Für Kritik hat ein Besuch lutherischer Bischöfe bei der Islamischen Gemeinde Nürnberg gesorgt. Sie wird vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet und soll Verbindungen zur radikal-islamischen Muslimbruderschaft haben. Es stellt sich die Frage: Ist die Kirche im Umgang mit dem Islam zu naiv? In einem Pro und Kontra dazu antworten der Politikwissenschaftler Johannes Kandel (Berlin) und der Nürnberger evangelische Regionalbischof Stefan Ark Nitsche.
Pro: Die Kirche zeigt oft ein defizitäres Verständnis vom Islam
Kandel zufolge verhält sich die Kirche gegenüber dem Islam zu naiv. Ein substanzieller Dialog sei nur sinnvoll, wenn die Partner über den jeweils anderen gut unterrichtet sind: „Das wird in der Kirche unzureichend geleistet und führt dann zur Auswahl der falschen Partner und inhaltlichen Fehlentscheidungen.“ Die Kirche zeige oft ein defizitäres Verständnis vom Islam. Dieser erhebe nicht nur einen religiösen Wahrheitsanspruch, sondern zugleich einen politisch-ideologisch begründeten Herrschaftsanspruch. Die Dominanz des Islam solle weltweit durchgesetzt werden, wobei die Methoden breit gefächert seien. Kandel: „Sie reichen von friedlicher Mission („da´wa“) bis zum militärischen Dschihad.“ Vor diesem Hintergrund sei es für den interreligiösen Dialog unbedingt notwendig, sich über die Ziele, Inhalte, Strukturen und Methoden der jeweiligen Dialogpartner zu unterrichten. Dazu gebe es viele öffentlich zugängliche Quellen und Experten, darunter auch die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. „So ließen sich gemeinsame Auftritte (wie in Nürnberg) und partielle Kooperationen mit mutmaßlich islamistischen Verein vermeiden“, schreibt Kandel.
Kontra: Keine Gespräche mit Muslimen zu führen, das wäre naiv
Regionalbischof Nitsche vertritt die Gegenmeinung. Nach seinen Worten wäre es naiv, sich nicht auf Gespräche mit Muslimen einzulassen. Es gebe islamische Theologen, die im Geist der Aufklärung an einer theologisch lauteren Darstellung des Islam arbeiteten. Sie mache es möglich, „aus der Mitte der eigenen Glaubensüberzeugung heraus in unserer Gesellschaft anzukommen“. Dieser Weg sei nicht leicht, und nicht wenige islamische Gemeinden und Verbände täten sich schwer, sich dieser neuen Theologie zu öffnen: „Wenn wir wollen, dass Frieden sein kann in unserem Land, dann sollten wir unseren Beitrag dazu leisten, dass dieses innerislamische Suchen gelingt.“ Dazu brauche es eine klare Position in der eigenen christlichen Glaubensüberzeugung. Notwendig sei ferner eine ebenso klar formulierte Erwartung im Blick auf die unverhandelbaren, tragenden Werte der Gesellschaft. Auf dieser Grundlage müsse man mit allen reden, die sich darauf einlassen.