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Naseem Fahmi, Wachmann der Kathedrale in Alexandria, der den Attentäter gestoppt und dabei sein Leben verloren hat.
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Den Palmsonntag feiern Ägyptens Christen traditionell mit festlichen Gottesdiensten. Am kommenden Sonntag mischt sich Trauer in die Feierlichkeiten, wenn die Christen der 49 Menschen gedenken, die vor einem Jahr, am Palmsonntag 2017, in den Kirchen von Tanta und Alexandria in den Tod gerissen wurden. Selbstmordattentäter hatten gezielt die Gottesdienste gewählt, um möglichst viel Leid über die Christen zu bringen. In einer Serie tödlicher Angriffe mussten 2017 mehr als 100 Christen in Ägypten ihr Leben lassen.

Einer der Wachmänner der Kirche in Alexandria, Naseem Fahmi, hatte den Attentäter noch am Eingang der Kirche stoppen und so viele Leben retten können, während er selbst den Tod fand. Seine Frau Samira sagte gegenüber Open Doors: "Ich bin stolz darauf, was mein Mann getan hat. Aber das Leben ist seit seinem Tod schwer. Naseem lebte für die Kirche und nun lebt er im Himmel. Ich weiß, er ist an einem guten Ort." Auf den Mörder ihres Mannes und dessen Gesinnungsbrüder angesprochen, erklärt Samira: "Ich vergebe euch und bete, dass Gott euch vergibt und euch die Augen öffnet und eure Sinne erleuchtet."

Der Geistliche Boules George veröffentlichte kurz nach den Anschlägen eine "Botschaft an die, die uns töten". Er beschreibt darin, dass die Kirchen am Tag danach so voll waren wie noch nie. "Normalerweise sind die Menschen nach den Gottesdiensten am Palmsonntag müde und kommen am Montagabend nicht. Aber als ich heute hier eintraf, saßen Gottesdienstbesucher sogar auf Stühlen außerhalb der Kirche. Alle Plätze waren besetzt. Es gab nicht eine freie Nische." Und an die Attentäter gerichtet: "Wir lieben euch. Das werdet ihr nicht verstehen, doch das hat Jesus uns gelehrt: Liebt eure Feinde. Wir Christen haben keine Feinde, andere erklären uns jedoch zu ihren Feinden. Wir beten für euch."

Bei der anstehenden Präsidentschaftswahl am 26.-28. März ist dennoch ihre Sicherheit für die Christen ein wichtiges Thema.

Präsident al-Sisi will einheitliches Ägypten für Christen und Muslime

Fast alle Herausforderer des bestehenden Machthabers Abdel Fattah al-Sisi haben ihre Kandidatur in den letzten Wochen zurückgezogen, zumeist unfreiwillig. Einen Wahlboykott lehnen die Kirchen jedoch ab. Papst Tawadros II., Oberhaupt der Orthodoxen Kirche und damit der größten christlichen Glaubensgemeinschaft in Ägypten, stellt sich öffentlich zu al-Sisi. Der hatte sich mehr als jeder frühere Präsident Ägyptens für die Belange der Christen eingesetzt, was ihnen verstärkt Feindseligkeit bis hin zu Hass von Salafisten und Muslimbrüdern gebracht hat.

Unter Muslimen und Christen gibt es Befürworter und Gegner von al-Sisi. Ein Pastor aus dem Gouvernement al-Fayyum macht deutlich, warum er für ihn stimmen wird: "Die Kopten sehen in al-Sisi den Mann der nationalen Einheit. Er vertritt einen moderaten Islam und will keine Trennung von Muslimen und Christen." Afaf, eine Buchhalterin aus Kairo, sieht in al-Sisi die Alternative zu einem islamistischen Regime: "Wir werden den Mann wählen, der uns aus der Herrschaft der Muslimbrüder gerettet hat." Mehr als 20 Millionen Ägypter hatten im Juni 2013 die Absetzung des damaligen Präsidenten Mursi gefordert.

Gleichzeitig steht die Regierung al-Sisi aufgrund ihrer sehr durchwachsenen Bilanz im Bereich der Menschenrechte immer wieder in der Kritik. Ob es zukünftig sozialen Frieden und damit die Voraussetzung für eine anhaltende wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung geben wird, hängt vom zukünftigen Präsidenten und seiner Regierung, ebenso aber von den Muslimen und ihren Leitern ab. Sie machen knapp 90 Prozent der Bevölkerung aus. Eine Gleichberechtigung der Christen fehlt, die Übergriffe gegen sie haben 2017 deutlich zugenommen. Auf dem aktuellen Weltverfolgungsindex belegt Ägypten Rang 17, im Vorjahr noch Rang 21.

Markus Rode, der Leiter von Open Doors Deutschland, sagt mit Blick auf die Wahlen und Feiertage in Ägypten: "In der kommenden Woche werden Ägyptens Bürger einen neuen Präsidenten wählen. Am Sonntag davor - dem Palmsonntag - werden die Christen für ihr Land beten, das sie lieben und in dem sie seit fast 2.000 Jahren ihren Glauben leben. Wir bitten um Gebet für die Familien, die durch Anschläge ihre Liebsten verloren haben, und rufen dazu auf, für friedliche Gottesdienste am Palmsonntag und an Ostern sowie für friedliche Wahlen zu beten."