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Bei den Planungen der „Weltausstellung Reformation“ in Lutherstadt Wittenberg (20. Mai bis 10. September) hat es „systematische Fehler des Erwartungsmanagements“ gegeben. Die Großveranstaltung wurde inhaltlich sehr intensiv wahrgenommen, sie war aber „zahlenmäßig nicht überlaufen“. Diese Bilanz hat der Theologische Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD, Thies Gundlach (Hannover), gezogen. Er sprach vor der Delegiertenversammlung der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste (AMD) am 27. September in Hannover. Die von der EKD mitveranstaltete Weltausstellung fand vom 20. Mai bis 10. September aus Anlass des 500. Reformationsjubiläums statt. Die Anzahl der registrierten Eintritte lag bei 294.000. Die Kosten beliefen sich auf 20 Millionen Euro.

Bemühungen blieben „oftmals auf die eigenen Reihen konzentriert“

Gundlach zufolge spiegeln die Besucherzahlen die gegenwärtige geistliche Situation wider. Die Erwartung, dass sehr viele Menschen zur Weltausstellung kommen werden, habe die „Individualisierung des Religiösen“ verkannt. Zwar habe die historische und theologische Bildung durch das Reformationsjubiläum „erheblichen Aufschwung“ genommen und eine Vergewisserung der Glaubenden mit sich gebracht. Dies zeigten etwa die hohen Verkaufszahlen der „Lutherbibel 2017“. Zugleich müsse man jedoch feststellen, dass die Bemühungen „oftmals auf die eigenen Reihen konzentriert geblieben sind“. Während die Frage nach Gott für den Reformator Martin Luther (1483–1546) zentral gewesen sei, habe sie nur teilweise als Leitfrage des Reformationsjubiläums thematisiert werden können. Nicht selten sei die kritische Frage gestellt worden, „ob nicht das Linsengericht einer schnellen, am Aktuellen orientierten Öffentlichkeit eingetauscht wurde gegen das Erstgeburtsrecht an theologischen Diskursen zu Gott und Glauben in einer sich zunehmend säkular gebärdenden Welt“.

Reformationsjubiläum ist zu einem „ökumenischen Aufbruch“ geworden

Bund und Länder hätten recht genau gewusst, was sie mit dem Reformationsjubiläum anfangen wollten, etwa Demokratie, Kultur, Städtebau und Tourismus zu stärken. Aus den Reihen der Kirche sei hingegen häufig die Frage aufgeworfen worden: „Was gibt es denn da zu feiern?“ Der interne Klärungsprozess sei oftmals in gegenseitiger Vorhaltungen stecken geblieben: „Während die einen die Herleitung von Demokratie, Bildung, Freiheit und Emanzipation aus der Reformation als ‚Geschichtsklitterung´ bekämpften, plädierten die anderen für ein kleines, bescheidenes und demütiges Jubiläum, weil doch von Luther lediglich der Antisemit, der Bauernmörder und der Türkenhasser übrig bliebe.“ Entgegen erster Befürchtungen sei das Reformationsjubiläum zu einem „ökumenischen Aufbruch“ geworden, der erhebliche Erwartungen an beide Kirchen freigesetzt habe.

Begehbarer Glaubenskurs war „gelungenes Experiment“

Als ein „gelungenes Experiment“ bezeichnete AMD-Generalsekretär Erhard Berneburg (Berlin/Hannover) einen begehbaren Glaubenskurs, den die AMD während der 98-tägigen Weltausstellung in einem Ladenlokal zeigte. Es habe Kontakte zu 7.000 Besuchern gegeben. Zudem begleitete die AMD das Reformationsjubiläum mit einem Magazin, das in einer Auflage von 100.000 Exemplaren verkauft wird und in Bahnhofskiosken, Hotels sowie Einrichtungen der Diakonie erhältlich ist. Das Heft solle Menschen erreichen, die sonst keinen Zugang zur Kirche oder Glaubensthemen haben, so Berneburg. Er äußerte sich ferner zum missionarischen Gemeindekongress „Dynamissio“, der vom 23. bis 25. März mit 2.200 Teilnehmern in Berlin stattfand. Er richtete sich an Pfarrer sowie ehrenamtliche Mitarbeiter in den Gemeinden. Der Kongress hat laut Berneburg dazu beigetragen, neue Wege für Mission im 21. Jahrhundert zu erkunden. Allerdings habe man mit 5.000 Teilnehmern gerechnet. Die geringe Besucherzahl sei sicher mit der Fülle von Veranstaltungen im Reformationsjubiläum zu erklären. Auch die große Koalition an Trägern – darunter EKD, Landes- und Freikirchen – habe die Identifizierung mit dem Vorhaben eher erschwert. Zur AMD gehören die Ämter für missionarische Dienste bzw. Gemeindedienste aller EKD-Gliedkirchen und mehr als 70 Werke und Verbände in Deutschland. Die AMD initiiert missionarische Projekte, unterstützt das evangelistische Engagement und den Gemeindeaufbau. Vorsitzender der AMD ist der badische Altlandesbischof Ulrich Fischer (Karlsruhe).