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Die bestellten Getränke an der Bar verwandeln sich in Wein.
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Alle sechs Jahre werden die Protestanten aufgerufen, die neuen Kirchengemeinderäte und die Mitglieder der Landessynode, zu wählen. Anlässlich der bevorstehenden Kirchenwahl, veröffentlichte die Evangelische Landeskirche in Württemberg am 19. November einen 68-Sekunden langen Werbespot. Dieser wird neben der Verbreitung in den sozialen Medien auch in Kinos in Stuttgart, Ulm, Heilbronn und Sindelfingen gezeigt.

2013 machte nur jeder fünfte Gläubige von seinem Wahlrecht Gebrauch, wie die Stuttgarter Zeitung berichtet. Der Kurzfilm der Agentur Kniff aus Stuttgart möchte am 1. Adventsonntag zu einer hohen Wahlbeteiligung bei den rund 1,8 Millionen wahlberechtigten Mitglieder der Evangelischen Landeskirche in Württemberg führen.

Eine hohe Wahlbeteiligung ist wesentlich, so Landesbischof Frank Otfried July auf der Webseite von kirchenwahl.de: „Jede Wählerin und jeder Wähler unterstützt auf diese Weise unser Kernanliegen in der württembergischen Landeskirche: Dass die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus in Wort und Tat auch in Zukunft die Menschen im Land erreicht, ihnen hilft, sie ermutigt, sie tröstet.“

Das Drehbuch vom Werbespot

Zu sehen ist eine Person, welche bei einem Barkeeper verschiedenen Cocktails nacheinander bestellt. Jedoch verwandelt sich sein Getränk immer wieder in Wein. Im Laufe des Films erkennen die Zuseher, dass es sich beim Gast um einen bärtigen Mann mit langen Haaren handelt und Jesus darstellen soll. Dann wird mit der Botschaft „Er hätte gern die Wahl gehabt! Du hast sie!“ aufgerufen an der Wahl teilzunehmen. Abschließend sieht der Zuschauer den Jesus-Darsteller im Bademantel beim Zähneputzen. Als sich aus das Wasser im Zahnputzbecher in Wein verwandelt, sieht er mit einem genervtem Blick nach oben.

Die Macher der Evangelischen Kirche beschreiben den Film wie folgt: „Ein Mann, der aussieht wie Jesus, eine Bar und ein paar Cocktails. Und dann geht es letztendlich doch um Wein. Was hat das zu bedeuten? Die Macht, etwas verändern zu können, in der eigenen Hand zu haben; das kann nicht jeder von sich behaupten. Durch deine Stimme aber, hast du die Möglichkeit das kirchliche Leben in Württemberg nach deinen Vorstellungen mitzugestalten. Mit diesem Wahl-Werbespot macht die Evangelische Landeskirche in Württemberg mit einem Augenzwinkern auf die anstehende Kirchenwahl am 1. Dezember 2019 aufmerksam. Also: Geh hin und entscheide mit. Du hast die Wahl!“

Gotteslästerung, geschmacklos, geistlos und gefährlich

Bei zahlreichen Christen stößt der Werbesport allerdings auf teils heftige Kritik. Eine Umfrage auf Glaubensimpulse, die größte deutschsprachige christliche Social-Media-Community, kommt zu dem Ergebnis, dass 49 % der 137 befragten Christen den Werbefilm als Gotteslästerung betrachten.

Der Leiter des christlichen Mediendienstes IM (Impuls Medien) und Vorstandsmitglied der Österreichischen Evangelischen Allianz stellt das kommunizierte Kernanliegen der Kirchenleitung in Frage: „Wenn das Kernanliegen der Kirchenleitung tatsächlich die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus wäre, würde die Württembergische Landeskirche seine Mitglieder mit einer christuszentrierten Werbebotschaft zur Wahl einladen“, so Sven Kühne.

Auch der Vorsitzende der Pfarrerarbeitsgemeinschaft Confessio, Tobias Eißler (Ostfildern), kritisiert den Werbespot und findet diesen „geschmacklos, geistlos und gefährlich“. Gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea sagte er: „In einem Kinospot will man cool rüberkommen, hip, witzig. Der Werbespot der württembergischen Kirche an der Bar hätte geistreich geraten können. Wenn zum Beispiel der Barmann verschiedene Getränke ausgibt, die kirchenpolitische Richtungen symbolisieren. Und wenn dann Jesus auftritt, alle Gläser beiseiteschiebt und das Wasser des Lebens reicht.“

Klare Signale auch in evangelischer YouTube-Community

Auch die YouTube-Community vom Evangelisches Medienhaus kritisiert den Clip mit ungewohnter Deutlichkeit. Bis zum 28. November bekundeten ebenfalls 49 % der Bewertungen mittels Like/Dislike ihren Ärger mit dem Werbeclip.

Ein ähnliches Stimmungsbild geben die Kommentare wieder: „Echt traurig... Welcher ‚Theologe‘ auch immer das zu verantworten hat, kennt die Bibel wohl nicht.“ Ein anderer User schrieb:  „Ich bin erschüttert, wie krank muss man sein, um solch einen Werbespot zu veröffentlichen“. Eine andere Gläubige stellt in Frage, ob die Evangelische Kirche in Jesus Gottes Sohn sieht: „Auch wenn dieser Spot dazu ermutigen soll, zur Kirchenwahl zu gehen, ist die Grundaussage: Jesus ist nicht allmächtig und schon gar nicht Gott.“

Pfarrer Thomas Burkard der Evangelischen Kirchengemeinden Unterreichenbach und Kapfenhardt kommentierte auf dem YouTube-Kanal: „Als Pfarrer der Landeskirche kann ich mich nur schämen! Jede Christin und jeder Christ sollte eine heilige Ehrfurcht vor seinem Herrn haben und das hier geht gar nicht! Bei aller Liebe und allem Humor, die es geben darf. Die Kirche soll übrigens nicht "weltoffen" sein, sondern der Welt das ewige Evangelium bringen.“

Landeskirche weist Kritik von sich

"Mit dem Werbeclip möchten wir vor allem Menschen erreichen, die zum Beispiel sonntags nicht regelmäßig zur Kirche gehen", sagte Oliver Hoesch, Sprecher der württembergischen Landeskirche. "Der Spot hat eine gewisse Selbstironie, er ist frisch, lebendig und wir versehen die Botschaft mit einem Augenzwinkern."

Ziel des Werbespots sei es insbesondere „junge Menschen zu erreichen, die nicht regelmäßig sonntags in den Gottesdienst gingen“, so Hoesch gegenüber idea. Das Video enthalte keine „theologischen Botschaften“, sondern möchte die Mitglieder der Landeskirche mit „Selbstironie“ und „einem Augenzwinkern“ zur Wahl einladen.

Werbespot zur Kirchenwahl: Deine Stimme, deine Zukunft - Du hast die Wahl!