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Die freikirchliche Suha Dejmek kandidierte bei der Wien-Wahl 2020 für die ÖVP Wien und schaffte es mit knapp 1.168 Vorzugsstimmen unter die Top8 der Wiener Volkspartei.
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Nach erfolgreich geschlagener Wien-Wahl und einem hervorragenden Vorzugsstimmenergebnis von 1.168 Stimmen, erfuhr die ÖVP-Landeslisten-Kandidatin Suha Dejmek eine Woche vor ihrer Angelobung im Wiener Rathaus, dass sie doch nicht in den Wiener Gemeinderat einziehen kann. GLAUBE.at berichtete über ihren Wahlkampf und den erfolgreichen Ausgang und Herausgeber Sven Kühne wollte nun wissen, wie es der christlichen Kandidatin mit dieser besonderen Situation geht und was ihre zukünftigen Pläne sind.

GLAUBE.at Du hast bei der Wien-Wahl im Oktober ein unerwartet tolles Ergebnis einfahren können: nach der Vorzugsstimmenreihung warst du einen Tag nach der Wahl an dritter Stelle nach Gernot Blümel, am dritten Tag an achter Stelle. Wie hast du dieses Ergebnis aufgenommen?

Suha Dejmek Ich habe mich natürlich über dieses Ergebnis sehr gefreut. Mit dieser hohen Anzahl an Vorzugsstimmen habe ich nicht gerechnet. Ich habe im Wahlkampf alles gegeben und dabei stets betont, dass mir christliche Werte und Anliegen – unter anderem die Stärkung der Institution Familie, eine Kultur des Lebens und eine kindergerechte und der Entwicklung der Kinder entsprechende Sexualpädagogik (statt „Sex-Workshops“) – sehr wichtig sind. Dass diese Themen sehr gut angenommen wurden und auf positives Echo und fruchtbaren Boden gestoßen sind, zeigt das Wahlergebnis. Für mich ein klares Zeichen, dass in Wien viele Menschen Leben, die sich eine nach dem christlichen Menschen- und Weltbild orientierte Politik wünschen und dass dieser Wählerwille daher in der Politik vertreten sein muss – auch im Gemeinderat.

GLAUBE.at Apropos christlich: Für viele Menschen löst alleine das Wort „christlich“ Irritation und teilweise auch Kritik aus. Was sagst du diesen Menschen, die christliche Werte als fundamentalistisch und rechts bezeichnen und Angst um ihre Freiheit und Selbstbestimmung haben?

Suha Dejmek Die Bezeichnung „fundamentalistisch“ finde ich recht interessant. Dieses Wort ist von Fundament abgeleitet und wir wissen ja alle, wie wichtig ein Fundament für jedes Haus ist. Ohne ein stabiles und tragfähiges Fundament, würde kein Haus länger bestehen bleiben. Wir Menschen brauchen einen Rahmen, der uns Halt, Anker und Orientierung gibt - unter anderem als Grundlage für unser Handeln. Werte wie Solidarität, Subsidiarität und Beachtung des Gemeinwohls sind ursprünglich christliche Werte und mittlerweile nicht aus unserer Gesellschaft wegzudenken. Dazu zählen die vielen ehrenamtlichen sowie sozialen Tätigkeiten zum Wohle von benachteiligten und schutzbedürftigen Menschen – wie beispielsweise die Aufnahme und Unterstützung von Flüchtlingen und verfolgten Menschen und sämtliches karitatives Engagement. Was die Freiheit und Selbstbestimmung des Einzelnen anbelangt, so ist auch hier eine klare Ausrichtung erkennbar: Jeder Mensch kann und soll sich in gemeinschaftlicher Verbundenheit gemäß seiner eigenen Stärken und Fähigkeiten selbst und bestimmt in Eigenverantwortung entwickeln können – Mann wie Frau. Hier gibt es keinen Unterschied. Die Gleichstellung und -berechtigung der Geschlechter ist beispielsweise eine urchristliche Forderung. Ich würde also durchaus meinen, dass christliche Werte absolut zeitgemäß und sogar modern sind. Die Kategorisierung rechts oder links finde ich zwar für die persönliche sprachliche Einordnung hilfreich, leistet aber meiner Meinung nach keinen positiven Beitrag für die Lösungsorientierung in unserer Gesellschaft, um die es ja letzten Endes geht, sondern sie polarisiert und trennt.

GLAUBE.at Für dich sind nach der Wahl mehrere Sachen - private wie politische - „Hiobsbotschaften“ zusammengekommen. Möchtest du uns kurz darüber erzählen?

