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Jan Ledóchowski (Plattform Christdemokratie) im Gespräch mit Johannes Hartl (Gebetshaus Augsburg).
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Gott hat kein gutes Image, zumindest in der Politik. Das liegt womöglich an der gar nicht so leicht zu beantwortenden Frage, ob es überhaupt christliche Politik gibt. Doch was macht einen christlichen Politiker aus und welche Rolle sollen die Kirchen spielen? Große Fragen, denen Jan Ledóchowski von der Plattform Christdemokratie mit Johannes Hartl, Gründer des Gebetshauses Augsburg, in einem Livestream Gespräch nachgegangen ist.

Gibt es christliche Politik oder nur christliche Politiker?

Bei der Frage, ob es christliche Politik oder nicht vielmehr nur christliche Politiker gibt, neigt Johannes Hartl zum letzteren. Die genuin christliche Politik gibt es nicht, so Johannes Hartl. Während die Politiker immer moralinsaurer und theologischer werden, seien die Theologen und Bischöfe immer politischer. Es gibt natürlich Grundwerte, die etwas mit Weltanschauung und Glauben zu tun haben, aber die lassen sich nicht 1:1 in politische Parteien übersetzen.

Auf den Hinweis, dass unchristliche Politik vor allem in ihren extremen Ausformungen wie dem Gulag oder dem KZ leicht zu erkennen ist, warnt Johannes Hartl, dass bei Extremen Manches klarer erscheint, als es dann im Mittelfeld wirklich ist. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass z.B. eine Abtreibung aus christlicher Sicht schwer verständlich ist, es aber trotzdem christliche Politiker gibt, die einen Kompromiss befürworten. Bei vielen Themen kommt man von christlichen Grundwerten ausgehend zu widersprechenden Schlussfolgerungen, wie zum Beispiel in der Migrationspolitik. Es ist bei vielen heißen Fragen nicht klar, was die christliche Antwort ist.

Was ist der Unterschied zwischen Ideologie und Christentum?

Für Johannes Hartl hat eine Ideologie unter anderem zwei Kennzeichen. Sie ist erstens nicht wirklich diskursfähig und zweitens in der Regel von einem rigorosen Utopismus getrieben. Es gibt ideologisches Christentum, doch das widerspricht im Letzten dem dialogischen Grundansatz des Christentums. Es ist kein Zufall, dass das Christentum so gut mit Demokratie zusammen funktioniert und im Wesentlichen nur christliche Staaten Demokratien entwickelt haben. Gott ist trinitarisch und Gott selber ist ein gemeinschaftliches Geschehen. Deswegen ist eine ideologische Haltung, die sich gar nicht auf die Meinung der Umwelt einlässt, nicht christlich. Auch Paulus verlangte in Athen auf dem Areopag nicht, dass alle Ungläubigen gehängt werden, sondern er suchte die Diskussion. Sehr „charmant“ ist auch, dass im Gegensatz zu ideologischen Utopien, das Christentum ein realistisches Menschenbild hat. Der Mensch wird weder erhöht, noch reduziert.

Welchen Platz hat Gott in der Politik?

Johannes Hartl erinnert daran, dass „Gott“ für viele Menschen kein Argument ist. Deshalb sollten wir nach Sprachformen und Argumentationsweisen suchen, die auch nicht gläubige Menschen verstehen können. Viel fruchtbarer, als Gott vor sich herzutragen, ist es der Frage nachzugehen, welches Fundament eine Gesellschaft braucht, um ihre Werte zu erhalten. Da kommt man nicht umhin, irgendwann zu bekennen, wo man im Glauben steht. Das soll allerdings nicht bei jedem Punkt des politischen Tagesgeschäftes erfolgen, sondern in grundsätzlichen Fragen, wie zum Beispiel der Präambel einer Verfassung. Es wäre aber eine eigenartige Trennung und Übersäkularisierung, wenn sich Politiker nicht mehr offen zu ihrem Glauben bekennen dürfen. Spannend ist die Frage, ob eine Gesellschaft ohne metaphysische Bezugssysteme lange an diesen Werten festhalten kann. Die Atheisten wollen es versuchen, die Christen blicken aber auf DIE ZEIT seit der französischen Revolution zurück und sind weniger optimistisch.

Stammen unsere Werte nicht vielmehr aus der Aufklärung?

Diese Behauptung weist Johannes Hartl als historisch und ideengeschichtlich falsch zurück. Bereits im Hochmittelalter wird von natürlichen Rechten aller Menschen gesprochen und die unabänderliche Menschenwürde wird im 16. Jahrhundert von de Las Casas in die Diskussion um die Sklaverei eingebracht. Die Inhalte der Ideen findet man bereits im Evangelium und den Paulusbriefen wieder. Die Aufklärung selber war auch über weite Strecken theologisch motiviert. Sie war wohl antikirchlich, aber nicht antitheistisch. Sehr spannend ist auch die Frage, warum die Aufklärung nur in christlichen Ländern entstand, aber nicht in Japan, China, Afrika oder Arabien. Sie entstand in Europa, weil die Denkvoraussetzungen dem Christentum entstammen.

Säkularisierung in Deutschland und Österreich

Österreich und Deutschland sind keine säkularen Staaten, sondern weltanschaulich neutral. Religion darf sehr wohl im öffentlichen Raum präsent sein. Öffentliche Bedienstete und Politiker dürfen sich öffentlich zum Glauben bekennen. Noch viel wichtiger ist, dass der Staat die Öffentlichkeit nicht erfinden kann. Die Politik findet eine Kultur vor. Manche politischen Richtungen glauben, dass es die Aufgabe der Politik ist, neue Gesellschaften zu erfinden. Das haben die Kommunisten versucht, aber das ist nicht der Auftrag der westlichen Demokratien.  Es ist ein liberaler Gedanke zu sagen, dass der Staat nicht allherrschend die kulturelle Prägung eines Landes erfindet, sondern sie vorfindet.

Was können christliche Politiker tun, um nicht in eine Ideologie zu verfallen?

Sehr wichtig ist die Einhaltung einer persönlichen Gebetszeit. Die Hauptfalle der Demokratie ist die Menschenfurcht, die nur mehr Mehrheiten Sucht. Nur durch eine persönliche Zeit mit Gott im Gebet kann man diese Furcht ablegen. Das ist leichter gesagt, als getan, denn jede öffentliche Person weiß wie weh es tut, von Medien zerrissen zu werden, doch die Welt sehnt sich nach Konturen. Mut steckt an. Der zweite Rat ist alte Bücher zu lesen und nicht nur im Moment zu Leben. Wir müssen uns über die jetzige Zeit hinaus einen Horizont bilden. Sehr wichtig sind auch gute Freunde, die helfen das Herz vor Verbitterung zu schützen.

Kirche und Politik

In Deutschland gibt es zu viele Äußerungen von Bischöfen zu politischen Themen, die zudem häufig in eine Richtung des allgemeinen zahmen Humanismus gehen. Ein Bischof sollte sich sehr genau überlegen wozu er sich äußert. Leider hat Politik vor allem bei jungen Christen einen schlechten Ruf, was eine Tendenz der Weltflucht verstärkt. Das betrifft nicht nur Politik, sondern auch Medien und Wissenschaft. Johannes Hartl würde sich mehr Mut zur Weltgestaltung wünschen. Das hat viel mit dem Kirchenbild zu tun. Die Welt wurde nicht für die Kirche erschaffen, sondern die Kirche für die Welt. Die Kirche soll die Christen ausrüsten ihren Dienst in der Welt zu tun.

Johannes Hartl & Jan Ledóchowski: Glaube und Gott in der Politik