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Der Vorsitzende der EKD-Kammer für Migration und Integration, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland Manfred Rekowski.
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Politiker sowie Vertreter der Kirchen und der evangelikalen Bewegung debattieren weiter über den UN-Migrationspakt. In dem Abkommen verpflichten sich die Aufnahmeländer unter anderem zur Achtung der Menschenrechte von Migranten und zu ihrer Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt. Das Vertragswerk soll bei einer Konferenz in Marrakesch (Marokko) am 10. und 11. Dezember offiziell angenommen werden. Der Vorsitzende der EKD-Kammer für Migration und Integration, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland Manfred Rekowski (Düsseldorf), äußerte sich auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea zustimmend zu dem Pakt: „Große Aufgaben – ob Digitalisierung, Klimawandel oder Migration – können nicht sinnvoll von einzelnen Staaten angegangen werden.“ Deshalb brauche es globale Antworten. „Wenn Migration politisch gut gestaltet wird, kann sie einen sehr positiven Beitrag leisten – für den einzelnen Menschen, für das Herkunftsland, für das Zielland.“ Ohne eine solche Vereinbarung würden „Schwarzarbeit und Ausbeutung gefördert“. Die Souveränität der unterzeichnenden Staaten werde nicht eingeschränkt, weil der Pakt kein verbindlicher Vertrag sei. Ein „großes Fragezeichen“ sei lediglich, „wie die konkrete Umsetzung der Maßnahmen auf nationaler Ebene geschehen soll“.

Politikbeauftragter Heimowski: Eine Debatte ist notwendig

Ebenfalls zustimmend äußerte sich der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung, Uwe Heimowski (Berlin). „Wir begrüßen, dass die Weltgemeinschaft den Versuch startet, Migration zu ordnen“, so Heimowski gegenüber idea. Kein Land könne sich vor der Tatsache verschließen, dass weltweit 65 Millionen Menschen auf der Flucht seien. „Die Stärke des Migrationspaktes liegt darin, abgestimmt zu handeln und Migration langfristig und nachhaltig zu steuern, Fluchtursachen zu bekämpfen sowie die Standards, wie sie etwa in Deutschland gelten, auch andernorts verbindlich zu machen.“ Dass der Pakt keine Rechtsverbindlichkeit besitze, sei „seine Stärke und Schwäche zugleich“: „Einerseits kann er als Leitlinie verstanden werden, auf deren Grundlage völkerrechtlich bindende Verträge folgen, die sich an die jeweiligen nationalen Situationen anpassen, andererseits droht er gerade dadurch auch zur Makulatur zu werden.“ Für „unabdingbar“ hält Heimowski eine Debatte über den Pakt im Bundestag und in den Medien. Sie habe bisher kaum stattgefunden. „Wer in der hochbrisanten Flüchtlingsfrage Vertrauen herstellen will, muss die Öffentlichkeit frühzeitig einbeziehen und darf kontroverse Debatten nicht scheuen.“

Die Union ist gespalten

In der Union ist der Migrationspakt umstritten. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am 19. November in Berlin, die Bundesregierung stehe hinter dem Pakt. Er helfe, Ziele in der internationalen Migrationspolitik zu erreichen und umzusetzen. Der Landesverband der CDU in Sachsen-Anhalt hingegen hat sich auf seinem Parteitag am 17. November in Röblingen am See mehrheitlich gegen den Beitritt zum Migrationspakt ausgesprochen. Mit der deutschen Zustimmung entstehe die Gefahr, dazu genötigt zu werden, die Tore bedingungslos aufzumachen, sagte der Landtagsabgeordnete Lars-Jörn Zimmer (Bitterfeld-Wolfen) zur Begründung seines entsprechenden Antrags. Der Landesvorsitzende Holger Stahlknecht sprach daraufhin von einer „gelben Karte für die Bundesregierung“. Er kritisierte, dass der Pakt „jahrelang unter dem Radar der Öffentlichkeit verhandelt“ worden sei.

Früherer Minister (CSU): Das öffnet dem Flüchtlingsstrom Tür und Tor

Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte in einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“, er sehe den Migrationspakt „absolut negativ“. Das betreffe nicht nur den Inhalt, sondern auch „die Art und Weise, wie derzeit versucht wird, diesen Pakt mit einer Kopf-durch-die-Wand-Politik durchzupeitschen“. Durch den Pakt ziehe sich „die Haltung, Migration als etwas ganz Normales und gar Wünschenswertes anzusehen. Das öffnet dem Flüchtlingsstrom nach Europa und nach Deutschland Tür und Tor.“ Daraus ergebe sich „eine völlige Aushöhlung und Umdeutung des deutschen Asylrechts“. Sein Unbehagen werde in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „auf breiter Front geteilt“. Kritikwürdig sei zum Beispiel, dass „die Aufnahme von Migranten in die Sozialsysteme“ erleichtert werden soll. Auch die Anforderungen für die Anerkennung von Bildungsabschlüssen solle herabgesetzt werden. Zu dem Einwand, dass der Pakt nicht rechtsverbindlich sei, sagte er: „Natürlich entfaltet ein solches Papier eine normative Kraft.“ Kritik an dem Pakt hatten auch die Bezirksverbände der Christlich-Sozialen Arbeitnehmer-Union (CSA) und des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CSU in Oberfranken geäußert. Es werde nicht getrennt zwischen legaler und illegaler Migration. Das Papier enthalte „89 massive Selbstverpflichtungen für die Unterzeichnerstaaten bis hin zur bedingungslosen Anerkennung von Berufsabschlüssen und die Gewährleistung aller sozialen Leistungen durch die Zielstaaten“. Die USA, Australien, Österreich, Estland, Tschechien, Bulgarien und Ungarn haben bislang angekündigt, nicht zustimmen zu wollen. Polen hatte Bedenken geäußert.