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v.l.n.r.: Bischof Michael Chalupka in der Pressestunde mit Matthias Westhoff und Johanna Hager.
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Den Wert der Pfarrgemeinden als Orte, an denen Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen zusammenkommen betonte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka in der ORF-Pressestunde vom Sonntag, 20. Oktober. Im Gespräch mit Johanna Hager vom Kurier und Matthias Westhoff vom ORF unterstrich Chalupka: „In der Kirche treffen sich ganz unterschiedliche Menschen nicht, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen, sondern um etwas Höheres in ihr Leben zu lassen.“ Das mache Religion, das mache Christentum aus, sagte Chalupka, „dass ich als ganzer Mensch nicht alleine auf mich angewiesen bin, und wir das in der Gemeinschaft feiern könne.“ Deshalb brauche es die Evangelische Kirche gerade in einer Zeit, in der es so stark ums Ego geht.“

Kirche sei dabei aber nie nur lokal oder regional, sondern immer weltweit, und daher auch global verantwortlich: „Wenn wir im Gottesdienst das Glaubensbekenntnis sprechen, dann machen das gleichzeitig auch Menschen auf Kiribati. In einer Kirche, die es in 20 Jahren aber vielleicht nicht mehr gibt, weil der Meeresspiegel angestiegen ist“, hob Chalupka die Notwendigkeit der Kirchen auch in Fragen der Klimagerechtigkeit hervor.

Klimaschutz: Politische Maßnahmen und individuelle Verantwortung

Beim Klimaschutz gelte es, die wissenschaftliche Faktenlage ernst zu nehmen. Politische Rahmenbedingungen und eigenverantwortliches Handeln dürften nicht als ausschließende Optionen missverstanden, sondern müssten gleichzeitig eingefordert werden. Von politischen Entscheidungsträgern jedenfalls erwartet sich Chalupka die Bereitschaft, „sich selbst ernst zu nehmen“ und das, was in Verträgen ausgehandelt worden sei, auch umzusetzen. Mit Blick auf die bevorstehende Regierungsbildung zeigt sich Chalupka jedoch optimistisch, dass dem Thema in einem künftigen Koalitionsabkommen entsprechende Priorität eingeräumt werde: „Jetzt haben alle Parteien das Klimathema entdeckt“, das die Kirchen schon 1989 mit dem Start des konziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung auf ihre Agenda gehoben hätten.

„Rede von humanitärer Hilfe vor Ort muss mit Substanz gefüllt werden“

Anlässlich der aktuellen Lage in Nordsyrien unterstrich Chalupka die Notwendigkeit von Hilfsmaßnahmen in von humanitären Krisen betroffenen Regionen: „Der Auslöser der Flüchtlingskrise 2015 war, dass die Menschen in den Lagern vor Ort nicht mehr ausreichend versorgt werden konnten“. Einem ähnlichen Szenario sei vor allem mit Blick auf den bevorstehenden Winter entgegenzuwirken. 11 Millionen Menschen seien in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen: „Das Wichtigste ist, ihnen eine Situation zu ermöglichen, die sie überleben lässt.“ Den Anteil Österreichs an den internationalen Hilfeleistungen hält Chalupka für zu gering. Drei Euro pro Einwohner leiste die Republik jährlich an humanitärer Hilfe. Skandinavische Länder brächten hier bis zu 90 Euro pro Kopf und Jahr auf: „Die Rede von der humanitären Hilfe vor Ort muss mit Substanz gefüllt werden.“

Im Umgang mit Flüchtlingen in Österreich setzt Chalupka auf Integration: „Ängste und Sorgen bekomme ich am besten Weg, indem ich die Menschen kennenlerne.“ Zudem vermisse er den früheren Grundkonsens, dass Menschen, „die wirklich Schutz suchen“, auch zu helfen sei: „Diesen Konsens würde ich gerne wieder herstellen.“

Pflege: „Nicht nur neues Geld in alte Schläuche“

Im Pflegebereich sieht es der evangelische Bischof nicht als ausreichend an „neues Geld in alte Schläuche zu gießen“. Es brauche eine umfassende Pflegereform. Zentral sei es dabei, Pflegeangebote bedarfsgerechter zu gestalten. So seien österreichweit nur etwa 8000 Menschen in Tagesbetreuungszentren, zugleich würden aber die meisten Angehörigen gerade durch diese die größte Entlastung spüren: „Zwischen mobiler Pflege und Pflegeheim oder 24h-Pflege braucht es mehr verschiedene Angebote“, so Chalupka, der zudem eine Attraktivierung des Pflegeberufes fordert. Auf pflegende Angehörige zu Vertrauen – die zudem selbst immer älter würden – sei kein gangbarer Weg. Vielmehr sei mit der Aufnahme aller Pflegeberufe in die Mangelberufsliste und durch erleichterte Vergabe von Rot-Weiß-Rot-Karten dem Fehlen von Fachpersonal entgegenzusteuern.   

Karfreitag: Runder Tisch notwendig

In der Diskussion um den Karfreitag hofft Chalupka auf eine politische Lösung. Dazu brauche es einen runden Tisch, der Kirchen und Sozialpartner mit politischen Entscheidungsträgern zusammenbringe. Die aktuelle Regelung mit einem „persönlichen Feiertag“ sei eine „Husch-Pfusch-Lösung“. Ziel sei es, den Karfreitag als Feiertag für alle zu etablieren. Alternativ sei ein individueller, zusätzlicher Feiertag, der nicht aus dem bestehenden Urlaubskontingent zu bestreiten ist, oder ein Abtausch mit einem anderen Feiertag denkbar. Der Karfreitag sei gesamtgesellschaftlich wichtig, weil an ihm „das Brüchige im Leben, das Leiden“ thematisiert werde: „Da schauen wir gerne weg.“

Seit 1. September ist Michael Chalupka Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich mit rund 280.000 Mitgliedern. Am 13. Oktober wurde der Nachfolger von Michael Bünker feierlich in sein Amt eingeführt.