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In Hongkong verteidigte Forscher He Jiankui am 28. November sein Gen-Experiment an Babys.
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Kirchenvertreter haben besorgt auf die mutmaßliche Geburt der ersten zwei genmanipulierten Babys in China reagiert. Eine unabhängige Bestätigung des Versuchs gibt es bislang nicht. Der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München), sagte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung, dass – wenn die Angaben stimmten – eine ethisch hochproblematische Grenze überschritten worden sei. Genetische Eingriffe in die Keimbahn wirkten sich auf alle Nachkommen aus. Damit öffne sich die Tür für das gezielte Formen des Designs eines zukünftigen Menschen. Das stehe im Widerspruch zum christlichen Verständnis des Menschen, das ihn als Bild Gottes sehe. Dem katholischem Weihbischof Anton Losinger (Augsburg) zufolge handelt es sich um ein Menschenexperiment. Gentechnik lehne er solange nicht ab, wie sich die Folgen der Technik klar abschätzen ließen: „Wir brauchen daher in der Biogenetik ähnliche Schutzstandards wie bei den Menschenrechten. Sonst stehen am Ende Perfektionierung und Selektion.“ Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, der evangelische Theologieprofessor Peter Dabrock (Erlangen), sprach von einem Super-GAU.

„Wort und Wissen“: Nutzen- und Risikoabwägung ist vorläufig und subjektiv

Der für die Evangelikale Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“ tätige Chemiker Harald Binder (Konstanz) warnte vor zu schnellen Einschätzungen ohne wissenschaftliche Beurteilung und Dokumentation der Daten. Er gab auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea zu bedenken, dass auch in der Vergangenheit Wissenschaftler sehr mutig Experimente an Menschen vorgenommen hätten – etwa bei der Entwicklung von Impfmethoden –, „die vermutlich keine Ethikkommission genehmigt hätte“: „In den Fällen, in denen die Versuche zu inzwischen etablierten Impfungen geführt haben, wird das heute im Rückblick nicht kritisiert, sondern in Anspruch genommen.“ Wer jetzt eine ethische Bewertung vornehme, sollte ebenso deutlich sagen, „dass die in der Regel zugrundeliegenden Abwägungen von Nutzen und Risiken natürlich nur jeweils vorläufig und subjektiv sind. Wir haben bei aller Popularität von Ethikkommissionen eine eng begrenzte ethische Kompetenz.“ Unter Berücksichtigung biblischer Aspekte bleibe festzuhalten, dass der Kern ethischer Positionen in den Zehn Geboten liege. Die Menschen schienen „nicht sehr erfolgreich zu sein in der Bemühung, ethische Leitlinien zu formulieren und diese zu begründen“.

Bioethiker: Westen sollte „moralische China-Allergie“ ablegen

Der Bioethiker und Sinologe Ole Döring (Berlin/Hongkong) forderte derweil den Westen auf, seine „moralische China-Allergie“ abzulegen. Hätten britische Forscher den Versuch gemacht, wäre die Reaktion anders gewesen, weil sie zum abendländischen Kulturkreis gehörten, sagte er im Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“. Gerade jetzt müsste man „im großen Stil“ mit den chinesischen Kollegen zusammenarbeiten. Die meisten Forscher dort hätten moralische Bedenken, würden aber damit alleingelassen. Der chinesische Wissenschaftler Jiankui He soll im Rahmen eines Projekts künstliche Befruchtungen mit Geschlechtszellen von sieben Paaren vorgenommen haben, bei denen jeweils die Männer HIV-infiziert waren, die Frauen dagegen nicht. Unter Anwendung einer Methode zur Genmanipulation (CRISPR-Cas9) soll das Erbgut in den Spermien derart verändert worden sein, dass ein Gen (CCR5) ausgeschaltet wurde. Das entsprechende Genprodukt ermöglicht dem HI-Virus das Eindringen in Zellen. Wenn dieses Protein in der Zelle nicht hergestellt wird und damit auch die entsprechende Funktion nicht entfalten kann, kann keine Infektion erfolgen. Den Angaben zufolge konnte bei 16 von 22 auf diese Weise erzeugten Embryonen ein verändertes Erbgut nachgewiesen werden. Elf dieser Embryonen sollen „Leihmüttern“ implantiert worden sein. Daraus gingen dann die genmanipulierten Babys hervor. Es soll sich um Zwillingsmädchen handeln.