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331 Abgeordnete stimmten dafür und 81 dagegen; 187 enthielten sich.
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Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 19. Oktober einen Antrag der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD zum Thema Religionsfreiheit beschlossen. Die Abgeordneten verabschiedeten das Papier „Menschenrecht auf Religionsfreiheit weltweit stärken“ mit großer Mehrheit. 331 Abgeordnete stimmten dafür und 81 dagegen; 187 enthielten sich. In der Sitzung berieten die Parlamentarier auch einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und einen der AfD. Beide wurden abgelehnt.

CDU/CSU und SPD: Christen am stärksten verfolgt

Laut dem Beschluss ist die Religions- und Weltanschauungsfreiheit ein „zentrales Menschenrecht“. Auf der ganzen Welt gebe es einen Trend, dieses Recht zunehmend einzuschränken oder komplett infrage zu stellen. Das sei besorgniserregend und fordere Handeln. Von Einschränkungen oder Verletzungen der Religionsfreiheit betroffen seien vorwiegend Angehörige religiöser Minderheiten. Alle Religionen seien davon berührt. Mit einem Anteil von rund 31,4 Prozent der Weltbevölkerung beriefen sich mehr Menschen auf das Christentum als auf jede andere Religion oder Glaubensgemeinschaft. Auf keine andere Religionsgemeinschaft entfielen mehr Verfolgte. Vor allem dort, wo sie in der Minderheit seien, seien Christen weltweit am meisten von Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt betroffen. In zahlreichen islamischen Staaten setzten Regierungen religiöse Rechtsnormen durch und schränkten damit das Menschenrecht massiv ein. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich weiterhin mit Nachdruck in ihrer Außen- und Sicherheits- sowie Entwicklungspolitik für Religionsfreiheit einzusetzen. Dabei solle diese gezielt bei allen Maßnahmen zur Minderung von Fluchtursachen einbezogen werden. Die deutschen Botschaften seien auszubauen, um Maßnahmen zur Förderung der Menschenrechte und Religionsfreiheit zu unterstützen. Zudem solle der Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit von nun an im zweijährigen Rhythmus und um einen systematischen Länderansatz ergänzt erscheinen.

Brand (CDU): Der AfD geht es um Hass und Spaltung

Die SPD-Abgeordnete Aydan Özoğuz sagte, die Religionsfreiheit schütze nicht die Religion als solche, sondern das Individuum in seiner Glaubensfreiheit. Oft gehe es bei der Diskriminierung nicht um Glaubensfragen sondern um Macht, Dominanz und Unterdrückung. Ähnlich argumentierte der CDU-Abgeordnete Michael Brand. Das „C“ im Parteinamen bedeute, dass man sich dem christlichen Menschenbild verpflichtet fühle. Das wiederum besage, dass man sich allen Menschen verpflichtet fühle. Der Einsatz für verfolgte Christen sei daher „exemplarisch, aber nicht exklusiv“. Andere Parteien wie die AfD sprächen rein aus politischen Gründen über Christen. Es gehe ihnen um Spaltung und Hass. Kein wahrer Glaubender nutze die Religion für eine „billige polemische Debatte“. Stattdessen müsse es um konkrete Arbeit zur Verbesserung der Religionsfreiheit gehen. Es sei ein gottesfürchtiges Werk, sich für Schutzlose einzusetzen.