Suha Dejmek Die Zeit nach der Wahl war für mich in Summe doch recht herausfordernd: Der Gesundheitszustand meiner Mutter, die seit Jahren schwer krank war, hat sich während des Wahlkampfes massiv verschlechtert. Sie musste schließlich auf Anraten ihres behandelnden Arztes auf die Palliativstation aufgenommen werden. Nach einer guten Woche entschieden wir als Familie einstimmig, dass wir ihren Wunsch erfüllen und sie nach Hause zurückholen möchten, wo sie dann am Nationalfeiertag in unserem Beisein verstorben ist. Die Tatsache, dass ich sie persönlich bis zum Schluss über fast drei Tage begleiten durfte, war zwar ein ganz besonderes Vorrecht, dennoch ist es für mich natürlich ein großer persönlicher Verlust und von daher mit Trauerarbeit verbunden. Mama ist Mama. Die gibt es nur einmal. Ein paar Tage nach ihrem Tod habe ich dann von der zweiten „Hiobsbotschaft“ erfahren: dass eine einzige Kandidatin von 260 auf dem Stadtwahlvorschlag (= Landesliste) vor mir die Verzichtserklärung auf das Gemeinderatsmandat nicht unterschrieben hat und spurlos untergetaucht ist. Das konnte ich am Anfang gar nicht in der ganzen Tragweite realisieren.

GLAUBE.at Wie war das für dich als du diese Nachricht erhalten hast und wie bist du damit umgegangen?

Suha Dejmek Ich war natürlich überrascht. Aufgrund des Todes meiner Mutter hat man mir es fast eine Woche später mitgeteilt. Es hat für mich zunächst sehr irreal geklungen. Ich bin davon ausgegangen, dass sie sich vermutlich nach der Wahl eine kurze Auszeit nimmt und sich zu gegebenem Zeitpunkt wieder melden wird.

Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie und ihre Familie vorsätzlich bis über alle gegebenen Fristen hinweg eine eigene Strategie verfolgen würden. Es war wie in einem schlechten Krimi: Die Uhr hat getickt und sie blieb unauffindbar. Da sie sich als Einzige geweigert hat, den ÖVP-internen Prozess einzuhalten und die Verzichtserklärung zu unterzeichnen, hätte sie kurioserweise trotz eines niedrigeren Vorzugsstimmenergebnisses ein Mandat im Gemeinderat erhalten. Ich konnte hier eigentlich nichts tun als loszulassen und Vertrauen, dass sie doch noch fair spielt und unterschreibt. Zu diesem Zeitpunkt beschloss ich, ihr innerlich zu vergeben und mein Herz vor Bitterkeit und negativen Gefühlen zu schützen und frei zu halten.

Das geforderte Vorzugsstimmenziel erreicht zu haben, und dann wegen eines absurden Verhaltens doch nicht das Mandat zu erhalten, ist logisch nicht einzuordnen und zu begreifen. Die Konsequenz daraus war klar: „Diese Türe ist nun zu“. Dies habe ich akzeptiert und für mich annehmen dürfen. Mein Herz ist trotz allem frei von Vorwürfen und Bitterkeit. Das ist für mich ein großes Geschenk und eine Gnade, die mir Gott geschenkt hat. Ich bin sehr dankbar für vieles, was ich in den letzten Wochen und Monaten dazulernen durfte und freue mich jetzt auf das, was kommt.

GLAUBE.at Hat es zwischen dir und dieser einen Kandidatin irgendeine Vorgeschichte gegeben? Gibt es für dich einen nachvollziehbaren Grund für dieses Verhalten?

Suha Dejmek Ich kenne die besagte Kandidatin nicht und es gibt auch keinen Grund für ihr Verhalten, der mit mir persönlich zusammenhängt. Habe sie bei zwei ÖVP-Veranstaltungen zufällig getroffen und ein paar Sätze mit ihr gewechselt. Sie erschien mir sehr positiv und sympathisch. Als ich später erfuhr, dass sie eine Freikirche besucht hat, habe ich mich darüber gefreut. Im Zuge des Wahlkampfes gab es dann keinen weiteren Kontakt. Ich habe zwar versucht, sie ein paar Mal zu kontaktieren, aber ohne Erfolg. Die weitere Geschichte nach der Stimmenauszählung ist ja ausführlich in den verschiedenen Medien beschrieben worden. In manchen Kommentaren dieser Zeitungsbeiträge war von einem internen Streit die Rede. Da sie wochenlang untergetaucht und nicht erreichbar war, gab es jedoch nicht einmal die Gelegenheit für ein Gespräch, geschweige denn für einen Streit. Für mich steht Gesprächsbereitschaft immer an vorderster Stelle. Schade, dass es in diesem Fall nicht möglich war, ein klärendes Gespräch zu führen.

