page-header
Einen Perspektivenwechsel in Sachen Inklusion fordert Oberkirchenrat Karl Schiefermair.
Anzeige

„Wir stehen erst am Anfang, den Stellenwert von Inklusion in der Bildung überhaupt zu bewerten. Der Blick in die Praxis ist ernüchternd.“ Große Mängel hinsichtlich der Inklusion von Kindern mit Behinderung in Bildungseinrichtungen ortet der evangelische Oberkirchenrat Karl Schiefermair. Anlässlich der Präsentation des Buches „Inklusion in/durch Bildung?“ am Freitag, 20. April, in der Wiener Buchhandlung Herder erinnerte Schiefermair an die UN-Behindertenrechtskonvention, die in Österreich vor zehn Jahren in Kraft getreten ist. „Wir sind damit die Verpflichtung eingegangen, Rechte von Menschen mit Behinderung zu schützen und zu gewährleisten – weg von einer Defizitorientierung, hin zu Chancengleichheit und Teilhabe, auch in der Bildung.“ Zwar zeigten sich einzelne Schulen, auch viele evangelische, dahingehend stark bemüht, dennoch fehlten in Österreich Pläne zur Prozessgestaltung. „Es ist zu befürchten, dass ein Perspektivenwechsel noch auf sich warten lässt. Dazu braucht es Wegweiser wie dieses Buch.“

Karin Peter: „Impuls für weitere Überlegungen“

Der Band „Inklusion durch Bildung“ sei aus mehreren Gründen in der aktuellen Debatte brisant, führte Karin Peter, Mitherausgeberin und katholische Theologin, aus. Inklusion sei ein gesellschaftlicher und politischer Auftrag, der in Österreich und weltweit umzusetzen sei. Alle Staaten hätten sich in der UN-Behindertenrechtskonvention zu inklusiver Bildung verpflichtet, realisiert sei diese aber noch kaum. Zudem gäbe es in der Wissenschaft Tendenzen, den Inklusionsbegriff nicht auf Menschen mit Behinderung zu beschränken,  sondern auch auf Kategorien wie Geschlecht oder Herkunft auszuweiten. Dem habe der Band versucht, Rechnung zu tragen. „Dieses Buch“, so Peter abschließend, „ist kein Abschluss, sondern ein Zwischenbericht – ein Impuls, weitere Überlegungen anzustellen.“

Blick in die Schulpraxis

Einen Einblick in die konkrete inklusive Praxis bot Maria Schelkshorn-Magas, Leiterin des Schulzentrums Friesgasse im 15. Wiener Gemeindebezirk. Die katholische Privatschule der Schulwestern ist im 19. Jahrhundert für Mädchen aus sozial benachteiligten Familien gegründet worden: „Es war von Anfang an die Entscheidung der Schulschwestern, benachteiligte Gruppen in die Gesellschaft zu inkludieren.“ Heute sei das Schulzentrum ein Komplex aus fünf Schulen. Die Schülerinnen und Schüler hätten 49 Muttersprachen, für über 60 Prozent sei Deutsch Zweit- oder Drittsprache. Zudem seien rund 20 verschiedene Religionen vertreten, ein Fünftel der SchülerInnen sein muslimisch. „Das Gegenteil dessen, was man sich oft unter einer katholischen Privatschule vorstellt“, so Schelkshorn-Magas.

Interkonfessionelle Kooperation

„Bildung in/durch Inklusion“ ist bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienen und widmet sich in fünf Abschnitten unterschiedlichen Aspekten des titelgebenden Themas. Der Band ist eine Kooperation der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems sowie des Instituts für Religionspädagogik der Evangelisch-Theologischen Fakultät und des Instituts für Praktische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Herausgegeben wurde die Publikation von Andrea Lehner-Hartmann, die auch durch den Abend führte, Thomas Krobath, Karin Peter und Martin Jäggle. Die Beiträge sind aus einer Tagung hervorgegangen, die im November 2016 in Wien stattgefunden hatte. Mit Amena Shakir findet sich auch eine muslimische Wissenschaftlerin unter den AutorInnen.

Für die musikalische Gestaltung des Abends sorgte die inklusive Schulband „Polgar Inclusive“ des Wiener Polgar-Gymnasiums, wobei die Bandmitglieder auch das Publikum in die Darbietungen inkludierte.