Braun (AfD) zur CDU/CSU: Laue Christen sind halbe Heiden

Der AfD-Abgeordnete Jürgen Braun warb für den Antrag „Christenverfolgung stoppen und sanktionieren“ seiner Fraktion. Die AfD fordert Maßnahmen gegen Länder, in denen Christen diskriminiert und verfolgt werden. So sollten Mittel für die Entwicklungshilfe gekürzt, Finanztransaktionen eingeschränkt und – soweit vorhanden – Handelsprivilegien abgeschafft werden. Die AfD plädiert ferner dafür, ein Flüchtlingskontingent für verfolgte Christen einzuführen. Sie begründete ihren Antrag, der sich auf diese Gläubigen beschränkt, damit, dass Christen die am meisten verfolgte Religionsgemeinschaft weltweit seien. Laut Braun ist es ein Erfolg seiner Partei, dass die Bundestagsdebatte überhaupt stattfinde. Das „C“ im Namen gebühre daher der AfD. Braun zufolge ist die „einstmals christliche Union“ heute nur noch lau. In diesem Zusammenhang zitierte er die Bibel: „Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde“ (Offenbarung 3,16). Laue Christen seien halbe Heiden.

Ruppert (FDP): Zu viele Allgemeinplätze

Der religionspolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Stefan Ruppert, hielt Braun eine andere Bibelstelle entgegen: „Wenn jemand spricht: Ich Liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner“ (1. Johannes 4,20). Damit spielte Ruppert auf die islamkritischen Aussagen der AfD an. Doch die Nächstenliebe ende nicht dort, wo die eigene Religion ende. Ruppert sagte, er stelle zunehmend fest, dass der Respekt vor Religiösität verloren gehe. Im Hinblick auf den Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD bemängelte er, dass dieser zu viele Allgemeinplätze enthalte und stellenweise nichtssagend sei. Er hätte sich ein konkretes Wort über Saudi-Arabien und den dort herrschende Wahhabismus gewünscht, so Ruppert. Zudem komme die deutsche Islamkonferenz überhaupt nicht vor.

Buchholz (Die Linke): Vor der eigenen Haustür kehren

Die religionspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion „Die Linke“, Christine Buchholz, warf der AfD vor, sie trete die Menschenrechte mit Füßen. Mit ihrem Rassismus sei sie eine schlechte Anwältin für verfolgte Christen. Dem Entwurf der Regierungsfraktionen attestiert Buchholz, er habe Schlagseite. So fehle die Religionsfreiheit im Inland. Als Beispiele nannte sie die fehlende rechtliche Gleichstellung des Islams. Außerdem sei es oft nicht möglich, die eigene Religion im Beruf offen zeigen zu können. Daher müsse man zuerst „vor der eigenen Haustür kehren“.

Gehring (Bündnis 90/Die Grünen): Keine heilige Schrift steht über dem Grundgesetz

Der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring betonte, dass keine heilige Schrift über dem Grundgesetz stehe. Allerdings sei „ein Schutz für Religionen und vor Religionen“ nötig. Der Regierung warf er vor, die Schaffung des Postens des Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit überzubetonen und damit „Selbstbeweihräucherung“ zu betreiben. Die AfD trete christliche Werte mit Füßen. Daher sei sie beispielsweise auch zu Recht nicht zum Kirchentag eingeladen. Für Deutschland wünscht sich Gehring einen Neuanfang der Islamkonferenz. Er bemängelte, dass das Thema Religionsfreiheit bereits zum fünften Mal im Bundestag debattiert werde. Das stelle ein Ungleichgewicht gegenüber anderen Menschenrechten dar. In ihrem Antrag hatte die Grünen-Fraktion gefordert, die Regierung solle sich „aktiv gegen jede Diskriminierung und Verfolgung von Gläubigen, Glaubensgemeinschaften, religiösen Minderheiten und Konfessionslosen“ wenden. Bei der künftigen Berichterstattung zur Religions- und Weltanschauungsfreiheit solle neben der weltweiten Lage auch die Situation im Inland systematisch berücksichtigt werden. Außerdem beinhaltete der Antrag die Forderung nach einem ein Konzept, „wie in Deutschland jede Form von gruppenbezogener Menschen- oder Minderheitsfeindlichkeit, und somit auch Diskriminierungen und Straftaten aufgrund religiöser bzw. religions- und glaubensfeindlicher Motivation besser erfasst, geahndet und in Zukunft besser verhindert werden“ können.