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v.l.: Rudolf Mitlöhner im Gespräch mit Erzbischof Georg Gänswein
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Erzbischof Georg Gänswein hat einmal mehr Vorwürfe zurückgewiesen, er wolle mit seinem neuen Buch "Nichts als die Wahrheit" eine Rechnung begleichen oder Ähnliches. Es gehe ihm schlicht darum, entstellende Beschreibungen und Schilderungen oder Verzerrungen der Person, des Werkes und der Gestalt Joseph Ratzingers / Papst Benedikts - so gut es geht - zurechtzurücken, so Gänswein im Kathpress-Interview: "Über 20 Jahre war ich an seiner Seite. Ich wollte aus meiner Sicht einfach berichten, was ich erlebt habe und in einigen Punkten eben auch einiges zurechtrücken, was bis zum heutigen Tag herumgeistert, was aber leider nicht der Realität oder der Wahrheit entspricht." Darum auch der "vielleicht etwas gewagte Titel 'Nichts als die Wahrheit'".

Natürlich sei es eine "subjektiv gefärbte Darstellung" einer Person, "vor der ich höchste Achtung habe", räumte der Erzbischof weiter ein. Er könne nur hoffen, so Gänswein, dass sein Buch dazu diene, den Menschen die Gestalt Joseph Ratzingers näherzubringen. Er hoffe, "dass man das Buch in die Hand nimmt, liest und sich dann einfach ein Urteil bildet", mit einem "leichten Vorschuss an Sympathie". Die bisherigen Rückmeldungen aus dem deutschen Sprachraum würden ihn in dieser Hoffnung bestärken.

Benedikt schätzte Österreich

Gänswein hob auf Anfrage auch das ausgesprochen gute Verhältnis des Papstes zu Österreich hervor. "Seine Liebe zu Österreich, die begann ja schon als Kind. Sie wissen, wo er geboren ist, wo er an verschiedenen Orten in der Nähe Salzburgs gewesen ist. Er hatte geistliche Freunde in Österreich, hatte viele Male Urlaub gemacht mit seinen Geschwistern in Gastein, aber nicht nur dort." Und Benedikt habe auch viele österreichische Bischöfe persönlich gekannt, auch jetzt noch amtierende.

Papst Benedikt habe immer schon eine große Hochschätzung für Österreich gehabt. "Das war meine Wahrnehmung bei offiziellen Anlässen, beim Österreich-Besuch 2007 oder bei Besuchen in Rom oder bei Begegnungen, die zu anderen Anlässen stattfanden", so Gänswein. Nachsatz: "Wenn ich sage, es war ein Liebesverhältnis, dann ist es vielleicht etwas dick aufgetragen, aber es war wirklich ein sehr herzliches, gutes und ein sehr erfreuliches Verhältnis."

Veröffentlichungszeitpunkt nicht angemessen

Erzbischof Gänswein äußerte sich Montagabend gegenüber Kathpress am Rande der Vorstellung seines Buches in der Wiener Buchhandlung Herder. Bei der Vorstellung räumte er im Gespräch mit dem "Kurier"-Journalisten Rudolf Mitlöhner ein, dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung bzw. genauer gesagt die Ankündigung der Veröffentlichung so kurz nach dem Tod des emeritierten Papstes nicht angemessen war. Die Kritik daran sei daher berechtigt. Versuche seinerseits, dies noch zu stoppen, seien vergeblich gewesen. Das ändere aber nichts daran, dass er voll zum Inhalt stehe.

Die Entscheidung, das Buch zu schreiben, habe er Anfang 2022 getroffen, als man Benedikt im Zuge der Münchner Missbrauchsgutachten Unrecht getan habe. Er habe gesehen, wie der emeritierte Papst darunter gelitten habe. "Das hat mich wirklich erschüttert." Ungerechte oder gar bösartige Unterstellungen hätten Benedikt sehr getroffen, auch wenn er nicht darüber gesprochen habe.

