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Eine Million Bibeln für chinesische Christen werden verladen.
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In der Nacht auf den 18. Juni 1981, also vor genau 40 Jahren, lieferten 20 Männer in geheimer Mission unter der Leitung von Open Doors eine Million Bibeln per Boot an die Küste von China. Einer von ihnen war Paul Estabrooks, der einen Einblick in diese Operation wie auch in die heutige Situation im »Reich der Mitte« gewährt.

»Im Jahr 1977 war China ein dem Westen verschlossenes Land. Mao Zedong war gerade gestorben und die Folgen der Kulturrevolution waren noch sehr präsent«, erinnert sich Paul Estabrooks, damals Projektleiter für Asien bei Open Doors.
Von seinem Büro in Manila aus half er chinesischen Christen. »Um jedem Christen, den wir kennen, eine Bibel zu geben, bräuchten wir eine Million«, drängte Mama Kwang (Name geändert), eine der Kontaktpersonen, die auch für ein großes Netzwerk chinesischer Untergrund-Hauskirchen verantwortlich war.

Es sollte vier Jahre dauern, bis Paul Estabrooks die Million im Ausland gedruckter chinesischer Bibeln auf einen Schlepper verladen konnte, der zu den Stränden von Shantou fuhr – eine enorme logistische Herausforderung.
Bevor er den Schiffskapitän traf, der die Expedition von Manila aus leiten würde, hatte er zunächst die Risiken abgeschätzt, vor allem für die Menschen, die für die Verteilung der Ladung auf chinesischem Boden verantwortlich waren: »Wir sind alle für unseren Glauben an Jesus Christus ins Gefängnis gegangen, jeder einzelne von uns, und wir sind bereit zu sterben, wenn das bedeutet, dass eine Million Schwestern und Brüder ein Exemplar von Gottes Wort bekommen können«, versicherten sie ihm alle und erinnerten an die intensive Verfolgung, die chinesische Christen in den 70er Jahren erlitten.

232 schwimmende Pakete
In der Nacht auf den 18. Juni 1981 näherte sich ein 30 Meter langer Schlepper mit drei Knoten pro Stunde dem Strand von Shantou und schleppte einen Lastkahn, der mit 232 Ein-Tonnen-Paketen beladen war, die wasserdicht in Polyethylen eingewickelt waren und eine Million chinesische Bibeln enthielten. Gegen 21 Uhr begann das Boot, sich durch das Labyrinth der chinesischen Marineschiffe zu schlängeln, die in der Dunkelheit in der Nähe der Hafenstadt ankerten, während Tausende von einheimischen Christen geduldig am Ufer warteten, um die Ladung zu übernehmen.

Die schwimmenden Pakete wurden abgeladen und dann mit drei kleinen Gummibooten an den Strand geschleppt. Die chinesischen Gläubigen wateten durch das Wasser, um sie an den Strand zu bringen, öffneten sie mit einer Schere und reichten die jeweils rund 20 Kilogramm schweren Pappkartons über den Strand zu einer Reihe von Bäumen. Zwei Stunden später fuhren der Schlepper und der Kahn ab, im Wissen, dass die Million Bibeln, die den chinesischen Gläubigen anvertraut wurden, im ganzen Land verteilt werden würden. In einigen Fällen dauerte der Prozess fünf Jahre und für eine Reihe von Christen bedeuteten die damit verbundenen Risiken Verhaftung oder Gefängnisaufenthalt. Für sie alle war jede Bibel tatsächlich eine »Perle von großem Wert«, in Anlehnung an den Bibeltext aus dem Matthäus-Evangelium (13,44), der dem Projekt seinen Namen gab.

»Wir erfuhren später, dass zwei chinesische Marinewachen normalerweise ständig Patrouille am Strand von Shantou gehen«, erklärt Paul Estabrooks, »aber in dieser Nacht hatten sie so viel getrunken, dass sie ihren Posten verließen. Erst um 3 Uhr morgens kam die örtliche Polizei, die von Fischern auf die Anwesenheit der wertvollen Pakete am Strand aufmerksam gemacht worden war, um den Ort zu inspizieren.« Unter den Bäumen standen noch ein paar Kisten mit Bibeln, die später geholt werden sollten, aber alles andere war weg. Nachdem die Polizei entdeckt hatte, dass es sich um Bibeln handelte, versuchte sie zunächst, diese zu verbrennen. Nachdem das erfolglos blieb, warfen sie sie ins Meer. Die Bibeln wurden ein Stück weiter an Land gespült und von anderen Fischern aufgesammelt, die begannen, sie in der nahe gelegenen Stadt zu verkaufen.  

40 Jahre später – China wird zum Überwachungsstaat
40 Jahre nach der Landung der Bibeln aus dem »Projekt Perle« ist die Religionsfreiheit in China immer noch nicht gesichert. Open Doors stuft China auf seinem jährlichen Weltverfolgungsindex sogar auf Platz 17 ein unter den Ländern, in denen Christen am stärksten verfolgt werden. Aktuell besteht die größte Herausforderung für Christen nicht mehr darin, Zugang zur Bibel zu haben, weil sie in registrierten Kirchen frei verkauft wird. Aber der Import von Bibeln bleibt landesweit ein Problem, da Bücher ohne chinesische ISBN-Nummern illegal sind. Der Online-Verkauf von Bibeln ist schlichtweg verboten und der Vertrieb von Audio-Bibeln ist stark eingeschränkt.

Die Sorge internationaler Beobachter ist die allgegenwärtige Kontrolle des Staates, der seit Februar 2018 neue Restriktionen eingeführt hat. Diese zielen darauf ab, das phänomenale Wachstum der Anzahl an Christen einzudämmen, die jene der Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas übersteigt. Eine der neuen Regeln verbietet Jugendlichen unter 18 Jahren den Zugang zu Gotteshäusern. Außerdem muss der Staat nun seine Zustimmung zur Ernennung von Pastoren geben und mit deren Programm einverstanden sein. Was sich abzeichnet, ist der Wunsch der Regierung, den Inhalt der christlichen Botschaft zu beeinflussen und ihre Bedeutung zu verändern.

Im heutigen China gilt jede religiöse Veranstaltung oder Aktivität, die nicht vom Staat genehmigt ist, als illegal. Deshalb wurden seit 2018 Tausende von Kirchen geschlossen und immer mehr Christen inhaftiert oder sogar in »Umerziehungslager« gebracht.


Über Open Doors
Mehr als 340 Millionen Christen sind weltweit aufgrund ihres Glaubens einem zumindest hohen Ausmaß an Verfolgung ausgesetzt. Open Doors wurde 1955 gegründet und hilft heute verfolgten Christen ungeachtet ihrer Konfession in rund 70 Ländern.