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Feierten im Evangelischen Zentrum in Wien: Bischof Michael Chalupka und Pfarrerin Anne Tikkanen-Lippl.
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An die Erschütterung der Welt durch das individuelle Leid der Corona-Pandemie hat der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka in seiner Predigt im ORF-TV-Gottesdienst am Karfreitag, 10. April, erinnert. Gleichzeitig sprach Chalupka bei der Übertragung aus dem Evangelischen Zentrum in Wien den Zuseherinnen und Zusehern Mut zu: Wie Jesus am Kreuz könnten “auch wir alles in Gottes Hände legen. Unsere Ohnmacht angesichts dieses neuartigen Virus; unsere Einsamkeit in der Isolation; die Angst, die uns aggressiv anderen gegenüber werden lässt und verhindert, dass wir ihre Ängste und Bedürfnisse wahrnehmen.” Indem Jesus Christus Mensch geworden ist, sei all dies “menschlich möglich” geworden: “Wir dürfen uns schwach und verletzlich zeigen, wir dürfen nach Hilfe verlangen, wenn doch Gott selbst sich schwach und verletzlich gezeigt hat. Der Karfreitag erlaubt uns dies und zeigt dadurch am Horizont die Auferstehung und das Leben.”

“Wenn ein Einzelner stirbt, wird eine Welt erschüttert”

In seiner Predigt betonte Chalupka, über den vielen Statistiken zur Coronakrise nicht die einzelnen Schicksale zu vergessen, die hinter den Zahlen stünden. “Es gilt immer: Wenn ein Einzelner stirbt, wenn ein Mensch stirbt, dann wird es finster im Land, dann wird eine Welt erschüttert, verliert die Sonne an Glanz.” Was geschehe, gehe die ganze Welt an –  in Zeiten der Krise, aber auch schon davor und danach. Der Karfreitag verweise darauf, dass sich Gott selbst dem nicht entziehe. “Jesus, der Messias erlebt, was wir erleben. Erlebt, was wir gerade in diesen Tagen erleben: das Zerbrechen seiner Welt und das Zerbrechen der Welt derer, die ihn liebten.”

Der Bischof erinnerte auch an das Ringen der Evangelischen Kirchen im zurückliegenden Jahr um den Karfreitag als Feiertag für alle. Als Feiertag für Evangelische und Altkatholiken war er ja von der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung abgeschafft und durch einen persönlichen Feiertag aus dem Urlaubskontingent ersetzt worden. “Ein zusätzlicher Feiertag, an dem nicht der Konsum, der Erfolg, die dynamische Leistungsbereitschaft und das Gefühl der Unbesiegbarkeit im Vordergrund stehen”, sei damals offenbar wenig passend erschienen. “Heute muss uns der Karfreitag nicht mehr daran erinnern, dass die Zukunft nicht verfügbar ist. Heute erleben wir es hautnah.”

Leere Kirchen am Karfreitag erinnern Evangelische an ihre Geschichte

Im vergangenen Jahr seien die Kirchen besonders voll gewesen, da die Evangelischen “ein Zeichen setzen” wollten für die Bedeutung dieses Tages auch für ihre eigene Geschichte als lange verfolgte Minderheit. Heuer, da die Kirchen wegen der Coronakrise leer seien, erinnere sie der Karfreitag wieder an ihre Geschichte. “Zu Zeiten der Gegenreformation, des Geheimprotestantismus, waren öffentliche Gottesdienste verboten, rund 180 Jahre, sieben Generationen lang. Gottesdienst wurde trotzdem gefeiert. Zu Hause.” Auch heute werde zuhause gebetet: “Das Gebet verbindet, auch wenn es nicht in der gemeinschaftlichen Versammlung in einem Kirchenraum gesprochen werden kann.”

An diesem Karfreitag verband das Gebet zudem die Menschen vor den Bildschirmen mit den Feiernden im Evangelischen Zentrum: Erstmals konnten Zuseherinnen und Zuseher bei einem TV-Gottesdienst in Österreich vorab Gebetsanliegen einsenden, die dann während der Feier verlesen wurden.