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Der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, bei seinem Bericht vor der Synode.
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Die EKD steht in der Pflicht, in den kirchlichen Reihen „Null-Toleranz“ gegenüber Sexualstraftätern und ihren Mitwissern zu zeigen. Das erklärte der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München), in seinem Bericht am 11. November vor der EKD-Synode in Würzburg. Sexualisierte Gewalt stehe im tiefen Widerspruch zur radikalen Liebe, für die die Kirche stehe. Bedford-Strohm: „Ich bitte alle Menschen, denen solches Leid im Raum der evangelischen Kirche widerfahren ist, im Namen des Rates der EKD um Vergebung.“ Die evangelischen Kirchen müssten „noch intensiver an Präventionskonzepten und zielgenauer Aufarbeitung arbeiten“. So wolle die EKD die Zusammenarbeit mit der Unabhängigen Kommission zur Aufklärung sexuellen Kindesmissbrauchs ausbauen. Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs habe die Arbeit als Sprecherin des „Beauftragtenrates der EKD Sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche – Prävention, Intervention, Aufarbeitung und Hilfe“ aufgenommen.

„Gefühl des Kontrollverlustes entstanden“

Ferner äußerte sich Bedford-Strohm zur politischen Situation in Deutschland. Es mache sich „ein neues Gefühl von Verunsicherung breit“. Obwohl das Land reich gesegnet sei, wüchsen Sorge und Unzufriedenheit. Angesichts globaler Unwägbarkeiten und von Migrationsbewegungen sei „ein Gefühl des Kontrollverlustes entstanden“, gegen das rationale Argumente schwer ankämen. In Europa verstärkten rechtspopulistische Kräfte Angstgefühle und spalteten die Gesellschaft. Zugleich gebe es ermutigende Beispiele demokratischen Engagements“. Dazu zähle etwa eine Kundgebung am 13. Oktober in Berlin, bei der 240.000 Menschen gegen Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit demonstrierten. Bedford-Strohm: „Es war, als ob die Zivilgesellschaft ihre Sprache wiedergefunden hat.“ Dies könne die „Seele eines Landes prägen“.

Scharfe Kritik an AfD-Vertretern

Scharfe Kritik übte Bedford-Strohm an Vertretern der AfD. Man dürfe nicht zulassen, dass das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet oder die Verbrechen der Nationalsozialisten als „Vogelschiss der Geschichte“ bezeichnet würden. Die nachträgliche Relativierung solcher Entgleisungen ändere nichts an dem Denken, das dahinterstehe. Wer eine solche Partei wähle, müsse wissen, dass er einem „gefährlichen Denken Legitimation“ verleihe. Bedford-Strohm: „Es ist der Nährboden für rechte Wirrköpfe oder zynische antisemitische Ideologen, die auch vor offener Beleidigung oder sogar Gewalt gegen Juden nicht zurückschrecken.“ Es sei die Aufgabe aller Demokraten, sich dem zu widersetzen: „Und wir als Christen sollten dabei in der ersten Reihe stehen.“

Das Dilemma der Kirche: Erwartet wird ein klares Profil – nur welches?

Zur Zukunft der Kirche erklärte Bedford-Strohm, man müsse anerkennen, wie radikal der Pluralismus geworden ist. Die Menschen fühlten sich heute durch völlig unterschiedliche Frömmigkeitsformen angesprochen: „Die einen erwarten Offenheit für buddhistische Meditation. Die anderen sehen genau darin das Verhängnis und fordern ein klares und eben auch exklusives Bekenntnis zu Jesus Christus.“ Dies sei das Dilemma der Kirche. Erwartet werde ein klares Profil. Aber die Meinungen gingen auseinander, worin dieses Profil bestehen solle. Bloße Traditionspflege könne zu einer „Selbstbezogenheit führen, die den Glauben eher verwaltet als wirklich ausstrahlt“. Dadurch gerate man in immer größere Distanz zu den Menschen. Viel zu oft klinge es „hölzern oder wie eine angelernte theologische Wahrheit“, wenn die Kirche von Jesus Christus rede. Bedford-Strohm: „Nur wer innerlich strahlt, kann auch ausstrahlen.“ Der EKD-Ratsvorsitzende forderte dazu auf, sich von unterschiedlichen Frömmigkeitsstilen „produktiv verunsichern zu lassen“: Von den Charismatikern könne man Begeisterung lernen, von den Evangelikalen, dass immer Christus im Zentrum stehen müsse, von den Aufgeklärten, dass der Glaube kritisch infrage gestellt werden müsse und von den Engagierten, dass die Hinwendung zum Nächsten zum Christsein gehöre.