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Protest gegen die neue Karfreitagsregelung und zeigen, wofür Kirche in der Stadt steht.
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Bei einer Protestaktion in der Wiener City, an der sich mehrere Hundert Menschen Freitagmittag vor den evangelischen Kirchen in der Dorotheergasse beteiligt haben, haben VertreterInnen der Kirchen den Wert des Karfreitags unterstrichen und ihren Unmut über die neue Regelung ausgedrückt. Erstmals ist der Karfreitag für Evangelische und Altkatholiken kein gesetzlicher Feiertag mehr, stattdessen wurde von der Regierung ein „persönlicher Feiertag“ eingeführt, der aus dem Urlaubskontingent zu nehmen ist.

„Wir wollen zeigen, dass wir mit der Neuregelung nicht einverstanden sind, auch nicht mit dem Umgang mit uns als religiöser Minderheit und auch nicht mit dem immer stärkeren Abdrängen von Religion in den privaten Bereich“, sagte Petra Mandl, die als Wiener Superintendentialkuratorin das weltliche Pendant zum Superintendenten bildet. „Jede Minderheit sollte doch das Recht in einer offenen Gesellschaft zugestanden bekommen, dass wir unseren Glauben auch öffentlich Leben und einen Feiertag in Anspruch nehmen können“, meinte Superintendent Matthias Geist und kritisierte erneut die Streichung des Karfreitags als Feiertag durch die Regierung. Kirche sei wichtig, so Geist weiter, „hier und heute, auch im säkular-geprägten Wien“.

Das Kreuz, auf das sich der Blick am Karfreitag richte, sei „kein harmloses Kulturlogo, aber auch keine Waffe, die man gegen Andersdenkende oder Andersglaubende richten darf“, mahnte der reformierte Theologe und Medizinethiker Ulrich Körtner bei der Veranstaltung, zu der die Evangelische Kirche A.B. in Wien, die Evangelische Kirche H.B. in Österreich, die Evangelisch-methodistische Kirche in Österreich und die Altkatholische Kirche eingeladen hatten. Vielmehr stehe das Kreuz für die „bedingungslose Würde aller Menschen, insbesondere der Bedürftigen und Schwachen, und für eine Kultur der Barmherzigkeit und der Mitmenschlichkeit.“ Körtner: „Wem es mit alldem ernst ist, der sollte für den Karfreitag als gesetzlichen Feiertag für alle eintreten. Stattdessen hat die Bundesregierung den Karfreitag auf dem Altar wirtschaftlicher Interessen geopfert.“

Der Karfreitag lenke den Fokus auf das Leiden in der Welt, erklärte der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld, „auch in dieser Stunde müssen Menschen Dinge ertragen, die wir uns kaum vorstellen können. Es geht viel mehr als um einen freien Tag. Es geht darum, sich der Gewalt, dem Leid, der Qual von Menschen zu stellen, sie nicht zu verdrängen, sie nicht zu verschweigen.“ Zugleich zeige das Kreuz, „dass es einen anderen Weg gibt als als Rache und Selbstgerechtigkeit. Diese Botschaft sei „nichts Privates und Persönliche“, sondern müsse „hinausgerufen werden in die Welt, in die Gesellschaft, in diese Zeit“.

Stefan Schröckenfuchs, Superintendent der evangelisch-methodistischen Kirche, sprach vom „Kreuz Christi, das uns die Würde aller Menschen vor Augen hält, insbesondere die Würde der Schwachen und derer, die an den Rand gedrängt werden“. Der altkatholische Pfarrer Thomas Wetschka erinnerte daran, dass sich alle vier Kirchen erstmals gemeinsam an einem Ort „auf das Leiden und Sterben Christi“ besinnen: „Wir spüren die Hoffnung und die Kraft, die aus dieser radikalen Hingabe Gottes zu uns Menschen erwächst. Und aus dieser Kraft heraus setzen wir uns ein für unsere Mitmenschen.“

Direkt im Anschluss an die Vormittags-Gottesdienste hatten sich VertreterInnen der 30 evangelischen und altkatholischen Pfarrgemeinden in die Dorotheergasse aufgemacht. Dabei trugen die PfarrerInnen ihren Talar, auch in den U-Bahnen und Straßenbahnen. Angekommen in der Dorotheergasse klebten evangelische Jugendliche allen ein Kreuz aus Pflastern aufs Gewand – das Symbol der gemeinsamen Aktion. Es sei kein Trostpflaster, eher ein Wundpflaster, so die 19-Jährige Hannah Rippel. „Das Kreuz aus Pflastern ist ein Zeichen dafür, dass die neue Karfreitags-Regelung uns getroffen und verletzt hat. Es wird bestimmt auch eine Narbe geben. Aber wir machen weiter und leisten unseren Beitrag für die Wiener Gesellschaft“, so die Floridsdorferin, die seit Jahren in der Evangelischen Jugendarbeit ehrenamtlich aktiv ist.

Rehner: „Ein persönlicher Feiertag ist kein Feiertag“

In Graz haben die steirischen Kirchen bei einem öffentlichen Gottesdienst am Färberplatz die Bedeutung des Karfreitag für den christlichen Glauben hervorgehoben. „Ein Feiertag, der nur für mich persönlich gilt, ist kein Feiertag. Es gehört unabdingbar dazu, dass wir miteinander feiern können“, sagte der steirische evangelische Superintendent Wolfgang Rehner. „Ohne Karfreitag gebe es kein Osterfest“, betonte der römisch-katholische Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl. Beim sensiblen Thema der gesetzlichen Feiertage stehe die Konsensfähigkeit einer Gesellschaft auf dem Prüfstand.

Mehrere evangelische Pfarrgemeinden, so etwa Bludenz, Feldkirch, Dornbirn, Bregenz oder Vöcklabruck ließen die Glocken zu einem „Mahnläuten“ erklingen. Bregenz schaltete eine Todesanzeige in den „Vorarlberger Nachrichten“, „Wir gedenken des Todes von Jesus von Nazareth“, hieß es darin. In mehreren Pfarrgemeinden waren „Partezettel“ für den Karfreitag in den Schaukästen zu sehen. Andere Gemeinden luden zu „Gedenkgottesdiensten“ für den Karfreitag ein, der, wie ein kursierender „Partezettel“ verkündete, „am 27. Februar gestorben“ war. An diesem Tag war seine Abschaffung im Nationalrat beschlossen worden. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Evangelisch-theologischen Fakultät in Wien brachten mit einer Karfreitagsparte auf der Fakultätshomepage ihren Unmut zum Ausdruck.