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Beim traditionellen „Ökumenischen Empfang“ konnte Kardinal Christoph Schönborn zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen begrüßen.
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Der Machtverlust der christlichen Kirchen ist eine Chance für die Ökumene und ermöglicht auf neue Weise Zeugnisse für die Kraft des Evangeliums. Mit diesem Befund hat Kardinal Christoph Schönborn am Dienstagabend, 29. Jänner, beim traditionellen „Ökumenischen Empfang“ anlässlich der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen aufhorchen lassen. Dankbar könnten die verschiedenen christlichen Kirchen heute feststellen, dass sie friedlich miteinander Leben können. Dies sei im Rückblick keine Selbstverständlichkeit, zumal „jede Kirche von anderen Kirchen in der Vergangenheit verfolgt wurde und selbst verfolgt hat“. Im Hintergrund sei dabei meist eine weltliche Macht gestanden, die Christen für politische Zwecke missbraucht habe, so Schönborn vor den Spitzen der Ökumene im Wiener Erzbischöflichen Palais.

Eine „Marginalisierung der Kirchen, die oft weh tut“ habe diese „an den Rand gerückt“, so der Wiener Erzbischof, der darin aber auch einen tieferen Sinn erkannte. So seien die „Kirchen jetzt näher dort, wo der Herr selbst war: am Rand“. So habe sich Jesus am Beginn seines öffentlichen Wirkens bei der Taufe am Jordan bewusst unter die Sünder eingereiht. Für die Kirchen könne der Machtverlust daher auch als eine „gnadenhafte Zeit“ begriffen werden, denn: „Das Zeugnis des Evangeliums bekommt aus dieser Machtlosigkeit seine volle Kraft.“

Beim „Ökumenischen Empfang“ erinnerte der Wiener Erzbischof an eine nach wie vor wenig bekannte Initiative von Kardinal Theodor Innitzer, die 1933 weltweite Beachtung fand. Dieser hatte am 16. Oktober 1933 im Erzbischöflichen Palais das „Interkonfessionelle und Internationale Hilfskomitee für die Hungergebiete in der Sowjetunion“ gegründet. Es war eine konkrete Aktion und in ihrer Weise einzigartig, um den Millionen vom Hungertod bedrohten Menschen in der Ukraine zu helfen. Ursache für den sogenannten „Holodomor“ war eine Politik auf Befehl Stalins, die bewusst eine Hungerkatastrophe mit Millionen Toten herbeiführte. Die Reaktion Kardinal Innitzers mache ihn heute zu einem „Vorbild an Solidarität und Wachsamkeit“, hielt Schönborn fest.

Über die Auswertung der Archive zum damaligen Wirken Innitzers berichtete der Generalvikar für die griechisch-katholischen Gläubigen in Österreich, Yiriy Kolasa. Bemerkenswert sei gewesen, dass Kardinal Innitzer zur Gründung der Hilfsaktion ökumenisch vorging und Repräsentanten der Evangelischen, der Orthodoxen, der Griechisch-katholischen und der Armenisch-katholischen Kirche versammelt hatte. Darüber hinaus war auch die Israelitische Kultusgemeinde durch ihren Oberrabbiner eingebunden. Diese Aktion mache deutlich: „Die gemeinsame Stimme der Ökumene kann das Schicksal von Millionen wenden“, unterstrich Kolasa.

Der „Ökumenische Empfang“ bot darüber hinaus die Möglichkeit, neue Akteure und wichtige Initiativen in der Ökumene vorzustellen. Diese Gelegenheit nutzte der am vergangenen Sonntag in sein Amt offiziell eingeführte evangelische Superintendent für Wien, Matthias Geist. In seiner bisherigen Tätigkeit in der Gefangenenseelsorge habe er eine „starke ökumenische Zusammenarbeit“ erlebt und eine „bunte ökumenische Familie“ kennengelernt. Diese Erfahrungen wolle er auch in sein neues Amt mitnehmen und mitwirken, „in ökumenischer Verbundenheit Menschen offen anzusprechen“. Es gelte, ein „offenes und lebendiges Zeugnis“ in die Stadt zu tragen, so der neue Superintendent.

Für Alfons Kloss, den ehemaligen Botschafter Österreichs beim Vatikan, war der Ökumenische Empfang eine Premiere in seiner neuen Aufgabe als Präsident der Stiftung „Pro Oriente“. „Wir wollen eine unabhängige Plattform bleiben für den inoffiziellen und somit vertrauensvollen ökumenischen Dialog“, bekräftigte Kloss die Aufgabe der Stiftung, die 1964 von Kardinal Franz König gegründet wurde. „Pro Oriente“ habe seither theologisch auf dem Gebiet der Ökumene viel erreicht. Damit das Erreichte nicht vergessen werde, wolle man gezielt junge Theologinnen und Theologen fördern, die in der ökumenischen Forschung aktiv sind.

Den 1887 gegründeten „Ökumenischen Weltgebetstag der Frauen“ stellte deren Vorsitzende, Brigitte Zinnburg, vor und bezeichnete ihn als „älteste ökumenische Basisbewegung“. Er wird an jedem ersten Freitag im März in mehr als 170 Ländern begangen. Heuer ist dies der 1. März und rund 340 Gemeinden in Österreich beteiligen sich daran. Im Zentrum des diesjährigen Weltgebetstags steht Slowenien.

„Meilensteine“ auf dem „Weg der Versöhnung“, präsentierte die gleichnamige ökumenische Basisinitiative in Form eines Buches am Ende der ökumenischen Begegnung. Der Wiener Diakon und Mitbegründer von „Weg der Versöhnung“, Johannes Fichtenbauer, erinnerte daran, dass diese Initiative vor 30 Jahren als eine Art „ökumenischer Stammtisch“ von katholischen, evangelischen und freikirchlichen Christen aus dem Bereich der Erneuerungsbewegungen gegründet wurde. 1998 wurde daraus ein Verein, der sich für ein versöhntes Miteinander der Kirchen einsetzt.