenregelung torpedieren, sondern erreichen wollen, dass es auch in Österreich so wie fast überall in Europa eine seriöse Statistik über Schwangerschaftsabbrüche gibt. Die ohnehin in den Arztpraxen vorhandenen Daten müssten dafür nur zusammengeführt werden. Davon unabhängig sollte regelmäßig wissenschaftlich erforscht werden, warum sich schwangere Frauen in einer schwierigen Situation für oder gegen ein Kind entscheiden. Diese Motiv-Erforschung solle freiwillig und nicht im Rahmen des Abbruchs erfolgen. Diese Basisdaten "würden zu mehr Sachlichkeit führen", an der es in Teilen der Politik derzeit fehle.

Die Schätzungen in Österreich schwanken laut "Aktion Leben" zwischen 15.000 und 60.000 Schwangerschaftsabbrüchen jährlich. Bei 30.000 läge Österreich im europäischen Spitzenfeld, wies Kronthaler hin. "Und das, obwohl die SPÖ in den 1970ern meinte, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche soll so gering wie möglich gehalten werden." Jedoch: Viele schwangere Frauen würden mit ihren Problemen allein gelassen. "Entscheidungsfreiheit wird mit verweigerter Hilfe gleichgesetzt", beklagte die Generalsekretärin. Die Abbruchraten seien ein feiner Indikator für die Stimmung der Frauen beim Thema Kinderkriegen: "Es geht nicht nur, aber auch um Rahmenbedingungen, die in der Verantwortung der Politik liegen."

ÖVP will weiter unterstützen

Bei der Nationalratssitzung am Mittwochabend versicherten Abgeordnete der ÖVP die beiden (auch kirchlich breit mitgetragenen) Lebensschutz-Bürgerinitiativen "Fakten helfen" und "Fairändern" ihrer Unterstützung. Frauensprecherin Elisabeth Pfurtscheller erklärte, dass es ihre Partei auch nach der "koalitionsbedingten Einstellung der Bürgerinitiativen" als Aufgabe ansehe, "im Rahmen unserer Möglichkeiten und im Rahmen dessen, was im jetzigen Regierungsprogramm vereinbart wurde, an der Umsetzung von Unterstützungsmaßnahmen für Frauen in Schwangerschaftskonflikten zu arbeiten".

Auch die VP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler ergriff Partei für die Bürgerinitiativen: "Jede Abtreibung ist eine zu viel. Politik soll ein Ja zum Kind ermöglichen... Wir werden uns trotz aller teils unverständlichen Widerstände weiterhin für eine Umsetzung dieser Forderungen einsetzen." Den Vertreterinnen der Grünen und der Sozialdemokratie warf Kugler vor, "im Denken der 70iger-Jahre zu verharren", wenn sie Frauenrechte und den Schutz von ungeborenen Kindern als Widerspruch sähen.