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Bei der EKD löste das Urteil ein geteiltes Echo aus.
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Kirchliche Arbeitgeber können bei Stellenausschreibungen grundsätzlich eine Kirchenmitgliedschaft von Bewerbern fordern. Im Einzelfall haben staatliche Gerichte aber das Recht zu prüfen, ob diese Anforderung für die Ausübung der Tätigkeit „objektiv geboten“ ist. Das hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg am 17. April entschieden. Es geht um den Fall der konfessionslosen Deutschen Vera Egenberger, die sich beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung um eine zeitlich befristete Stelle beworben hatte. Die Aufgabe bestand darin, einen Antirassismusbericht zu erstellen. Nach der Stellenausschreibung mussten die Bewerber Mitglied einer evangelischen Kirche oder einer Kirche sein, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) angehört. Frau Egenberger wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie sah sich aus Gründen der Religion benachteiligt und verklagte die Diakonie vor deutschen Gerichten auf Zahlung von knapp 10.000 Euro. Das Bundesarbeitsgericht, bei dem der Rechtsstreit jetzt anhängig ist, bat den Europäischen Gerichtshof in diesem Zusammenhang darum, die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie auszulegen. Sie zielt darauf ab, dass Arbeitnehmer nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert werden dürfen. Zugleich haben die Kirchen aber das von der Europäischen Union anerkannte Recht auf Selbstbestimmung. Sie können demnach geltend machen, dass die Kirchenmitgliedschaft für die Ausübung einer Tätigkeit eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt“. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs steht es staatlichen Gerichten im Regelfall nicht zu, über das in der beruflichen Anforderung zugrunde liegende Ethos als solches zu befinden. Gleichwohl hätten sie festzustellen, ob im Hinblick darauf die Voraussetzung einer Kirchenzugehörigkeit „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ sei. Zudem müsse diese Anforderung angemessen sein und dürfe nicht über das hinausgehen, was die Tätigkeit erfordere.

Die EKD sieht Einschränkung der kirchlichen Gestaltungsfreiheit

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs muss nun das Bundesarbeitsgericht entscheiden, ob im konkreten Fall die Klägerin vom Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung diskriminiert wurde, als sie nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurde. Bei der EKD löste das Urteil ein geteiltes Echo aus. Der Präsident des Kirchenamtes, Hans Ulrich Anke (Hannover), begrüßte, dass der Europäische Gerichtshof die selbstbestimmte Gestaltung des Arbeitsrechts für Kirche und Diakonie im Grundsatz erneut bestätigt habe. Zugleich bedauere die EKD, dass der Gerichtshof dabei dem Artikel 17 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU nicht ausreichend Geltung verschafft habe. Danach achte die EU die rechtliche Stellung, die Religionsgemeinschaften in den Mitgliedsstaaten hätten, und beeinträchtige sie nicht. Das Urteil schränke aber die Gestaltungsfreiheit der Kirche bei der Personalauswahl ein. Es müsse aber deren Sache bleiben, die auf die Religion bezogenen Anforderungen für die berufliche Mitarbeit in Kirche und Diakonie aufzustellen. Anke zufolge wird die evangelische Kirche die Urteilsgründe sorgfältig prüfen und zunächst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten. Je nach Ausgang müsse man dann mit der Diakonie Deutschland prüfen, ob das Urteil mit dem Religionsverfassungsrecht der Bundesrepublik vereinbar sei. Anke: „Dort, wo es nach kirchlichem Selbstbestimmungsrecht möglich ist, sind selbstverständlich auch anders- oder nichtgläubige Menschen zur Mitarbeit im kirchlichen und diakonischen Dienst eingeladen.“ Dafür habe sich seit Ende 2016 die kirchliche Rechtsordnung bereits weiter geöffnet, zugleich mit der Anforderung, dass alle Beschäftigten die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche erfüllen.

Diakonie: Das Selbstbestimmungsrecht bleibt der wesentliche Faktor

Der Rechtsvorstand des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung, Jörg Kruttschnitt (Berlin), wertet das Urteil als Bestätigung, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der wesentliche Faktor bei Abwägungsentscheidungen bleibe. Für die Arbeit der Diakonie sei eine evangelische Prägung wichtig. Sie werde auch von Menschen erwartet, „die uns ihre Kinder, Eltern oder Kranken anvertrauen“. Die evangelische Prägung hänge an den Beschäftigten, „die ihre evangelische, christliche Haltung in die Arbeit einbringen“. Deswegen sei die Personalauswahl wichtig. Welche Auswirkungen das Urteil auf die Personalauswahl habe, müsse man nun analysieren, so Kruttschnitt. Zum Hintergrund: In Regionen, in denen die Diakonie keine Kirchenmitglieder als Mitarbeiter findet, beschäftigt sie auch Konfessionslose. In den neuen Bundesländern liegt der Anteil der Beschäftigten in der Diakonie ohne Kirchenbindung bei 45 Prozent. Bei der evangelischen Kirche und der Diakonie sind in ganz Deutschland rund 760.000 Mitarbeiter angestellt.