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Das Interview über christliche Werte in der Politik mit Ulrike Lunacek, Spitzenkandidatin der Partei "Die Grünen – Die GRÜNE Alternative" (GRÜNE), führte Sven Kühne, Herausgeber von GLAUBE.at.

 

AUSSENPOLITIK UND EUROPA

GLAUBE.at Welche Maßnahmen empfiehlt Ihre Partei gegen die zunehmende Terrorgefahr?

Ulrike Lunacek Eine funktionierende Gesellschaft mit aktivem sozialem Ausgleich verhindert das Entstehen von Strukturen, die Gewalt und Terrorismus ermöglichen. Es ist daher wesentlich, Konfliktpotential rechtzeitig zu erkennen und ihnen durch existenzielle Einbindung und Absicherung sowie durch Zugang zu Bildung den Boden zu entziehen. Dazu bedarf es aber auch einer umfassenden Präventions- und Bekämpfungsstrategie.

GLAUBE.at Wie sehen Sie die gegenwärtige und künftige Rolle der Türkei in der EU?

Ulrike Lunacek Es gibt derzeit keine einzige demokratische politische Kraft innerhalb der Europäischen Union, die eine EU-Mitgliedschaft der immer mehr in eine Diktatur abgleitenden Türkei andenkt. Die Türkei wird in der EU also keine Rolle spielen, sofern sie nicht zu einer nachhaltig abgesicherten, die Menschenrechte einhaltenden Demokratie wird.

 

BILDUNG UND WISSENSCHAFT

GLAUBE.at Wie stehen Sie zu dem Fach Religion an (öffentlichen) Schulen?

Ulrike Lunacek Konfessioneller Religionsunterricht hat seinen Platz in Österreichischen Schulen. Er erfüllt eine wichtige Aufgabe und wirkt u.a. Radikalisierungstendenzen und der Segregation innerhalb von Religionsgemeinschaften entgegen. Daher soll er auch in Zukunft angeboten werden. Ergänzend fordern wir ein verpflichtendes Unterrichtsfach Ethik und Religionen, an dem alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam teilnehmen.

GLAUBE.at Befürworten Sie, dass PädagogInnen der verschiedenen Bildungseinrichtungen religiöse Inhalte in allen Fächern einbringen dürfen?

Ulrike Lunacek Die Behandlung ethischer Fragen ist Unterrichtsprinzip in Österreichs Schulen. Um der Vielfalt gerecht zu werden, fordern wir allerdings einen verpflichtenden gemeinsamen Ethik- und Religionenunterricht für alle SchülerInnen. Konfessioneller Religionsunterricht soll auch weiterhin an öffentlichen Schulen angeboten werden.

 

ETHIK IN MEDIZIN UND FORSCHUNG

GLAUBE.at Befürworten Sie die Modifizierung menschlicher Embryonen zu therapeutischen Zwecken?

Ulrike Lunacek Diese Frage ist im April 2017 durch ein Diskussionspapier deutscher WissenschafterInnen ins Zentrum des Diskurses gerückt. Wir beschäftigen uns intensiv mit der Materie. Eine endgültige Positionierung der Grünen liegt noch nicht vor.

GLAUBE.at Soll die Leihmutterschaft in Österreich legalisiert werden?

Ulrike Lunacek Wir lehnen Leihmutterschaft ab. Wir müssen aber als Gesellschaft auch sicherstellen, dass Kinder, die in anderen Ländern von Leihmüttern geboren wurden, in Österreich nicht rechtlich benachteiligt werden.

 

EHE UND FAMILIE

GLAUBE.at Die gesetzlich verankerte Füllung des Begriffs Ehe durch einen Mann und eine Frau ist in der EU gegeben. Wie schützt ihre Partei diese Vorgabe in Österreich?

Ulrike Lunacek Wir sehen im Rahmen der bestehenden Rechtslage keine Einschränkung der Ehe von Mann und Frau. Die dringend nötige Öffnung der Ehe auch für Gleichgeschlechtliche Partnerschaft schränkt das Recht von Männern und Frauen, eine Ehe mit Angehörigen des anderen Geschlechts einzugehen, selbstverständlich nicht ein.

