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Hennefeld: Die Kirchen dürften nicht warten, sondern müssen schon jetzt protestieren.
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Angesichts jüngster Vorfälle um Politiker der Regierungspartei FPÖ mahnt der reformierte Landessuperintendent und Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Thomas Hennefeld, die Kirchen zu besonderer Sensibilität und Wachsamkeit. Die Verpflichtung, allen Formen von Antisemitismus und Antijudaismus in Kirche und Gesellschaft entgegenzutreten, „darf kein Lippenbekenntnis sein. Wo sich das Haupt des widerwärtigen antisemitischen Ungeistes erhebt, wie im Fall des Liederbuches bei der Burschenschaft Germania, müssen die Kirchen aufschreien“, sagte Hennefeld in seiner Predigt zum ÖRKÖ-Gottesdienst anlässlich der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen am Donnerstag, 25. Jänner, in der serbisch-orthodoxen Kirche in Neulerchenfeld in Wien. Damit spielte er auf Vorwürfe gegen den niederösterreichischen FPÖ-Politiker Udo Landbauer an, in dessen Burschenschaft ein Liederbuch mit antisemitischen Inhalten in Verwendung sei. An dem Gottesdienst nahmen auch zahlreiche hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen in Österreich teil.

„Nicht warten, sondern protestieren“

Es sei wichtig, so Hennefeld, dass sich die Kirchen für sozialen Frieden und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzten. Hennefeld kritisierte dabei auch Äußerungen von Innenminister Herbert Kickl, die für Aufregung gesorgt hatten: „80 Jahre nach dem ‚Anschluss‘ an Hitler-Deutschland spricht ein Minister davon, Menschen konzentrieren zu wollen. Dabei geht es nicht nur um Anspielungen auf die dunkelste Zeit unserer Geschichte, sondern auch um die Maßnahmen, die damit verbunden sind. Anscheinend sollen tausende Menschen aus Familien, in denen sie integriert sind, herausgerissen werden und an einen anderen Ort gebracht werden.“ Die Kirchen dürften nicht darauf warten, „bis es der Regierung einfällt, auch andere Gruppen auszusondern, nur weil jetzt von uns niemand betroffen ist“, sondern müssten schon jetzt protestieren.

„Solidarisch auf Seite der Unterdrückten“

Hennefeld zeigte sich beim ÖRKÖ-Gottesdienst auch solidarisch gegenüber Christinnen und Christen im Nahen Osten, die ihres Glaubens wegen verfolgt werden, und sprach historische Verfehlungen der Kirchen im Rahmen des Kolonialismus weltweit an: „Die Reformatoren können durchaus auch als Befreier betrachtet werden. Aber im Namen einer pervertierten reformierten Theologie, die meinte, sich auf Johannes Calvin berufen zu können, wurden Menschen versklavt, übrigens auch in der Karibik von Niederländern. In Südafrika war es eine reformierte oder besser gesagt pseudoreformierte Theologie, mit der die Apartheid legitimiert wurde.“ Wenn eine Lehre aus dem Exodus-Geschehen der Bibel zu ziehen sei, dann die, „dass wir es Gott überlassen, wie er die Unterdrückten befreit. Es soll nicht durch Waffengewalt von Menschen geschehen, aber solidarisch sollen wir auf ihrer Seite stehen.“

Die „Weltgebetswoche für die Einheit der Christen“ findet jährlich zwischen 18. und 25. Jänner statt. Während der Gebetswoche kommen weltweit Christen aus unterschiedlichen Konfessionen zusammen, um gemeinsam für die Einheit der Christenheit zu beten. Das internationale Leitthema der Woche war heuer dem biblischen Buch Exodus entnommen („Deine rechte Hand, Herr, ist herrlich an Stärke“). Es wurde von einer ökumenischen Gruppe in der Karibik ausgewählt und soll auf den Glauben an die rettende Hand Gottes im Kampf um Menschenwürde in der Region verweisen.

Evangelisch-lutherischer Bischof Bünker solidarisch mit Kultusgemeinde

An die Seite der Israelitischen Kultusgemeinde hat sich der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker gestellt. „In unserem Einsatz gegen Antisemitismus möchte ich meine Solidarität mit der besonderen Situation der Kultusgemeinde und mein Verständnis zu ihrer Haltung ausdrücken“, sagte der Bischof am Donnerstag, 25. Jänner, gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. „Die Evangelische Kirche ist wie alle, die in unserer Gesellschaft Verantwortung tragen, verpflichtet, gegen Antisemitismus aufzutreten und daraus auch die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen“, so der Bischof.

Bünker erinnert in diesem Zusammenhang an die Verpflichtung der Evangelischen Kirche, jedem gesellschaftlichen und persönlichen Antisemitismus zu wehren, wie sie in der Erklärung „Zeit zur Umkehr“ angesprochen ist. Diese Erklärung hatte die Generalsynode, das höchste gesetzgebende Gremium der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich, 1998 verabschiedet. „Mit Scham stellen wir fest, dass sich unsere Kirchen für das Schicksal der Juden und ungezählter anderer Verfolgter unempfindlich zeigten“, heißt es dort. Auch die eigene Lehre und kirchliche Praxis sei auf Antisemitismen zu überprüfen und Vorurteilen entgegenzutreten. Die antisemitischen Schriften Luthers hat die Evangelische Kirche in dieser Erklärung „verworfen“.