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Damals hat man sie kurzerhand lebendig verbrannt, enthauptet oder ertränkt. Die Täufer, damals als „Widertäufer“ verschrien, hatten es im Wien des 16. Jahrhunderts keineswegs leicht. Die geistigen Vorläufer der meisten Freikirchen übernahmen zwar viele Reformen der Reformatoren Luther und Zwingli, diese gingen ihnen aber nicht weit genug. Die Begründer des „radikalen dritten Flügels der Reformation“ waren bereit, dafür einen hohen Preis zu bezahlen.

Ihr Ideal war eine Kirche, die sich ausschließlich aus freiwilligen Bekennern zusammensetzte. Daher sollten nicht Säuglinge getauft werden, sondern nur mündige Gläubige, die diese Taufe nach einer bewussten Glaubensentscheidung selbst begehrten. Die bis dahin seit Jahrhunderten gelebte unglückliche Verwobenheit von staatlicher Obrigkeit und Kirche war ihnen ein Gräuel. Die Täufer konnten demnach einer Volks- oder Staatskirche nichts abgewinnen, sondern suchten freie Bekennergemeinden zu verwirklichen. Somit entstanden schon damals die ersten Freikirchen auf österreichischem Boden.

Schwere Verfolgungen und Landesverweise kennzeichnen die lange Geschichte der freikirchlichen Bewegung in Österreich. Die Gegenreformation schlug erbarmungslos zu. Andersdenkende mussten ihrem Glauben abschwören und wurden sodann in Büßergewänder gesteckt. Rechtlich waren diese freikirchlichen Vorläufer hierzulande von sämtlichen Privilegien explizit ausgenommen – und das obwohl das Apostolische Glaubensbekenntnis auch ihr Bekenntnis war. Nach dieser Zeit der Vertreibung war es jahrhundertelang recht still um die Täufer.

Nun wollen sich die österreichischen Freikirchen ihrer gemeinsamen historischen Wurzeln besinnen. In akribischer Kleinarbeit werden lokalhistorische Details und Biografien von Anhängern der Bewegung rekonstruiert. Erste Gedenkstätten und Museen sind entstanden. In den letzten Jahrzehnten ist es zu einem starken Aufblühen der freikirchlichen Bewegung gekommen. Monatlich entstehen in der vormals nicht vorhandenen Freiheit neue Gemeinden. Wachsende Besucherzahlen und viel junges Volk sind Kennzeichen dieser Bewegung.

Am Samstag, dem 21. Oktober, um 16 Uhr, wollen die „Freikirchen in Österreich“ im Rahmen des 500-Jahr-Jubiläums des Ausbruchs der Reformation auf sich aufmerksam machen. Die alten Schauplätze der Wiener Innenstadt bieten sich dafür vorzüglich an. In historischen Kostümen, mit Trommelwirbel und Ketzer-Karren soll es in Richtung der alten Richtstätte gehen. Dabei wird eine Tafel an der Alten Universität, in der Sonnenfelsgasse 19, enthüllt, die an Konrad Grebel erinnern soll. Grebel, der wie Zwingli an der Wiener Universität studiert hat, ist mit der von ihm 1525 erstmals praktizierten Glaubenstaufe zu einem der Pioniere der freikirchlichen Bewegung geworden.

Die seit 2013 staatlich anerkannte Kirche „Freikirchen in Österreich“ - ein Dachverband aus fünf Bünden – will an diesem Tag der vielen Blutzeugen aus der Zeit der Verfolgung gedenken. Gleichzeitig will man Gott für die Glaubensfreiheit danken, die mittlerweile jeder in Österreich genießen darf. Auch das war bereits ein Anliegen der ersten Freikirchen des 16. Jahrhunderts. Der Festakt am 21. Oktober schließt mit einer Indoor-Veranstaltung, bei der auch die Stabübergabe an den neuen Vorsitzenden der Freikirchen in Österreich, Reinhold Eichinger, erfolgen wird.

Weltweit stellen heute die mehr als 500 Millionen Gläubigen in den Freikirchen den zahlenmäßig größten Zweig der Christen reformatorischer Prägung dar.