GLAUBE.at Der Inzestbereich soll neu geordnet werden. Wie soll dieser Bereich aus der Sicht Ihrer Partei künftig aussehen?

Ulrike Lunacek Die Grünen können keinen Änderungsbedarf erkennen. Der Opferschutz ist selbstverständlich bereits in der bestehenden Regelung verankert.

 

FLÜCHTLINGSKRISE UND INTEGRATION

GLAUBE.at Welche Maßnahmen sind in der Flüchtlingskrise durch die österreichische und europäische Flüchtlingspolitik aus Ihrer Sicht zu treffen?

Ulrike Lunacek Grundsätzlich gilt es zwischen Asyl und Einwanderungspolitik zu unterscheiden. Für Asylsuchende fordern wir ca. 30 mehr qualifizierte BeamtInnen, um einen qualitätsvollen Verfahrensabschluss innerhalb von 6 Monaten zu ermöglichen. Der Abschiebeschutz für Traumatisierte muss wiedereingeführt werden. Abschiebungen während laufendem Berufungsverfahren sollen unzulässig sein. Keine Lagerhaft für Neuankommende und Zugang zu einer unabhängigen Rechtsberatung während des Asylverfahrens. Eine aktive EU - Asylpolitik Österreichs im Sinne der Schaffung von verbindlichen, gemeinsamen Menschenrechtsstandards im Asylverfahren. Das System Dublin muss zugunsten einer solidarischen Aufteilung der ankommenden AsylwerberInnen überdacht werden, anstatt sie wie heiße Kartoffeln von einem EU-Staat zum nächsten zu schieben. Oft vergehen Jahre, bis ein Staat das Asylbegehren inhaltlich prüft. Das muss sich ändern!

GLAUBE.at Welchen Stellenwert nimmt das Asylrecht und die Integration von Flüchtlingen für Ihre Partei ein?

Ulrike Lunacek Die gesellschaftliche Inklusion von Flüchtlingen ist von besonderer gesellschaftlicher Relevanz, um das Entstehen von sozial ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen zu verhindern. So zu tun, als ob keine Flüchtlinge da wären und daher keine Inklusionsleistungen notwendig seien, vergrößert ausschließlich bestehende Probleme und trägt nichts zur Auflösung von gesellschaftlichem Konfliktpotential bei.

 

GESUNDHEIT UND PFLEGE

GLAUBE.at Religiöse Menschen empfinden ihren "Gewissensvorbehalt" im Gesundheitsbereich immer häufiger bedroht (z.B. durch drohenden Jobverlust bei der Weigerung, an Abtreibungen teilzunehmen). Welche Maßnahmen wird Ihre Partei zum Schutz der Gewissensfreiheit religiöser Menschen treffen?

Ulrike Lunacek Die Gewissensfreiheit ist in Österreich nicht in Gefahr. Gewissensfreiheit kann aber nicht bedeuten, dass es einem Menschen freisteht, gesetzliche Verpflichtungen zu erfüllen oder nicht.

GLAUBE.at Was unternimmt ihre Partei, um Familien steuerlich zu entlasten bzw. finanziell zu unterstützen, die ihre Kinder und pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause betreuen und deswegen auf die Berufstätigkeit eines Partners verzichten?

Ulrike Lunacek Die ökosoziale Steuerreform sieht einen Ökobonus für die Haushalte vor und entlastet diese nachhaltig. Doch der wichtigste Punkt bei der Betreuung von Angehörigen ist professionelle Unterstützung und qualitativ hochwertige Angebote. Das Pensionsmodell der Grünen sieht im Übrigen - zusätzlich zu einer Erwerbspension - eine Grundpension in der Höhe von € 890,- im Monat für alle Menschen, die das gesetzliche Pensionsalter erreichen, vor. Außerdem werden in Zeiten einer Partnerschaft erworbene Ansprüche auf eine Erwerbspension zusammengerechnet und jedem der betroffenen Personen zu je 50% gutgeschrieben.

