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Internationales Symposium der Freikirchen in Österreich im Curhaus am Stephansplatz.
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Mit einem internationalen Symposium unter dem Motto „Gegen den Strom – 500 Jahre reformatorische Täuferbewegungen“ setzten die Freikirchen in Österreich (FKÖ) am 24. Oktober 2025 im Curhaus am Stephansplatz einen weiteren Höhepunkt des Jubiläumsjahres. Fachleute aus fünf Ländern beleuchteten die historischen, theologischen und gesellschaftlichen Dimensionen der Täuferbewegung und schlugen Brücken zu aktuellen Fragen von Glauben, Gewissensfreiheit und Zivilcourage.

Ein Zeichen des Gedenkens und der Besinnung

Das Symposium wurde von den Freikirchen in Österreich in Zusammenarbeit mit dem „Arbeitskreis Geschichtsaufarbeitung“ des Runden Tischs/Weg der Versöhnung organisiert. Anlass war das 500-jährige Jubiläum der ersten Glaubenstaufe der Neuzeit, die im Jänner 1525 in Zürich stattfand. Zahlreiche Teilnehmer aus Kirche, Wissenschaft und Gesellschaft folgten der Einladung, um gemeinsam zu reflektieren, welche Bedeutung die Täuferbewegung heute noch für den Glauben und das kirchliche Leben in Österreich hat.

Forschung mit historischem Tiefgang

Den Auftakt machte Prof. DDr. Martin Rothkegel, Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Hochschule Elstal/Berlin. In seinem Vortrag über das Täufertum in Mähren zeichnete er ein eindrückliches Bild der nonkonformen Haltung der Täufer, die sich bewusst gegen die damalige Staatskirche stellten. Diese radikale Unabhängigkeit führte zwar zu Verfolgung, aber auch zu einem starken inneren Zusammenhalt und einem klaren Selbstverständnis als Gemeinschaft der Gläubigen.

Die Täufer in Südmähren und ihre Spuren

PhDr. Jana Valtrová und Mgr. Andrea Štěpánková, Ph.D., beide von der Masaryk-Universität Brünn, präsentierten aktuelle Forschungsergebnisse zu täuferischen Siedlungen in Südmähren. Ihre eigens entwickelte Datenbank ermöglicht es, historische Orte, Namen und Ereignisse miteinander zu verknüpfen – ein wichtiger Beitrag zur Erforschung der Reformationszeit.

Gemeinschaft, die bis heute trägt

Emmy Maendel, Archivarin der Bruderhof-Gemeinschaft in New York, brachte mit persönlichen Einblicken Leben in die Diskussion. Sie schilderte das Alltagsleben heutiger Hutterer-Gemeinschaften, in denen Besitz gemeinschaftlich geteilt und die Aufgaben klar verteilt sind. Diese Form gelebter Gemeinschaft gebe Sicherheit und Orientierung in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft.

Zeugnisse von Mut und Verfolgung

PhDr. Petr Peňáz, ebenfalls von der Masaryk-Universität, berichtete über das Schicksal des Venezianers Marcantonio Varotto, der in den 1560er Jahren mit Täufergruppen in Kontakt kam und später von der Inquisition hingerichtet wurde. Seine Aufzeichnungen dokumentieren eindrucksvoll die Vielfalt und den Mut der frühen Täuferbewegungen.

Erinnerungskultur mit österreichischem Akzent

Einen starken österreichischen Bezug brachte Ing. Reinhold Eichinger, Gründungsmitglied der Freikirchen in Österreich und Obmann des Hutterischen Geschichtsvereins. Er sprach über die Bedeutung einer bewussten Erinnerungskultur, die beschreibt, wie Gesellschaften mit ihrer Vergangenheit umgehen. Eichinger kritisierte die nach wie vor geringe historische Verankerung vieler Gemeinden: In manchen Freikirchen fehle es an Bewusstsein über die eigenen Wurzeln. Dann dürfe es niemanden wundern, wenn Freikirchen als dubioser Import aus Nordamerika gelten.

Er erinnerte an sichtbare Zeichen täuferischer Geschichte wie die Gedenktafel an Balthasar Hubmaier am Wiener Stubentor, an Konrad Grebel, der in Wien studierte, oder an die symbolische Galeere auf der Burgruine Falkenstein, die an 150 inhaftierte und zur Galeerenstrafe verurteilte Täufer erinnert. Zugleich berichtete Eichinger über positive Entwicklungen der letzten Jahre. Seit 2017 wächst das Interesse an täuferischer Geschichte in Österreich deutlich. Neben Publikationen und Exkursionen entstanden neue Projekte wie das Täufermuseum im Museumsdorf Niedersulz, das Täufergwölb, die Ausstellung „Brennen für das Leben“ mit über 20.000 Besuchern sowie ein „Wald der Gedenktafeln“, der an Märtyrer und Glaubenszeugen erinnert.

Nonkonformismus in der Gegenwart

Nach einer kurzen Pause mit Aufstrichbroten, Kuchen und Fingerfood wurde das Thema in einer Podiumsdiskussion in die Gegenwart geholt: Was bedeutet Nonkonformismus heute? Unter der Leitung von Pastor Dietrich Fischer-Dörl MSc diskutierten Prof. Dr. Philipp Pilhofer von der Evangelisch-Theologischen Fakultät Wien, Mag. Dr. Robert Hochgruber vom Hutterer-Arbeitskreis Tirol und Südtirol sowie die Volkschullehrerin Ilkay Idiskut, Preisträgerin des SOS-Mitmensch-Preises für Zivilcourage und bekannt aus dem Film „Favoriten“ von Ruth Beckermann.

In der Diskussion zeigte sich: Der Geist der Täufer – Mut, Gewissensfreiheit und der Wille, Überzeugungen zu leben – bleibt zeitlos aktuell. Besonders im Hinblick auf gesellschaftspolitische Fragen wie das geplante Kopftuchverbot für Mädchen bis 14 Jahren forderte Ilkay Idiskut ein sensibles Vorgehen. Viele Mädchen fühlten sich unwohl, wenn sie ihr Kopftuch ablegen müssten. Gleichzeitig müsse man dort hinschauen, wo Zwang herrsche, da sich hinter solchen Strukturen oft tiefere familiäre Probleme wie Gewalt verbergen. Pädagogen und Pädagoginnen seien aufgerufen, genau hinzusehen, statt pauschal zu verbieten.

Ein Vermächtnis, das weiterwirkt

Zum Abschluss wurden die Ergebnisse des Symposiums zusammengefasst. Das nonkonformistische Zeugnis der Täufer, so der Tenor, bleibt ein wichtiges Erbe für die Freikirchen in Österreich – als Ansporn, Glauben authentisch zu leben und sich nicht dem Strom der Anpassung zu beugen. „Es waren hochkarätige Vorträge, interessante Einsichten und spannende Einzelgeschichten“, resümierte Pastor Peter Zalud, Vorsitzender der Freikirchen in Österreich. Auch Dr. Martin Fischer vom Kultusamt bedankte sich für die informative und inspirierende Veranstaltung.

Das Symposium endete offiziell, doch viele der Besucher blieben noch lange im Gespräch. Denn die Geschichte der Täufer, so zeigte sich einmal mehr, ist nicht nur Vergangenheit, sondern lebendige Gegenwart.