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Der Schriftsteller Martin Mosebach.
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Die Bibel steht über der Verfassung. Davon ist der Schriftsteller Martin Mosebach (Frankfurt am Main) überzeugt. Der Katholik ist Autor des Buches „Die 21. Eine Reise ins Land der koptischen Martyrer“ (Rowohlt). Er hat die Familien der 21 Männer besucht, die 2015 von IS-Terroristen an einem Strand von Libyen ermordet worden waren. In Europa seien die Kosten der Nachfolge im Vergleich zu anderen Ländern derzeit geringer, sagte Mosebach im Interview mit der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Ein christlicher Standpunkt könne aber die soziale Achtung kosten, da sich die Gesellschaft gerade zu einer Zivilreligion entwickle. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir habe unlängst gesagt, dass kein heiliges Buch über dem Grundgesetz stehe. Dazu Mosebach: „Für Christen ist das inakzeptabel. Selbstverständlich steht die Bibel über der Verfassung.“ Das Grundgesetz sei ein „schönes, sinnvolles und praktikables Papier, gegen das ich nichts einzuwenden habe. Aber es ist für mich kein letzter Wert – das ist auch dezidiert nicht sein Anspruch, sonst befände sich keine Anrufung Gottes in seiner Präambel.“

Märtyrer werden bei den Kopten so sehr verehrt wie in Deutschland die Fußballweltmeister

Die Bereitschaft der Kopten, für ihren Glauben im Notfall auch zu sterben, sei riesig: „Märtyrer werden dort so sehr verehrt wie in Deutschland die Fußballweltmeister. Ein deutscher Junge will vielleicht Astronaut werden, ein koptischer Junge aus den Dörfern Oberägyptens will Märtyrer werden – und er weiß, wovon er spricht.“ Ihnen sei klar, dass ihre Gemeinschaft nur bestehen könne, wenn sie immer ihren Glauben bezeugten. Das werde auch an der Kreuzestätowierung auf dem Handrücken als sichtbares Bekenntnis der Zugehörigkeit zu Jesus deutlich.

Ein koptischer Bischof käme nie auf die Idee, sein Kreuz abzulegen

Dass der Vorsitzende der (katholischen) Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (beide München), bei einem Besuch der Al-Aksa-Moschee und der Klagemauer in Jerusalem ihr Amtskreuz abgelegt hatten, habe er als eine entsetzliche Peinlichkeit empfunden: „Ein koptischer Bischof käme nie auf die Idee, sein Kreuz abzulegen.“

Was an dem Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ banal und oberflächlich ist

Mosebach äußerte sich auch zu der Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre. Es sei „banal und oberflächlich“, den Satz aus der Tatsache abzuleiten, dass eine muslimische Minderheit in Deutschland lebe. Anders sei die Situation beispielsweise in Spanien, da das Land mehr als 500 Jahre unter islamischer Herrschaft gestanden habe. Das habe große Teile Spaniens etwa in der Architektur und den Bräuchen beeinflusst: „Von einer solchen Durchdringung der deutschen Kultur durch den Islam kann nach der kurzen Zeit des Zusammenlebens noch überhaupt nicht die Rede sein.“

„Ohne Auferstehung gibt es keinen Christus-Glauben“

Der Glaube an die Auferstehung ist für Mosebach zentral: „Ohne Auferstehung gibt es keinen Christus-Glauben.“ Christen machten heute allerdings einen großen Fehler: „Wir glauben, dass wir uns die christliche Botschaft nach unseren Bedürfnissen und Zweifeln zurechtschneiden dürfen.“ Er empfinde das als unredlich: „Man muss ja kein Christ sein – aber man sollte auf jeden Fall der Versuchung widerstehen, sich ein Christentum zurechtzumachen, das als zeitgemäß empfunden wird. Zeitgemäß ist es nämlich auch vor 2.000 Jahren nicht gewesen.“

Was man sich bei jeder Entmythologisierung des biblischen Textes fragen sollte

Ihm selbst falle das Glauben mal mehr und mal weniger leicht. Aber er sei nicht dazu bereit, sich etwas vorzumachen und es in „ermäßigter Form“ zu akzeptieren: „Für die Frage, wieweit zeitgenössische Theologie dem Evangelium standhalten kann, sind die Märtyrer ein wunderbarer Maßstab: Man muss sich bei jeder Dekonstruktion des biblischen Textes, bei jeder Entmythologisierung, Symbolisierung und Allegorisierung nur immer fragen: Wäre ein Mensch bereit, dafür zu sterben?“