 

GLAUBENS- UND GEWISSENSFREIHEIT

GLAUBE.at In welcher Form setzt sich Ihre Partei für Religionsfreiheit in Österreich und weltweit ein?

Ulrike Lunacek Als Partei der Menschenrechte ist die Religionsfreiheit für die Grünen ein unteilbarer Bestandteil des Grundwertekanons. Das Eintreten für Religionsfreiheit ist nicht vom Eintreten für unabdingbare individuelle Grund-, Freiheits- und Menschenrechte zu trennen. Da wir uns regelmäßig für allgemeine Geltung der Menschenrechte einsetzen - etwa auch mit unserem wöchentlichen öffentlichen Protest gegen die Inhaftierung des saudischen Bloggers Raif Badawi und für Menschenrechte und Meinungsfreiheit im arabischen Raum, den wir seit inzwischen 142 Wochen durchführen - treten wir auch für die Freiheit der individuellen Glaubensausübung, eben der Religionsfreiheit - ein.

GLAUBE.at Viele Menschen sehen die Glaubens- und Gewissensfreiheit in Österreich durch "Antidiskriminierungsmaßnahmen" sowie die Bekämpfung von "Hate Speech" in Gefahr. Was wird Ihre Partei gegen diese Gefahr unternehmen?

Ulrike Lunacek Die Freiheit, andere Menschen zu beschimpfen, zu kränken und zu verletzen ist nicht Gegenstand der Gewissens- und Meinungsfreiheit. Wir können auch nicht erkennen, welche Glaubensrichtung durch das Verbot der Beleidigung und Beschimpfung anderer Menschen eingeschränkt sein soll. Es gehört schlichtweg zum Anstand, andere Menschen nicht zu beschimpfen, zu verletzen oder zu demütigen.

 

GLEICHWERTIGKEIT UND CHANCENGLEICHHEIT

GLAUBE.at Abtreibung von gesunden Kindern sind bis zum 3. Monat straffrei, jene von (möglicherweise) behinderten Kindern bis zum Eintreten der Wehen. Dabei handelt es sich um die so genannte Eugenische Indikation. Die Differenzierung zwischen gesunden und behinderten ungeborenen Kindern ist eine Diskriminierung und widerspricht der UN-Behindertenrechtskonvention. Wie steht Ihre Partei zur eugenischen (=Embryo-pathischen) Indikation?

Ulrike Lunacek Anstelle einer Verschärfung des strafrechtlichen Rahmens braucht es vielmehr Verbesserungen, z.B. eine umfassende Beratung in der Schwangerschaft, wenn eine Behinderung bekannt wird, damit sich Eltern auch für ein behindertes Kind entscheiden können. Ebenso wichtig ist eine bessere finanzielle und therapeutische Unterstützung, um Eltern das Leben mit einem behinderten Kind ohne Benachteiligung zu ermöglichen. Eine Grüne Forderung ist die Verlängerung der Mutterschutzfrist auf 12 Wochen nach der Geburt eines behinderten Kindes.

GLAUBE.at Aus der Schwangerschaftskonfliktberatung ist bekannt, dass finanzielle Engpässe häufig für die Entscheidung eines Schwangerschaftsabbruch ausschlaggebend sind. Setzen Sie sich für die bundesweite Einführung eines Fonds für schwangere Frauen in Konfliktsituationen ein, um allen Frauen im Entscheidungsprozess Chancengleichheit zu ermöglichen, indem ihnen rasch und unbürokratisch die notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden?

Ulrike Lunacek Die Schaffung eines Schwangerenfonds ist eine wenig zielführende Maßnahme zur sozialen Absicherung von schwangeren Frauen in finanziellen Notlagen, weil sie bürokratisch komplex ist und zu langsam Wirkung entfalten kann. Außerdem ist das Abstellen auf Mittel ohne Rechtsanspruch kontraproduktiv und läuft Gefahr, selektiv und damit disktriminierend eingesetzt zu werden. Das Grüne Modell der bedarfsorientierten Grundsicherung hingegen ist gerade darauf angelegt, Menschen in ökonomischen Problemlagen sofort, unmittelbar und nachhaltig unter die Arme zu greifen.

