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„Der Zugang zu wirksamem Rechtsschutz ist ein grundlegendes rechtsstaatliches Prinzip. Den Rechtsschutz in einem so grundrechtssensiblen Bereich zu beschneiden, fügt dem österreichischen Rechtsstaat schweren Schaden zu", heißt es in der Stellungnahme des Oberkirchenrats.
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Zur Gänze abgelehnt hat die Evangelische Kirche A.u.H.B. in Österreich den Gesetzesentwurf, mit dem die „Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen“ errichtet und dadurch die bisher unabhängige Rechtsberatung im Asylverfahren „de facto abgeschafft“ werden soll. „Der Zugang zu wirksamem Rechtsschutz ist ein grundlegendes rechtsstaatliches Prinzip. Den Rechtsschutz in einem so grundrechtssensiblen Bereich zu beschneiden, fügt dem österreichischen Rechtsstaat schweren Schaden zu. Die Rechtsberatung und Rechtsvertretung muss die Interessen und Parteienrechte von Schutzsuchenden vor Gericht bestmöglich wahren und unabhängig sein“, heißt es in der Stellungnahme des Evangelischen Oberkirchenrates A.u.H.B. Durch die geplante Änderung verlieren „Menschen, die vor Verfolgung, Krieg und Terror geflüchtet sind, ihr Recht auf ein faires Asylverfahren“.

„Fundamentale Menschenrechte für Schutzsuchende“ würden durch die Neuregelung ausgehöhlt, warnt der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker. Zugleich werde „eine ganze Gruppe besonders verletzlicher Menschen“ dadurch ausgegrenzt. „Das steht im Widerspruch zu einer christlichen Ethik der Barmherzigkeit und Nächstenliebe und zu den Grundprinzipien der Humanität, auf denen unsere Gesellschaft beruht.“ Die Menschenrechte hätten uneingeschränkt und für alle zu gelten, hält Bünker gegenüber dem Evangelischen Pressedienst fest. Die Unabhängigkeit der Rechtsberatung für Asylwerbende habe das bisher sichergestellt.

Kritisiert wird in der Stellungnahme, die vom zuständigen geistlichen Oberkirchenrat Karl Schiefermair und dem juristischen Oberkirchenrat Dieter Beck unterzeichnet wurde, der „offensichtliche Interessenskonflikt“, der sich durch die Verstaatlichung der Rechtsberatung ergebe. Rechtsberater und Rechtsberaterinnen, die dem Innenministerium unterstellt seien, „können nicht im ausschließlichen Interesse der Schutzsuchenden“ handeln. Gleichzeitig würden dem Ministerium unterstellte Bedienstete Schutzsuchende beraten und vertreten, deren eigene Behörde zuvor die Anträge dieser Personen negativ beschieden habe. An diesem Interessenskonflikt könne auch die Bestellung eines Bereichsleiters aus dem Justizministerium nichts ändern.

Gerade in Asylverfahren, in denen jede falsche Entscheidung zu schwersten Folgen für die Betroffenen führen könne, „müssen Entscheidungen rechtsrichtig sein“, hält die evangelische Kirchenleitung fest und erinnert dabei an die hohe Fehlerquote der Entscheidungen in der ersten Instanz. 42,7 Prozent der erstinstanzlich negativen Asylentscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) sind zuletzt vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben worden, hier liege auch „das Hauptproblem im österreichischen Asylverfahren“. Die Gefahr wachse, „dass solche rechtswidrigen Entscheidungen nicht mehr revidiert werden, weil die Betroffenen keinen Zugang zu wirksamem Rechtsschutz erhalten“. Wenn die Bundesregierung wie angekündigt Einsparungen und Qualitätssicherung erreichen wolle, sollte die „frappierend hohe Fehlerquote des BFA durch Verbesserung der Qualität seiner Entscheidungen gesenkt werden und nicht durch Abschaffung der unabhängigen Rechtsberatung und Einschränkung der Rechtsberatung insgesamt“.

Negativ beurteilt der Oberkirchenrat in seiner Stellungnahme auch den Abänderungsantrag zum BFA-Verfahrensgesetz, der kostenlose Rechtsberatung für Asylwerbende nur „nach Maßgabe der faktischen Möglichkeiten“ gewährt, wie es in der Gesetzesvorlage heißt. Auf eine Rechtsberatung bestehe kein Rechtsanspruch mehr. Zudem soll nach dem Gesetzesentwurf, dessen Begutachtungsfrist am Freitag, 12. April, endet, auch die Aufgabe der Menschenrechtsbeobachtung bei Abschiebungen künftig von Mitarbeitern der Bundesagentur durchgeführt werden. „Es ist nicht zulässig, dass in diesem Bereich die kontrollierte und die kontrollierende Stelle letztlich die gleiche ist“, hält die evangelische Kirchenleitung fest. Das widerspreche den europarechtlichen Vorgaben.

Angesichts der Verpflichtungen der Republik Österreich aus der Europäischen Grundrechtecharta und der Menschenrechtskonvention schließt sich der Oberkirchenrat in seiner Stellungnahme der Resolution der Generalsynode vom 8. Dezember 2018 an und appelliert an die österreichische Bundesregierung, die Unabhängigkeit der Rechtsberatung und der Menschenrechtsbeobachter zu wahren.