GLAUBE.at Wie siehst du die Entscheidung der Wiener Landespartei in Bezug auf das Kippen des parteiinternen Vorzugsstimmensystems?

Suha Dejmek Im Grunde gab es für die Partei in dieser speziellen Konstellation nur zwei Möglichkeiten: Entweder das parteiinterne Vorzugsstimmensystem bleibt aufrecht und das unfaire Verhalten einer Kandidatin wird durch ein (wildes) Mandat belohnt oder die Landespartei kippt ihr parteiinternes Vorzugsstimmensystem. In letztem Fall würde wieder die Listenplatzierung zur Anwendung kommen und wir alle drei - sie, Jan Ledóchowski und ich - würden gleichermaßen das Mandat verlieren. Beide Varianten haben einen Vertrauensverlust und Verlierer zur Folge. Dass eine Kandidatin mit einem Sitz belohnt wird, obwohl sie sich als Einzige von 260 Kandidaten weigert, zu unterschreiben, hätten vermutlich viele der Kandidaten vor mir, die anstandslos unterschrieben haben, zu Recht nicht nachvollziehen können. Somit ist die gewählte Variante sicher die fairere.

GLAUBE.at Wie haben denn all deine Wählerinnen und Wähler auf das Kippen des Vorzugsstimmensystems seitens der ÖVP Wien reagiert?

Suha Dejmek Die Enttäuschung der Wähler und Wählerinnen war sehr groß und sie waren teilweise auch sehr verärgert über diese Maßnahme. Auch wenn man es logisch erklärt, warum der Schritt in dieser Situation im Grunde alternativlos war, bleibt natürlich die Tatsache zurück, dass der Wählerwille auf der Strecke geblieben ist. Fast 1.200 Stimmen sind nicht wenig. Jede Stimme zählt und ist aus einem bewussten Grund abgegeben worden. Ich kann die Reaktionen natürlich verstehen und bitte hier trotzdem um Verständnis. Diese Situation war eine große und unerwartete Herausforderung und die Partei hat es sich nicht leicht gemacht, bevor sie so eine drastische Maßnahme ergriffen hat. Niemand wollte so eine Situation. Das kann ich mit bestem Gewissen versichern. Die ganze Geschichte hat uns allen viel Energie und unnötig viel Aufwand abverlangt.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für die vielen vielen ermutigenden und sehr persönlichen Mails und Nachrichten bedanken, die ich in den letzten Wochen erhalten habe. Das hat mich sehr bestärkt und mir zugleich gezeigt, wie groß das mir entgegengebrachte Vertrauen ist. Vielen Dank dafür. Ich werde mich weiterhin für die Werte und Anliegen einsetzen, für die ich gewählt wurde. Ich bin zuversichtlich, dass es eine gute Lösung für mich und damit für meine Wähler und Wählerinnen geben wird. Oscar Wilde hat es für mich sehr passend formuliert: „Am Ende wird alles gut! Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende".

GLAUBE.at Die Parteispitze der Wiener Volkspartei (Vera Schmitz, Stv.-Landesgeschäftsführerin) sicherte mir vor knapp einem Monat zu, dir eine adäquate oder passende Stelle anzubieten? Kannst du diesbezüglich schon über Neuigkeiten berichten?

Suha Dejmek Bis jetzt ist es relativ ruhig. Aber wir haben ja bald Weihnachten und Corona hat uns in den letzten Wochen sehr beschäftigt und hat natürlich Priorität. Ich gehe davon aus, dass sich nach den Feiertagen etwas Konkretes ergeben wird. „Es muss ja passen“, wie es von der Landespartei treffend formuliert wurde. Und gut Ding braucht bekanntlich Weile.

GLAUBE.at Was wünscht du dir vom Christkind?

Suha Dejmek Ein baldiges Ende von Corona für uns alle, damit wir uns endlich wieder umarmen und gemeinsam treffen können. Und ein bisschen Urlaub als Familie wäre jetzt auch fein. Darauf freue ich mich jetzt schon!

GLAUBE.at Herzlichen Dank für das Gespräch und mögen deine Wünsche in Erfüllung gehen.