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Die Krise mache die Versuchung deutlich, „die eigene Verletzlichkeit und die Verletzlichkeit anderer Menschen zu verdrängen“, betont Chalupka.
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Für den evangelisch-lutherischen Bischof Michael Chalupka ist mit der Abschaffung des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag 2019 „ein Denkmal geschleift“ worden. Der Feiertag sei ein „Mahnmal des Schuldbekenntnisses und der Anerkennung einer Minderheit als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger“ gewesen, schreibt Chalupka in einem Gastkommentar für die Wiener Zeitung (Donnerstag, 1. April). Als dem Leiden Jesu gewidmeter Gedenktag sei er auch ein Gedenktag gewesen für die Leiden, die Evangelische in Österreich während der Gegenreformation hatten erdulden müssen. Ein „persönlicher Feiertag“ als Ersatzlösung werde dem nicht gerecht.

Schmerzlich in Erinnerung bleibe insbesondere die Art und Weise, wie der Feiertag von der damaligen türkis-blauen Regierung aufgehoben worden sei: „Der Ton der Missachtung einer Minderheit – 96 Prozent der Bevölkerung seien ja nicht betroffen – und die Demütigung ihrer Repräsentanten hinterlässt als bitteren Beigeschmack die Frage, wie denn eine Regierungspartei mit Gruppen, die nicht wichtig erscheinen, umzugehen gewillt ist.“

Dabei sei der Karfreitag von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung – umso mehr in der Coronakrise – da er an die Verletzlichkeit und Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens erinnere. Die Krise mache die Versuchung deutlich, „die eigene Verletzlichkeit und die Verletzlichkeit anderer Menschen zu verdrängen“. Angesichts dessen wäre der Karfreitag nicht nur als individueller, sondern als gesellschaftlicher Feiertag „höchst angemessen“, so Chalupka. Für ihn stellt sich auch die Frage nach einem Gedenktag für die Opfer der Pandemie „dringender denn je“; sie werde aber von der Politik ignoriert: „Denn mit dem Gedenken ist immer auch die Frage nach der eigenen Verantwortung verbunden.“