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Islamistische Propaganda tarnt sich im zentrum der bunten Webkultur.
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Um Jugendliche im Netz zu erreichen, setzt islamistische Propaganda verstärkt auf emotionale Themen wie Ungerechtigkeit, Ausgrenzung und Ohnmacht. Ob im Windschatten von Protesten gegen Rassismus und rechtem Terror oder in der Inszenierung als „moralische Autorität“ - bevorzugt werden jugendaffine, auf Instagram oder YouTube beliebte Darstellungsformen genutzt. Dies ist ein zentrales Ergebnis des Berichts „Islamismus im Netz 2019/20“ von jugendschutz.net, dem gemeinsamen Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet. Islamisten versuchen zwar, innerhalb der Grenzen des Erlaubten zu bleiben, ihre demokratiefeindliche Haltung zeigt sich aber in der Gesamtschau ihrer medialen Aktivitäten.

Im Berichtszeitraum Januar – Dezember 2019 registrierte jugendschutz.net 891 Verstöße und leitete insgesamt 1.649 Maßnahmen ein. Bei den meisten Verstößen handelte es sich um die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Fast alle registrierten Fälle (über 90%) fanden sich auf Social-Media-Diensten. In 85 % der Fälle konnte durch den Hinweis an den Provider eine Löschung oder Sperrung erreicht werden.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sagt: „Angesichts der digitalen Lockangebote religiös oder politisch motivierter Extremisten ist ganz klar, dass Kinder und Jugendliche besonders geschützt werden müssen. Verzerrte Weltbilder und demokratiefeindliches Gedankengut können gerade Jüngere beeinflussen und verstören. Dies umso mehr, als sich islamistische Gruppen immer häufiger als Influencer attraktiv inszenieren, die Sorgen und Nöte von Heranwachsenden aufgreifen. Mit Medienkompetenzbildung und Demokratieerziehung können wir dem etwas entgegensetzen. Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und die jungen Menschen selbst müssen gut informiert und gewappnet sein. Die beunruhigenden Entwicklungen im Netz stellen aber auch neue Ansprüche an den Jugendmedienschutz. Unser Regierungsentwurf für ein modernes Jugendschutzgesetz sieht deshalb wirksame Schutz- und Informationspflichten für die Plattformanbieter vor sowie Möglichkeiten, die Regeln auch durchzusetzen. Damit werden wir den Risiken und Gefahren im Netz begegnen.“

Neben dem Vorgehen gegen konkrete Inhalte beobachtet jugendschutz.net kontinuierlich Trends und Phänomene in diesem Bereich und wird im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie Leben!“ des BMFSFJ für diese wichtige Arbeit mit derzeit etwa 1,4 Millionen Euro jährlich gefördert

Stefan Glaser, der Leiter von jugendschutz.net, resümiert: „Explizite dschihadistische Inhalte haben mit dem Niedergang der Terrororganisation „Islamischer Staat“ zwar abgenommen, es gibt aber keinen Grund zur Entwarnung: Islamisten sind im Netz weiter stark präsent, machen ihre Angebote anschlussfähig und tarnen sie als Teil der bunten Webkultur. Sie instrumentalisieren Terroranschläge wie in Hanau oder die Corona-Pandemie und bringen mit ihren Parolen junge Menschen gegen Menschenrechte und Demokratie auf. Internetdiensten kommt eine besondere Verantwortung zu. Sie müssen unzulässige Inhalte schneller löschen, hier sind einige noch zu zaghaft.“ So blieben in Sozialen Netzwerken und Messengern Inhalte und Symbole in Deutschland verbotener Organisationen trotz Meldung bisweilen noch zu lange online. Hier seien Fachwissen und Sensibilität auf Seiten der Betreiber wichtig, so Glaser weiter.

Seit Anfang 2020 gibt es im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ auch ein Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus – KN:IX. Dieses legt den Fokus auf die Weiterentwicklung der Präventionsarbeit mit Jugendlichen und unterstützt andere Träger und Einrichtungen dabei, Ansätze der Prävention on- und offline umzusetzen.

Dr. Götz Nordbruch vom Verein ufuq.de findet Themen und Fragen der islamistischen Akteure legitim. „Problematisch sind jedoch die Antworten, die hier gegeben werden. In vielen Präventionsprojekten geht es daher darum, diesen Themen und Fragen einen Raum zu geben, in dem sich Jugendliche mit unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen auseinandersetzen können. Ziel ist es, Jugendliche dazu anzuregen, eigene Positionen zu entwickeln und sich selbst mit ihren Interessen und Bedürfnissen in die Debatte einzubringen. Es ist erfreulich, dass immer mehr Pädagoginnen und Pädagogen auch soziale Medien in der eigenen Arbeit mit Jugendlichen nutzen. Die zahlreichen Präventionsprojekte, die in den vergangenen Jahren bundesweit umgesetzt wurden, bieten hierfür einen großen Erfahrungsschatz, der diese Arbeit erleichtert.“