 

KINDER UND JUGENDLICHE

GLAUBE.at Der Erlass zur Sexualerziehung aus dem Jahr 2015 hat einen starken Fokus auf "Lust und Technik". Die Worte Liebe und Familie kommen darin kein einziges Mal vor. In Schulen wird neunjährigen Volkschülern Analsex erklärt und beschrieben, wie Sperma schmeckt. Wie beurteilen Sie den aktuellen Sexualerziehungserlass und wie stehen Sie zu einer gesetzlich garantierten Informationspflicht der Schule den Eltern gegenüber und die Freiwilligkeit schulischer Sexualerziehung?

Ulrike Lunacek Die Fragestellung geht völlig an der Realität vorbei. Es wurde eine Handreichung für LehrerInnen ausgearbeitet, die ihnen helfen soll, auf konkret in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen auftretende Situationen reagieren zu könne. Jede Darstellung, die nahelegt, es würde neunjährigen Kindern in der Volksschule Analverkehr erklärt oder mit ihnen der Geschmack von Sperma debattiert, steht in einem eklatanten Spannungsverhältnis zum achten Gebot.

GLAUBE.at Medien transportieren immer stärker pornografische Inhalte. Insbesondere über neue Medien werden diese Kindern und Jugendlichen immer leichter zugänglich. Wie möchte Ihre Partei den Schutz für Kinder in den Medien erhöhen?

Ulrike Lunacek Die Werbeindustrie hat eigene Einrichtungen zur Wahrnehmung und zur Zurückdrängung sexualisierter Werbung geschaffen. Darüber hinausgehend besteht der effektivste Schutz vor sexualisierten und/oder pornographischen Inhalten darin, Kindern und Jugendlichen jene moralischen und intellektuellen Mittel in die Hand zu geben, die sie in die Lage versetzen, entwertende Darstellungen erkennen und entsprechend darauf reagieren zu können. Dazu wird es notwendig sein, die Realität ansprechen und entsprechende Fragen auch beantworten zu können. Nicht hilfreich wird es sein, die Realität zu ignorieren und diesbezüglich Debattenverbote zu erteilen.

 

LEBENSSCHUTZ UND MENSCHENWÜRDE

GLAUBE.at Unter dem Begriff "würdiges Leben - würdiges Sterben" wird zunehmend eine Euthanasie vorbereitet, die das "freiwillige Ausscheiden aus dem Leben" als edles Handeln verstehen soll. Die ältere Generation soll nicht durch Krankheit eine Belastung für die Gesellschaft, die überwiegend von den Jüngeren finanziert wird, sein. Welchen Schutz strebt Ihre Partei hier an, um auch älteren Menschen einen Lebensstandard zu ermöglichen, der trotz höherem medizinischem Aufwand lebenswert ist?

Ulrike Lunacek Wesentlich sind der Vollausbau der Hospiz- und Palliativbetreuung und eine bestmögliche Suizidprävention. Erst wenn gewährleistet ist, dass leidende und schwerkranke Menschen medizinisch und zuwendungsorientiert bestmöglich betreut sind, kann erfasst werden, ob es trotzdem Menschen gibt, die aufgrund unerträglichen Leidens aus dem Leben scheiden wollen. Besonders wichtig ist auch die Absicherung gegen sozialen Druck. Alte und leidende Menschen sollen nicht das Gefühl haben müssen, ihrer Umgebung zur Last zu fallen.

GLAUBE.at Welche Schritte erachten Sie als notwendig, um die Opfer von Menschenhandel in Österreich und in der EU besser zu schützen?

Ulrike Lunacek Der Schutz von Opfern von Menschenhandel ist auszuweiten. Derzeit ist ein Opferschutz nur vorgesehen, wenn das Opfer bereit ist, im Verfahren gegen die Täter oder Tätergruppen aktiv mitzuwirken. Diese Bestimmung blendet die Angst der Betroffenen vor Gewalt - etwa auch gegen Familienmitglieder - völlig aus und ignoriert somit deren Schutzbedürfnis. Opferschutz hat sich daher am Schutzbedürfnis der Betroffenen und nicht an ihrer Rolle in einem Verfahren zu orientieren.

