Achtzehn führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Gentechnologie aus sieben verschiedenen Ländern fordern internationale Richtlinien für Genmanipulation, berichtet nature.com am 13. März 2019. Das sogenannte Moratorium, ein vertraglich vereinbarter oder gesetzlich angeordneter Aufschub, soll für die Erbgutveränderung menschlicher, vererbbarer DNA gelten.
Bei der künstlichen Befruchtung können sogenannte In-vitro-Embryonen bereits jetzt auf genetisch vererbbare Krankheiten geprüft werden. Im November 2018 erregte der Fall der „Genbabys“ große Aufmerksamkeit. Der chinesische Forscher He Jiankui behauptet, dass durch seine Arbeit zwei genveränderte Babys auf die Welt gekommen sind, die nun resistent gegen HIV sind, berichtet DIE ZEIT. Auch andere Wissenschaftler wollen Menschen „verbessern“ und genetische Erbkrankheiten heilen. Möglich macht das eine neue, umstrittene Gentechnik: Crispr/Cas9, kurz Crispr.
Im Dezember 2015 wurde beim ersten internationalen Gipfeltreffen zum Thema menschliche Genmanipulation folgendes beschlossen: „Genetisch veränderte Babys zu erschaffen sei unverantwortlich. Der klinische Gebrauch von Genmaterial sollte nicht fortgeführt werden, außer es werden Sicherheitsvorschriften eingehalten und es herrscht ein gesellschaftlicher Konsens über den Gebrauch.“
Wie He Jiankui zeigt, ist dieses Statement zu wenig, um Wissenschaftler von der Manipulation von Embryonen abzuhalten. Deshalb fordert das Expertengremium verbindlichere Richtlinien, jede Regierung könnte aber eigene Entscheidung treffen. Das Moratorium soll kein permanentes Verbot von Experimenten mit menschlicher DNA sein, sondern die Verwendung von menschlichen Embryonen soll erst nach fünf Jahren Lagerung erlaubt sein. Außerdem schlagen sie vor, dass die Gründe für die Experimente transparent sein müssen.
„Die unantastbare Würde des Menschen“
"Das christliche Menschenbild und die unantastbare Würde jedes Menschen dürfen niemals in Gen-Laboren zur Experimentiermasse werden", schrieb die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer auf Twitter, nachdem der Fall der „Genbabys“ publik wurde. Die Politikerin fordert einen „internationalen Pakt für die Menschenwürde – mit verbindlichen und harten Sanktionen."
Auch die Evangelische Kirche in Österreich warnte vor unkalkulierbaren Folgen von Veränderungen am Erbgut des Menschen. Der Wiener evangelische Theologe und Medizinethiker Ulrich H.J. Körtner sagt, dass das Experiment von He Jiankui „ganz unethisch“ sei, berichtet der Evangelische Pressedienst. Körtner forderte ebenfalls rechtliche Rahmenbedingungen auf internationaler Ebene und eine Aufsichtsbehörde für Genforschung. UNO und EU müssten hier tätig werden: „Natürlich kann man immer sagen, es gibt Forscher, die Techniken missbrauchen. Aber das sollte uns nicht entmutigen, zu versuchen, einen ethischen Konsens international aufrechtzuerhalten.“
Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger meint: „Wir brauchen in der Biogenetik ähnliche Schutzstandards wie bei den Menschenrechten. Sonst stehen am Ende Perfektionierung und Selektion", berichtet DIE ZEIT.
Wer soll die Richtlinien festlegen?
Bis dato haben 30 Nationen Genmanipulation verboten, darunter auch Österreich. Doch das Beispiel China zeigt, dass es an der Zeit für internationale Richtlinien ist. Die Expertengruppe, die ein Moratorium will, merken an, dass dieses moralisch heikle Thema die gesamte Menschheit betrifft und man deshalb einen gemeinsamen Weg einschlagen sollte.
Der Entscheidungsprozess sollte nicht nur von Wissenschaftlern dominiert werden, keine Gruppe sollte die Macht bekommen ihre Interessen durchzusetzen. Genmanipulation hat so weitreichende Konsequenzen, dass nicht eine Handvoll Menschen das allein entscheiden sollte, so die Experten. Sie schlagen das Netzwerk „Global Genome Editing Observatory“, zu Deutsch Observatorium der globalen Genmanipulation, als weltweite Plattform vor. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnte der Koordinator des Prozesses, welche Richtlinien eingeführt werden, sein. Doch dieser Prozess könnte noch Jahre dauern.