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Kardinal Schönborn: "An erster Stelle müssen die Betroffenen stehen, die Opfer. Sie müssen gehört werden."
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Papst Franziskus beendet den historischen Missbrauchsgipfel mit den Worten: „Das Effektivste, was wir für Opfer tun können, ist ein kollektives Umdenken, die Demut zuzuhören und die Verletzlichsten zu unterstützen und zu beschützen.“ Er appelliert an alle Menschen, dass sie Kindesmissbrauch, sexuell oder anderwärtig, den Kampf ansagen. Denn diese abscheulichen Verbrechen müssen vom Erdboden verschwinden.

Zu Beginn des viertägigen Missbrauchsgipfels sprachen Opfer von allen fünf Kontinenten über das Trauma ihres Missbrauchs und über den zusätzlichen Schmerz, den die Gleichgültigkeit der Kirche verursacht hat, berichtet die Associated Press. Kardinal Tagle von Manila gibt zu: „Das Fehlen unserer Reaktion auf das Leiden von Opfern, ja bis zu dem Punkt, dass wir sie abgewiesen und Skandale vertuscht haben, nur um Täter und die Institution zu schützen, hat Menschen verletzt.“ Das Ergebnis dieses Handeln habe “eine tiefe Wunde in der Beziehung mit jenen hinterlassen, denen wir eigentlich dienen wollen.“

Demütigung, Selbstanklage, Gebet und Buße

In einer aktuellen Presseaussendung erklärt Papst Franziskus in seiner Abschlussrede, dass die Kirche sich bewusst geworden ist, dass sie Missbrauchsfällen mit Disziplinarmaßnahmen, zivil- und kirchenrechtlich begegnen muss. Und man muss das Phänomen innerhalb und außerhalb der Kirche beim Namen nennen. Papst Franziskus fordert: „Wir müssen die spirituellen Mittel verwenden, die Jesus uns gelehrt hat: Demütigung, Selbstanklage, Gebet und Buße.“ Das Ziel der Kirche ist es, den “missbrauchten, ausgebeuteten und vergessenen Kindern zuzuhören, sie zu beschützen und sich um sie zu kümmern.“

In einer öffentlichen Stellungnahme zum Missbrauchsgipfel erklären die Generaloberinnen der Organisation der katholischen Ordensinstituten (UISG), dass sie ihre blinden Flecken ansehen wollen. Sie verpflichten sich mit Transparenz und Vertrauen, Ehrlichkeit und ernsthafter Reue voranzugehen.

Die Hand des Bösen

Der Papst erwähnt in seiner Abschlussrede außerdem, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern in den letzten Jahren auch wegen des Internets drastisch zugenommen hat. Pornografie schade der Psyche und zerstöre Beziehungen zwischen Männern und Frauen und zwischen Erwachsenen und Kindern. Doch die Brutalität des weltweiten Kindesmissbrauchs sei in der Kirche umso gravierender und skandalöser. Denn Missbrauch sei absolut nicht vereinbar mit der moralischen Autorität und der ethischen Glaubwürdigkeit der Kirche. Ordinierte Personen hätten sich treiben lassen von ihren eigenen Schwächen und Krankheiten, so seien sie zu einem Werkzeug Satans geworden. Bei Missbrauch, so Franziskus, „sehen wir die Hand des Bösen, sie nicht einmal die Unschuld von Kindern verschont“. Aber es gebe keine Erklärung für Kindesmissbrauch.

Kultur der Offenlegung

Erzbischof Charles Scicluna fordert eine Verwandlung der Kultur des Schweigens in eine „Kultur der Offenlegung“, so die AP. Bischöfe sollten mit staatlichen Exekutivorganen kooperieren und Entscheidungen bezüglich verurteilter Sexualstraftäter treffen. Kritiker meinen, dass ein Plan fehle, wie mit Bischöfen, die sich nicht an diese Regeln halten, umgegangen werden sollte. Alessandro Battaglia, ein ehemaliges Opfer, fragt: „Warum macht die Kirche nicht etwas Konkretes, wie jene Bischöfe, die vertuschen, zu entlassen?“

Kardinal Schönborn findet deutliche Worte

„Ich bin Papst Franziskus dankbar, dass er dieses traurige und beschämende Kapitel mutig und entschieden angeht. An erster Stelle müssen die Betroffenen stehen, die Opfer. Sie müssen gehört werden. Kein Vertuschen, Mut zur Wahrheit. Und wirksame Konsequenzen. Nur so wird es zu einem echten Kulturwandel kommen“, schreibt Kardinal Christoph Schönborn auf Facebook.   

Sieben Strategien, um Gewalt gegen Kinder zu beenden

Papst Franziskus meint, dass die Kirche zwei Extreme im Umgang mit Missbrauchsfällen vermeiden müsse: Erstens Gesetzlichkeit, provoziert von vergangenen Fehlern und dem Druck der Medien und zweitens eine Abwehrhaltung, die die Ursachen und Konsequenzen dieser abscheulichen Verbrechen verleugnet. Der Papst zitiert die Maßnahmen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), „INSPIRE“ genannt: Sieben Strategien, um Gewalt gegen Kinder zu beenden.

1. Der Schutz von Kindern muss immer an oberster Priorität stehen. 2. Ernsthaftigkeit: Der Papst versichert, „die Kirche werde alles Nötige tun, um Täter vor Gericht zu bringen. Die Kirche werde nichts mehr vertuschen oder irgendeinen Einzelfall nicht ernst nehmen“. 3. Echte Reinigung: Die Kirche muss Fehler der Vergangenheit wiedergutmachen. Selbst-Anklage sei der erste Schritt in Richtung Weisheit und Gottesfürchtigkeit. 4. Die Kirche muss Anforderungen an zukünftige Priester klarer machen. Denn „das Zölibat, das einem Mann alles abverlangt, schließt jene aus, die ungenügende physische, psychische oder moralische Qualifikationen haben“. 5. Die Richtlinien der Bischofskonferenzen zu stärken und nach zu prüfen. Diese sollten Regeln sein, und nicht nur Anhaltspunkte: Kein Missbrauchsfall sollte jemals vertuscht oder nicht ernst genommen werden. 6. Opfer zu begleiten und ihnen zuzuhören. 7. Jeder muss sich der Gefahren der digitalen Welt bewusst sein. 8. „Sextourismus“ (Menschen reisen in jene Länder, in denen Prostitution legal ist): Die Kirche muss die Würde eines jeden Menschen, besonders die der Unschuldigsten, wahren.

Wie Papst Franziskus eine Kultur der Offenlegung umsetzen will, bleibt offen. Ob Priester vermehrt geschasst werden oder Bischöfe bestraft, die weiter vertuschen, wird die Zukunft zeigen. Kardinäle wie Schönborn werden sich jedenfalls weiter für Opfer und "wirksame Konsequenzen" einsetzen.

9+ 14:52 / 1:46:32 Pope Francis – Holy Mass 2019-02-24
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