 

SCHUTZ FÜR VERFOLGTE CHRISTINNEN

GLAUBE.at Soll Österreich als christlich geprägtes Land eine besondere Solidarität mit diskriminierten und verfolgten Christen in anderen Weltregionen zeigen?

Ulrike Lunacek Als Partei der Menschenrechte ist die Religionsfreiheit für die Grünen ein unteilbarer Bestandteil des Grundwertekanons. Das Eintreten für Religionsfreiheit ist nicht vom Eintreten für unabdingbare individuelle Grund-, Freiheits- und Menschenrechte zu trennen.

GLAUBE.at In welcher Form setzt sich Ihre Partei bzw. eine von Ihnen geführte Regierung für die Rechte verfolgter Christen sowie anderer religiöser Minderheiten ein?

Ulrike Lunacek Da wir uns regelmäßig für allgemeine Geltung der Menschenrechte einsetzen - etwa auch mit unserem wöchentlichen öffentlichen Protest gegen die Inhaftierung des saudischen Bloggers Raif Badawi und für Menschenrechte und Meinungsfreiheit im arabischen Raum, den wir seit inzwischen 142 Wochen durchführen - treten wir auch für die Freiheit der individuellen Glaubensausübung, eben der Religionsfreiheit - ein.

 

SENIORINNEN UND ALTERSVORSORGE

GLAUBE.at Mit welchen politischen Maßnahmen möchte Ihre Partei die Altersarmut reduzieren bzw. verhindern?

Ulrike Lunacek Die Grünen treten mit ihrem Grünen Pensionsmodell für eine Grundpension in der Höhe von € 890,- im Monat für alle ab Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters ein. Dazu kommt eine Erwerbspension aus den im Zuge eines Erwerbslebens entrichteten Beiträgen. Damit ist sichergestellt, dass es keine finanzielle Altersarmut geben kann. Darüber hinaus bedarf es aber auch noch anderer Maßnahmen wie etwa eines Rechtsanspruchs auf Pflege und Betreuung.

GLAUBE.at Was tun Sie für das Personal in der Altenpflege, das immer mehr Arbeit mit weniger Pflegeminuten bewältigen muss?

Ulrike Lunacek Wir treten für bundeseinheitliche Qualitätsstandards ein, die sich am Bedarf der Menschen und nicht jenen der Bürokratie orientieren muss. Außerdem muss es einen einheitlichen Mindestpersonalschlüssel geben. Beide Positionen machen wir regelmäßig zum Gegenstand von Anträgen.

 

SICHERHEIT UND KRIMINALITÄT

GLAUBE.at Es wird viel über Terror berichtet, gesprochen und diskutiert. Welchen Beitrag würden Sie dafür leisten, dass die Sicherheit in unserer Gesellschaft trotz der neuen Bedrohungen weiterhin aufrechterhalten werden kann, ohne bloß das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken?

Ulrike Lunacek Etablierung einer bundesweiten Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Extremismus mit gleichwertiger Aufteilung in Präventionsmaßnahmen, sicherheitspolitische Maßnahmen und aktive Deradikalisierung. Prävention und Deradikalisierungsmaßnahmen müssen deutlich ausgebaut und finanziert werden, um extremistische Gewalttaten möglichst schon im Vorhinein zu verhindern. Denn jeden Cent, den wir jetzt in die Verhinderung von Radikalisierung stecken, müssen wir nachher nicht in Anschlagsverhinderung, Strafverfolgung und Deradikalisierung investieren.

GLAUBE.at Welche Änderungen planen Sie in unserem Datenschutzgesetz, um die Arbeit unserer Exekutive zu erleichtern sowie diese besser zu schützen? (Bitte gehen Sie bei Ihrer Antwort konkret auf folgende Punkte ein: Dashcams in Funkwägen, Videoüberwachung in Parteiräumen der Polizeiinspektionen, Einsatz von Body-Cams ohne verbale Vorankündigung)

Ulrike Lunacek Wir sind überzeugt, dass erstklassige Ausbildung, insb. in Deeskalation, die Grundlage für erstklassige und bürgernahe Polizeiarbeit und die Sicherheit unserer Polizisten ist. Bzgl. der Einführung von Body-Cams fordern wir die weitere Evaluierung bisheriger Versuche durch unabhängige ExpertInnen zur Erhebung belastbarer Daten als Grundlage für weitere Maßnahmen. Jedenfalls ist das Recht auf Datenschutz aller Beteiligten zu wahren. Die Einführung von Dash-Cams lehnen wir aus datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Gründen ab. Ebenso den Einsatz von Body-Cams ohne verbale Vorankündigung.

