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Papst Franziskus eröffnete den Missbrauchsgipfel mit dem Gebet, dass Gott „dieses Böse in eine Chance für Verständnis und Reinigung verwandelt.“
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Der erste Tag des Missbrauchsgipfels hatte den Schwerpunkt Verantwortung. Kardinal Luis Tagle sprach als Erster bei dem historischen Spitzentreffen über Kindesmissbrauch innerhalb der katholischen Kirche: „Glaube, der die Augen vor dem Leiden der Menschen verschließt, ist nur eine Illusion.“

Chance für Verständnis und geistliche Reinigung

Papst Franziskus eröffnete das Spitzentreffen mit dem Gebet, dass Gott „dieses Böse in eine Chance für Verständnis und Reinigung verwandelt“, so die Associated Press. Er erinnerte die 190 anwesenden Vorsitzenden der Bischofskonferenzen und Ordensgemeinschaften daran, dass sie die Verantwortung tragen, dem Schrei der Jungen nach Gerechtigkeit Gehör zu verschaffen. Gemäß des Tagesthemas Verantwortung sprach Kardinal Luis Tagle aus Manila als Erster bei dem historischen Summit: „Glaube, der die Augen vor dem Leiden der Menschen verschließt, ist nur eine Illusion.“

Journalist Robinson: „Der Schaden ist unermesslich“

Der Journalist Walter V. Robinson (73) kritisiert, dass die Kirche bis dato wenig Verantwortung übernommen hat. Er leitete 2002 das Spotlight-Team des „Boston Globe“ und deckte hunderte Missbrauchsfälle auf. In der österreichischen Ausgabe der ZEIT vom 21. Februar schreibt er in seinem Artikel „Der Schaden ist unermesslich“, dass die katholischen Bischöfe sich in Rom versammeln, um eine Krise zu managen, deren Existenz sie lange nicht wahrhaben wollten. Papst Franziskus stehe seiner Meinung nach vor einer fast unlösbaren Aufgabe: Erstens muss er skeptische Bischöfe überzeugen, Missbrauch offenzulegen und die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Zweitens müsse er die Katholische Kirche retten. Das Überleben der Kirche stehe zumindest in Europa laut Robinson auf dem Spiel. Denn die schiere Größe des Problems, das wie ein Krebsgeschwür überall Metastasen hat, lässt ihn um die Zukunft der Kirche fürchten.

Reue oder Verleugnung?

Robinson behauptet, der Antrieb der Bischöfe weltweit sei nicht Reue, sondern Verleugnung. Obwohl Papst Franziskus mehr Transparenz will, bestreiten seine Bischöfe die Existenz des Problems und diejenigen die es anerkennen, wollen nichts Konkretes offenlegen. Papst Franziskus selbst nahm im Jänner 2018 den chilenischen Bischof Juan Barros Madrid in Schutz, denn Madrids Opfer seien unglaubwürdig. Kurz danach entschuldigt sich der Papst jedoch bei den Opfern und sieben Bischöfe wurden geschasst.

In einer öffentlichen Stellungnahme zum Missbrauchsgipfel erklären die Generaloberinnen der Organisation von katholischen Ordensinstituten (UISG), dass Kindesmissbrauch immer und überall falsch sei. Dieser Punkt sei nicht verhandelbar. Weiters schreiben sie, dass sie ihre Köpfe in Demut beugen aufgrund der vielen Missbrauchsfälle, die passiert sind. Sie schämen sich noch mehr, angesichts ihrer eigenen Blindheit. Sie bestätigen, dass jene in Verantwortung nicht so gehandelt haben, wie sie es hätten tun sollen. Sie haben versagt, die Warnsignale zu sehen oder diese ernst zu nehmen.

Papst setzt sich für Buße ein

Die Hoffnung für das jetzige Spitzentreffen im Vatikan ist, dass Prozesse und Strukturen für mehr Rechenschaft initiiert werden. Und jene, die es bereits gibt, ausgebaut werden. Denn Verantwortung zu übernehmen und Reue zu zeigen ist besonders wichtig für die zahlreichen Opfer. Die Autoren der Stellungnahme verweisen auf Papst Franziskus, der bereit war seine Fehler einzugestehen, wie er Anfang 2018 mit den Opfern in Chile bewies. Der Papst setzt sich also für Umkehr ein. Außerdem müsse die Kirche in Dialog mit Opfern treten, um zu lernen, wie sie in Zukunft mit weiteren Missbrauchsopfern umgehen soll. Die Bischöfe wollen jedenfalls lernen, Opfern besser zu zuhören. Doch wie DIE ZEIT in dem Artikel „Schuld und Sühne“ anmerkt: „Nur eines kann der Papst nicht befehlen: Reue.“

Kardinal Schönborn zeigt Reue

Anfang Februar 2019 traf sich der österreichische Kardinal Schönborn mit der früheren Nonne Doris Wagner im Studio des Bayrischen Rundfunks in München. Mit dem Satz: „Ja, ich glaube Ihnen!“, stellte sich Schönborn auf die Seite von Wagner. Die 35-jährige wurde vor über zehn Jahren von einem höhergestellten Priester missbraucht. Der Priester bestritt die Tat, wurde vom Vatikan jedoch versetzt. Auf die Frage der ZEIT, ob Wagner glaubt, dass Schönborns Reue echt sei, antwortet die ehemalige Nonne: „Ja! Es hat mich berührt, den Chef einer Bischofskonferenz so betroffen, so hilflos zu erleben.“

Doch jetzt müsse die Kirche auch wirklich etwas tun. Reue sei nur der erste Schritt.