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Der Matić Bericht wird voraussichtlich heute im Europäischen Parlament vorgestellt und einer Abstimmung zugeführt. Vom europäischen Frauenausschuss und dem kroatischen Politiker Predrag Matic befürwortet und eingebracht, sollen dieser Tage die europäischen Abgeordneten darüber entscheiden, ob unter anderem Abtreibung als Menschenrecht, die Gewissensfreiheit des medizinischen Personals bei der Durchführung derselben beiseitegeschoben und im Falle der Weigerung geahndet werden soll und die geforderte WHO-Sexualerziehung ab der Grundschule breitflächig in allen Mitgliedstaaten salonfähig gemacht werden. Damit könnten unter den Schlagwörtern der Gleichstellung und Antidiskriminierung Gesetze verabschiedet werden, die nationale Regelungen und lokale gesetzliche Gegebenheiten der Mitgliedsstaaten bei gleichzeitiger Missachtung des Subsidiaritätsprinzips overrulen. Die Liste der Forderungen ist groß, breit die Fülle an adressierten Bereichen und gleichzeitig tiefgreifend die damit verbundenen Auswirkungen. Was die Anhänger und Befürworter dieses für sie längst überfälligen und zeitgemäßen Resolutionsentwurfes in Europa als absolutes Muss betrachten, verursacht derzeit jedoch in konservativen und dem europäischen Abendland verhafteten traditionellen Kreisen so manches blanke Entsetzen und mitunter große Irritationen.

Was kann und will also dieser Matić-Bericht? Die Gleichstellung und Anerkennung Andersdenkender und -Lebender in Europa, mehr Frauenrechte etablieren oder vielleicht doch ein bisschen mehr? Wie immer man darüber denken mag. Eines steht jedenfalls fest: der Matić Bericht hat es in sich und bedarf daher zu Recht einer kritischen und vor allem näheren Analyse. Wichtig und entscheidend ist hier, dass Vor- und Nachteile, Hintergründe und im Hinblick auf die Breite der angesprochenen Maßnahmen und Handlungsfelder auch die Fülle der Auswirkungen auf alle betroffenen Zielgruppen und deren Grundrechten genauer unter die Lupe genommen wird. Erst danach erscheint eine einigermaßen objektive und nach Abwägung sämtlicher Fakten, Eckdaten und Expertenmeinungen getroffene Gesamt-Package-Absegnung auch verantwortungsvoll. Nehmen wir zum Beispiel die Forderung nach „Abtreibung als Menschenrecht“ her: Hier wird unterstellt, dass Frauen prinzipiell nicht selbstbestimmt agieren können, dass sie immer wieder Opfer der patriarchalen Dominanz sind oder werden und derzeit nicht über ihren eigenen Körper entscheiden können. Corona und die damit einhergehende und oft zitierte Auswegslosigkeit femininer Lebensumstände hätte dies klar gezeigt und bestätigt. Was der Matić Bericht jedoch nicht deutlich oder ausreichend artikuliert und festhält, ist, dass Frauen in Europa – anders als in vielen anderen Kulturen und Ländern unserer Erde – auf unserem Kontinent weitgehend eigenverantwortlich und selbständig agieren und reagieren können, dass z.B. in Österreich Abtreibung sehr wohl bereits innerhalb der Fristenlösung gesetzlich straffrei möglich ist und dass es sehr gute Alternativen zu einem Schwangerschaftsabbruch und eine ausgezeichnete und kompetente Unterstützung für Frauen in prekären Situationen gibt. Viele Adoptiveltern warten sehnsüchtig auf den biologisch ausgebliebenen Nachwuchs und würden sich sehr freuen, ein Baby - lieber heute als morgen - in ihren Händen zu halten. Nicht wenige Frauen leiden nach einer Abtreibung am sogenannten Post-Abortion-Syndrom (PAS) – begleitet von Depressionen, Selbstmordgedanken, negativen Verstimmungen, Schuldgefühlen, Trauer, Ärger und/oder Scham. Hier bedarf es einer eingehenden und ausführlichen Beratung von betroffenen Frauen in derartigen Krisensituationen, anstatt unwiderruflich eine Instantlösung als das Allheilmittel anzubieten.

Und was ist eigentlich mit den ungeborenen Menschen. Haben diese in unserer Gesellschaft kein Menschenrecht? Sind sie etwa weniger schützenswert als wir Frauen.

Schwer nachvollziehbar ist im Matić Bericht auch, dass Ärzte und medizinisches Personal auch entgegen ihres Gewissens oder ihres Berufsethos in Zukunft eine Abtreibung durchführen oder unterstützen müssen. Ist dies etwa vereinbar mit den in unseren Demokratien hoch gepriesenen Werten der (Gewissens)Freiheit und Würde des Einzelnen in Europa? Man möge dazu einen Blick auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union Artikel 10.1 werfen. Müssen zudem alle Bürgerinnen und Bürger eines Staates dazu verpflichtet werden, einen „wesentlichen Gesundheitsdienst“ finanziell mitzutragen, den sie vielleicht aus ethischen oder moralischen Gründen nicht gutheißen oder vertreten können. Fragen über Fragen. Die Liste ist nicht enden wollend.

Wie auch immer man dazu steht: der Matić Bericht scheint einiges aufzuwerfen, lässt Essentielles unbeantwortet und erweckt klar den Eindruck, nicht alle Perspektiven, Grundrechte und Bedürfnisse aller davon betroffenen Zielgruppen angesichts der Fülle an komplexen und weitreichenden Forderungen und Folgen in Betracht gezogen zu haben. Es bleibt spannend. Zu hoffen ist, dass das Gute siegt und die Vernunft und der Hausverstand nicht über Bord geworfen werden.