 

UMWELT- UND KLIMASCHUTZ

GLAUBE.at Wird in Ihrem Regierungsprogramm der Entwicklung eines klimaneutralen öffentlichen und privaten Verkehrsnetzes Vorrang gegeben?

Ulrike Lunacek Klimaschutz ist ein wesentlicher Schwerpunkt der Grünen. Es versteht sich von selbst, dass klimaneutrale Mobilität im Mittelpunkt steht.

GLAUBE.at Wird sich Ihre Regierung darum bemühen, regionale Klein- und Mittelbetriebe stärker zu fördern, um so unnötige und umweltschädliche Transportwege abzukürzen? Falls ja, wie?

Ulrike Lunacek EPUs und KMUs sind als wichtige Standbeine des Wohlstands in Österreichs flächendeckend absichern. Wir treten für eine wirksame Entlastung des Faktors Arbeit durch eine ökosoziale Steuerreform ein. Wichtig sind aus unserer Sicht auch spezielle Förderschienen für KMUs, wenn diese im Sinne von weniger Ressourcenbedarf und Regionalität mit Partnern aus der Region in Zukunftsfelder wie Energie-, Umwelt- oder Klimatechnologie investieren. Schließlich wollen wir den Ersatz des Billigst- durch das Bestbieterprinzip im Vergabewesen durchsetzen.

 

WIRTSCHAFT UND ARBEITSMARKT

GLAUBE.at Mit welchen Maßnahmen wollen Sie den Standort Österreich im Digitalisierungszeitalter stärken, damit neue Arbeitsplätze entstehen können?

Ulrike Lunacek Es bedarf jedenfalls einer Investitionsoffensive in Zukunftsbranchen. Teil dieser Investitionsoffensive muss in der Förderung von Arbeitskosten neu entstehender Jobs im Ausmaß von 2/3 der Kosten für die ersten zwei Jahre im gemeinnützigen Bereich sein. Darüber hinaus bedarf es der Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Ausbildung und Qualifikation unter sozialer Absicherung. Nicht unerwähnt bleiben darf auch die Wirkung einer ökosozialen Steuerreform, mit der die Steuer- und Abgabenbelastung auf Arbeit reduziert und durch die Belastung von Schadstoffausstoß und Energie kompensiert wird. Dies wird einen Boom auf neue, energiesparende und umweltschonende Technologien auslösen.

GLAUBE.at Welche Möglichkeiten sieht Ihre Partei, um das Potenzial und den Erfahrungsschatz der älteren Generation am Arbeitsmarkt zu nützen und um die Berufschancen der jungen Menschen zu verbessern?

Ulrike Lunacek Die Grünen treten für einen verpflichtenden Stufenplan zur Schaffung alternsgerechter Arbeitsplätze sowie für die Umsetzung einer wirkungsvollen Bonus-Malus-Regelung ein. Dazu bedarf es außerdem eines Rechtsanspruchs auf Ausbildung und Qualifikation, um einer Dequalifikation entgegenzuwirken.

 

GLAUBE.at Vielen Dank für das Gespräch, Frau Lunacek!

 


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Anlässlich der bevorstehenden Österreichischen Nationalratswahl befragte GLAUBE.at die Spitzenkandidaten der wahlwerbenden Parteien. Ein parteiunabhängiges Expertengremium definierte hierzu im Vorfeld 15 relevante Themenbereiche zu denen Christinnen und Christen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten und Kirchen jeweils zwei Fragestellungen erarbeiteten.

Folgende Organisationen sind Teil des Expertengremiums "Christliche Wahlprüfsteine":