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Evangelikale und Vatikan schließen Lehrgespräche ab. Leiter der Delegation der Weltallianz war der frühere Direktor für ökumenische Angelegenheiten der WEA, Rolf Hille.
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Vertreter der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) und des Vatikans haben ihre theologischen Lehrgespräche mit der Veröffentlichung eines gemeinsamen Dokuments beendet. Die 13 Teilnehmer aus zehn Ländern trafen sich von 2009 bis 2015 jährlich zu Konsultationen. Sie wurden von dem evangelikalen Dachverband und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen ernannt. Das 2017 veröffentlichte Papier trägt den Titel „,Schrift und Tradition’ und ,Die Rolle der Kirche für das Heil’: Katholiken und Evangelikale erkunden Herausforderungen und Möglichkeiten“. Leiter der Delegation der Weltallianz war der frühere Direktor für ökumenische Angelegenheiten der WEA, Prof. Rolf Hille (Heilbronn). Ihm zufolge ist es nicht darum gegangen, Kompromisse zu schließen. Bestehende Unterschiede seien angesprochen und Fragen, die man sich gegenseitig stelle, in dem Abschlussdokument formuliert worden, sagte er der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Das Papier wolle Katholiken und Evangelikale ermutigen, sich regional kritisch auszutauschen, aber auch nach Bereichen zu suchen, in denen man voneinander lernen und sich ermutigen könne. Es komme zu dem Schluss, dass es zwar weiterhin Unterschiede beim Kirchenverständnis, der Bedeutung der Kirche für das Heil und beim Stellenwert außerbiblischer Lehren gebe, dass Katholiken und Evangelikale aber die Überzeugung teilten, „dass es unsere gemeinsame Verantwortung ist, allen Menschen das rettende Evangelium zu verkünden“. Christen seien zur Mission berufen. Man halte gemeinsam an allen Inhalten des Apostolischen Glaubensbekenntnisses und am ursprünglichen Wortlaut der Bibel fest, so Hille.

Evangelikale und Katholiken sollten so häufig wie möglich mit einer Stimme sprechen

Wie es in dem Dokument heißt, sollten Evangelikale und Katholiken „gemeinsam sprechen und handeln, wo immer wir können“. Zu den derzeitigen Herausforderungen gehörten der „schleichende Säkularismus“, die weltweite Christenverfolgung und ethische Desorientierung – etwa Euthanasie, Abtreibung und die Neudefinition der Ehe. Zudem würden vor dem Hintergrund der „ideologischen Vielfalt“ exklusive Aussagen Christi wie zum Beispiel in Johannes 14,6 – „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“ – von vielen Zeitgenossen als Beleidigung des „dominierenden Toleranzdenkens“ wahrgenommen.

Was Evangelikale von „Rom“ trennt

Evangelikale lehnten aber die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes und andere neuere dogmatische Verlautbarungen ab – so beispielsweise das Dogma der unbefleckten Empfängnis Mariens (1854) und das der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel (1950). Sie deckten sich nicht mit Aussagen der Bibel. Man frage sich ferner, wie Katholiken „mit einer Frömmigkeit umgehen, die mehr durch Tradition(en) geprägt ist als durch die Schrift“, etwa im Blick auf die Verehrung der Heiligen. Auch die Lehre vom „Fegefeuer“ – nämlich die Vorstellung, dass mit dem Tod nur der Körper stirbt, während die Seele sich einer notwendigen Läuterung unterziehen muss – weise man zurück, schreiben die Evangelikalen.

Katholiken: Wir halten am Lehramt fest

Die katholischen Teilnehmer halten in dem Dokument an der Bedeutung des Lehramtes – also der herausragenden Stellung von Papst und Bischöfen – bei der Auslegung der Heiligen Schrift fest. Man bemerke, dass es selbst unter Evangelikalen widersprüchliche Interpretationen der Bibel gebe: „Wenn der Sinn der Heiligen Schrift so offensichtlich wäre, wie es die Evangelikalen behaupten, würde die Einheit der Christen dann nicht einfacher sein?“ Man frage sich, so die katholischen Teilnehmer, wie Evangelikale die Einheit wahren und sich ohne ein kirchliches Lehramt gegen interne Konflikte schützen. Auch die Ablehnung der über Taufe und Abendmahl hinausgehenden fünf Sakramente stößt bei den Katholiken auf Unverständnis, da bereits die Kirchenväter diese praktiziert hätten. Das Dokument liegt bislang auf Englisch und Französisch vor, soll aber im Februar auch auf Deutsch verfügbar sein. Die ersten Konsultationen zwischen der Weltallianz und dem Päpstlichen Rat hatten zwischen 1977 und 1984 stattgefunden. Die zweite Gesprächsrunde dauerte von 1993 bis 2002 und mündete in einen Bericht mit dem Titel „Kirche, Evangelisation und die Bande der Gemeinschaft“. Die römisch-Katholische Kirche hat etwa 1,3 Milliarden Mitglieder. Die WEA repräsentiert rund 600 Millionen Evangelikale in 129 Ländern.