Geschrieben habe er das Buch im Laufe des Jahres 2022, die letzten Stellen kurz vor dem Tod Benedikts, wobei das damals freilich niemand wusste. Dass er das Buch schrieb, habe er Benedikt XVI. auch erst im Oktober 2022 mitgeteilt. Auf dessen Frage "Ja muss das denn sein" habe er ihm seine Überzeugung erläutert. Den Text gezeigt habe er Benedikt aber nicht, "und ich denke, er hatte so viel Vertrauen zu mir, dass er auch nicht nach dem Manuskript verlangte". Benedikt sei damals aber auch schon sehr schwach gewesen.

Kein Katalog von guten Taten

Auch in einem TV-Interview für die ORF-Nachrichtensendung "ZIB2" hob Gänswein hervor, er wolle mit seinem Buch die medial transportierte "Einseitigkeiten" im Bild von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. korrigieren. Dass dieser auch möglicherweise Fehler gemacht habe, wolle er nicht abstreiten. "Aber es ging nicht darum, einen Katalog von guten Taten oder von Unterlassungen vorzulegen, sondern von dem, was ich erlebt habe", sagte der langjährige Privatsekretär von Joseph Ratzinger. Beim Thema Missbrauch etwa sei Joseph Ratzinger schon als Glaubenspräfekt "geradezu als Pionier der Aufarbeitung in der Missbrauchskrise auch gegen inneren Widerstand aufgetreten" und habe dies auch später als Papst fortgesetzt.

Sein Buch helfe auch, "das Verhältnis von Papst Franziskus, Papst Benedikt besser zu verstehen", zeigte sich Gänswein überzeugt. "Es gab keine zwei Päpste" und "keinen halben Rücktritt", betonte der Erzbischof im ORF-Interview mit Blick auf die Jahre nach dem historischen Amtsverzicht von Benedikt XVI. 2013. "Jeder wusste, dass einer der Vorgänger und einer der Nachfolger ist. Da gab es auch überhaupt keine Kompetenzschwierigkeiten. Das ist von vornherein ganz klar und eindeutig geklärt gewesen."

Er sehe auch überhaupt keine Notwendigkeit, zwischen Franziskus und Benedikt XVI. "Gegensätze zu schmieden", fügte Gänswein hinzu. "Die sind alle nur künstlich." Auch wenn es Unterschieden in der Mentalität, den Schwerpunkten und "ganz konkreten Fähigkeiten" gebe, sei kein Papst ein "Abziehbild seines Vorgängers"; das sei auch schon in früheren Pontifikaten so gewesen.

Grünes Licht von Franziskus

Bei der Buchvorstellung in Wien wies Gänswein zudem auch darauf hin, dass Papst Franziskus für alle Texte, die der emeritierte Papst noch veröffentlichte, grünes Licht gegeben habe. Der Erzbischof zeigte sich auch skeptisch, ob es für künftige mögliche Rücktritte von Päpsten genaue Regeln brauche. Was es seiner Erfahrung nach auf jeden Fall brauche, sei Fingerspitzengefühl, guter und ehrlicher Wille und Klarheit.

Gänswein ging auch auf Kritik von Kardinal Christoph Schönborn am Buch und besonders einer Episode darin ein. Der deutsche Erzbischof berichtet im Buch, dass Schönborn Kardinal Ratzinger noch vor dem Konklave "ein Brieflein für den Fall des Falles" geschrieben habe, dass er sich einer Wahl zum Papst nicht verweigern dürfe. Schönborn sprach nach Veröffentlichung des Buches von einer "ungehörigen Indiskretion".

"Ich empfand diesen Brief bzw. das, was Kardinal Schönborn damals Kardinal Ratzinger geschrieben hat, für etwas ganz Wesentliches, auch im Hinblick auf die Annahme der Wahl", betonte nun Gänswein. Er empfinde es auch nicht als eine Indiskretion, wohl aber als einen Grenzfall davon. Die Sache selbst sei jedenfalls eine große Ermutigung zu einem Zeitpunkt gewesen, zu dem eine Ermutigung nottat. "Das ist meine Sicht, die vielleicht von Kardinal Schönborn oder auch anderen nicht geteilt wird."