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Politisches Engagement, diakonischer Einsatz, Dialog in der pluralen Gesellschaft: Der Zürcher Reformationsbotschafter Christoph Sigrist zog drei Konsequenzen aus der Zürcher Reformation um Ulrich Zwingli.
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Dem Beginn der „reformierten Reformation“ um Ulrich Zwingli vor 500 Jahren widmete sich der diesjährige Reformationsempfang der Evangelischen Kirchen in Österreich am Mittwoch, 23. Oktober. In seinem Festvortrag im Wiener Odeon-Theater analysierte der Zürcher Pfarrer und Reformationsbotschafter Christoph Sigrist die gesellschaftspolitische Wirkung des Schweizer Reformatoren. Zu dem alljährlichen Empfang der österreichischen Protestantinnen und Protestanten anlässlich des Reformationstages am 31. Oktober hatten der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka, der evangelisch-methodistische Superintendent Stefan Schröckenfuchs und Thomas Hennefeld, Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche geladen. Letztere wurde besonders stark von der Theologie Zwinglis geprägt, dessen Amtsantritt als Prediger am Zürcher Großmünster im Jahr 1519 den Beginn der Schweizer Linie der Reformation markiert. Verliehen wurden beim Reformationsempfang zudem der Diakoniepreis für innovative Sozialprojekte und die Auszeichnung für die beste vorwissenschaftliche Arbeit im Themenbereich Evangelische Religion, mit dem Ehrenzeichen den Evangelischen Kirche A.B. wurde Elisabeth Lutter ausgezeichnet.

Hennefeld: Jubiläum Grund zu feiern und zu gedenken

Der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld bewertet das 500-Jahr-Jubiläum der Zürcher Reformation als „Grund zu feiern und zu gedenken“, um das „Erbe Ulrich Zwinglis fruchtbar zu machen“. Die Zürcher Reformation habe sich ausgebreitet und sei nicht in der Schweiz geblieben. Ihre Wirkung reiche so auch bis nach Österreich und insbesondere die reformierte Kirche hinein: „Die reformierte Kirche ist als Ganze mitgeprägt von Ulrich Zwinglis Theologie“, sagte Hennefeld.

Sigrist: Drei Konsequenzen der Reformation für die Gegenwart

Drei Konsequenzen aus der reformierten Reformation in Anschluss an Ulrich Zwingli zog der Zürcher Pfarrer und Reformationsbotschafter Christoph Sigrist. Zunächst unterstrich er den politischen Charakter der Kirche. Den verortet Sigrist mit Zwingli insbesondere in der Aufgabe der Armutsbekämpfung: „Gott ist nicht neutral, sondern politisch. Er nimmt Partei für die Armen.“ Die daraus folgende zweite, ökonomische Konsequenz umriss Sigrist mit der Pointe: „Geld ist diakonisch zu waschen! Gier ist jene Macht, die hortet, nicht hirtet.“ Gerade für die Schweiz und den wichtigen Finanzstandort Zürich sei deutlich, dass ohne entsprechende Ressourcen wenig zu bewirken sei.

Als dritte Konsequenz unterstrich Sigrist die Offenheit von Christinnen und Christen in einer pluralen Gesellschaft. In einem Brief an den französischen König habe Zwingli diesen darauf hin gewiesen, dass er vor Gott nicht nur Gläubigen, sondern auch Herkules und Sokrates begegnen werde. Eine Herausforderung für das Christsein in der pluralen Gesellschaft der Gegenwart bestehe folglich darin, „Räume der Friedensarbeit und Begegnung zu schaffen“. Jede Form von Fundamentalisierung behindere daher den interreligiösen und ökumenischen Dialog, denn „wer im Herzen ängstlich betet, der bricht draußen Herzen.“

Diakoniepreis für „inklusive Gemeinde“ und „Auszeit UHU“

Der jährlich im Rahmen des Reformationsempfangs verliehene Diakoniepreis ging heuer an zwei Projekte. Den Hauptreis erhielt das Projekt „Inklusive Gemeinde“ der evangelischen Pfarrgemeinde Wien-Simmering, das die Teilhabe von Menschen mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund am Gemeindeleben zum Ziel hat. Ein weiterer Preis wurde der Seniorentagesstruktur „Auszeit UHU“ der Pfarrgemeinde Wallern zugesprochen, das sich als ganzheitliches Betreuungsangebot für ältere Menschen versteht. Mit der Auswahl der diesjährigen Preisträger habe sich die Jury zwei Schwerpunkte gesetzt, so Synodenpräsident Peter Krömer: „Zum einen die ehrenamtliche Arbeit in Pfarrgemeinden, zum anderen der Schwerpunkt auf Demenz.“ Vergeben wird der mit 10.000 Euro dotierte Preis von der Evangelischen Kirche A. u. H.B., gestiftet wurde er von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.

Ehrenzeichen für Elisabeth Lutter

Das Ehrenzeichen der Evangelischen Kirche A.B. in Gold überreichte Synodenpräsident Peter Krömer der Wienerin Elisabeth Lutter. Die Initiatorin der „Vernetzten Ökumene Wien West“ setzt sich seit Jahren nicht nur für den Austausch zwischen den christlichen Konfessionen, sondern auch für die Beziehungen zum Judentum ein. So organisiert Lutter etwa seit 2014 die ökumenische Einstimmung in den Tag des Judentums am 17. Jänner. „Ihr Arbeit hat nicht nur für Wien, sondern österreichweit Bedeutung“, sagte der Synodenpräsident. Elisabeth Lutter dankte insbesondere ihrem Mann für die „ökumenische Ehe“ über Jahrzehnte und die „wunderbare Zusammenarbeit im ökumenischen Geist“ vor Ort.

Beste vorwissenschaftliche Arbeit kommt von Laura Schellenberg

Mit dem Preis für die beste vorwissenschaftliche Arbeit zum Themenbereich evangelischer Religion ausgezeichnet wurde Laura Schellenberg. In ihrer von Gerlinde Hanak betreuten Arbeit beschäftigt sich die Salzburger Schülerin mit der Entwicklung der Frauenordination in der Evangelischen Kirche. Dabei zeichnet sie, wie Oberkirchenrat Karl Schiefermair ausführte, den Weg der Gleichberechtigung von der Reformation bis zum Beschluss der Generalsynode 1980 nach und bietet dabei auch „ein gutes Bild der gegenwärtigen Arbeit von Pfarrerinnen“. Das Thema habe sie angesprochen, „weil ich selber Pfarrerin werden möchte“, kündigte die junge Preisträgerin an.

Christliche Begegnungstage 2020 in Graz

Einen Ausblick auf die christlichen Begegnungstage im kommenden Jahr in Graz gab Bischof Michael Chalupka. Zu dem „mitteleuropäischen Kirchentag“ werden vom 3. bis zum 5. Juli Besucherinnen und Besucher aus neun Ländern in der steirischen Landeshauptstadt erwartet. Unter dem Motto „Von Angesicht zu Angesicht“ „wollen wir miteinander und nicht übereinander reden“, sagte der Bischof. Gastgeberinnen sind die drei evangelischen Kirchen in Österreich und die römisch-katholische Diözese Graz-Seckau. Die Anmeldung zu den Begegnungstagen ist ab sofort unter www.face2face2020.at möglich.

Musikalisch begleiteten den Empfang das Ensemble „Unidas“ mit Sopranistin Theresa Dlouhy und Eva Reiter an der Gambe sowie die Alphornbläser Judith Pudill, Florian Gurdet und Nikolaus Löschberger. Es moderierte die Wiener Pfarramtskandidatin Julia Schnizlein-Riedler.