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„Wir brauchen eine neue Reformation des Friedens, der Gerechtigkeit, für eine neue Menschlichkeit, für eine bessere Welt“, das erklärte die liberianische Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee beim großen Reformationsfest am Wiener Rathausplatz. Sie war eine von drei MutmacherInnen, die am „Fest 500“ anlässlich zu 500 Jahren Reformation über Bewahrung der Schöpfung, Frieden und Gerechtigkeit gesprochen haben.

„Eine neue Menschlichkeit wird gebraucht“, zeigte sich Gbowee, die 2011 den Friedensnobelpreis erhielt, überzeugt. „Jeder kann zum Frieden beitragen, dazu braucht es nicht eine Milliarde Dollar. Es genügt, wenn jeder eine gute Tat macht, die sich ein anderer nicht zu machen traut: den Nachbarn freundlich grüßen, der Flüchtling ist; in der U-Bahn jemanden die Tasche abnehmen; einer alten Dame über die Straße zu helfen.“ Letztlich gehe es darum, den nachfolgenden Generationen eine bessere Zukunft zu hinterlassen. Dafür muss man aber „hoffen, beten, und tun, was getan werden muss“, so die Friedensaktivistin. Sie selbst habe dabei immer ein Ausspruch von Nelson Mandela begleitet und motiviert: „Mutige Menschen haben auch Angst, aber trotz der Angst stehen sie auf und werden aktiv.“

Auf die aktuellen Konflikte in der Welt angesprochen sagte Gbowee: „Friede ist möglich. Aber man kann Gewalt nicht mit Gewalt lösen. Das wäre so, als würde man Feuer mit Feuer löschen wollen.“  Gewalt habe noch nie einen Konflikt gelöst, betonte die Friedensnobelpreisträgerin. Das zeige auch das Beispiel Lybien, wo 2011 das Gaddafi-Regime gewaltsam entfernt wurde. „Die Gewaltspirale ging weiter, heute gilt das Land als unregierbar. So ist das immer, wenn man versucht Gewalt mit Gewalt zu lösen: ein neuer Gewaltkreislauf entsteht“, so Gbowee.

Vor den mehreren Tausend Besucherinnen und Besuchern des Festes ging die Lutheranerin auch auf die Frage ein, inwiefern Glaube eine Rolle spiele für ein friedliches Miteinander. „Man braucht Glauben, um für den Frieden aktiv werden zu können. Man muss daran glauben, dass es ein höheres Wesen gibt, das Verantwortung trägt. Dabei ist es egal, ob man Christin oder Christ ist, Muslimin oder Muslim ist oder einer anderen Religion angehört.“

Leymah Gbowee wurde 1972 in Monrovia, der Hauptstadt Liberias, geboren. Während der frühen Jahre des ersten liberianischen Bürgerkriegs (1989 bis 2003) arbeitete sie als Streetworkerin in der Betreuung traumatisierter Kinder und Jugendlicher.  Von 2001 bis 2005 engagierte sich Gbowee als Programmkoordinatorin bei „Women in Peacebuilding“. 2002 organisierte sie die Gründung der Bewegung „Women of Liberia Mass Action for Peace“, die gewaltfreie Proteste von Frauen gegen den Krieg initiierte. An den Friedensgebeten der Bewegung in Monrovia beteiligten sich sowohl muslimische als auch christliche Frauen. Große mediale Aufmerksamkeit erlangte Gbowee als  Mitiniatorin eines Sexstreiks, bei dem durch die Verweigerung des Geschlechtsverkehrs Männer zu einer pazifistischen Politik gezwungen werden sollten. Im Jahr 2011 erhielt Gbowee gemeinsam mit ihrer liberianischen Mitstreiterin Ellen Johnson Sirleaf und der Jemenitin Tawakkul Karman den Friedensnobelpreis.

Der Themenblock „Gerechtigkeit“ wurde geprägt durch Interviews mit den „MutmacherInnen“ Thomas Korbun und Sumaya Farhat-Naser. Der Deutsche Korbun ist Vorstandsvorsitzender von SOS Mediterranée Deutschland, einer Nichtregierungsorganisation, die sich die Rettung von schiffsbrüchigen Flüchtlingen im Mittelmeer zur Aufgabe gesetzt hat. Korbun über die Arbeit im Meer vor Libyen: „Wir haben seit Februar 2016 24.000 Menschen gerettet, viele davon waren minderjährig. Wir hatten auch fünf Geburten an Bord. Das zeigt, die Menschen kommen zu uns, da sie auf eine bessere Zukunft für ihre Kinder hoffen.“ Die von SOS Mediterranée geretteten Menschen kämen vor allem aus Nigeria und Eritrea, Länder, in denen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen beobachtet werden. „Diese Menschen fliehen durch die Sahara, landen in Lagern in Libyen, in denen furchtbare Zustände herrschen, und nehmen dann noch die Gefahr der Überfahrt nach Europa auf sich. Heißen Sie diese Menschen, die das Schlimmste überlebt haben, bei uns willkommen“, appellierte Korbun an die Besucher und Besucherinnen des Fests.

Die palästinensische Christin und Friedensaktivisten Sumaya Farhat-Naser berichtete aus ihrer jahrzehntelangen Erfahrung in der Friedensvermittlung im Westjordanland, wo die in Hamburg ausgebildete Botanikerin auch lebt. Die Schwierigkeiten der Friedensarbeit in Konfliktgegenden wie Palästina seien leicht zu erkennen: „Für den Krieg ist alles schon vorbereitet, Waffen und Hass. Friedensarbeit aber ist Überzeugungsarbeit.“ Erfolge bräuchten viele Jahre, bis sie sichtbar würden.  Selbst der Glaube an ihre Möglichkeit ist oft verdeckt und muss erst freigelegt werden. „Dazu braucht es eine Selbststärkung der Menschen. Unsere Aufgabe ist es, zu überlegen, wie das gelingen kann.“