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Die Gründer der RAF, Andreas Baader, Ulrike Meinhof (im Bild im Jahr 1964) und Gudrun Ensslin, sind alle in evangelischen Familien aufgewachsen.
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Es ist „alles andere als Zufall“, dass viele Linksterroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) evangelisch geprägt waren. Die Ansicht vertritt der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar (Hamburg) in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“ (Köln) in Erinnerung an den sogenannten „Deutschen Terror-Herbst“ vor 40 Jahren. 68 Prozent seien protestantisch sozialisiert gewesen und nur 26 Prozent katholisch. Vom Gründerquartett der RAF – Gudrun Ensslin (1940–1977), Ulrike Meinhof (1943–1976), Horst Mahler und Andreas Baader (1943–1977) – sei nur Baader katholisch aufgewachsen. Die anderen seien in protestantischen Elternhäusern groß geworden. Der Vater von Ensslin etwa sei evangelischer Pastor gewesen.

Kraushaar bezog sich unter anderem auf eine Untersuchung des Soziologen Gerhard Schmidtchen. Er sei davon ausgegangen, dass „man es im linken Terrorismus auch zu tun gehabt habe mit einer Form der Wertetransformation“. Ein religiös inhaltsleer gewordener Protestantismus sei ihm zufolge das „formale Erziehungsgefäß“ für Ideologen und politische Überzeugungstäter geworden. Laut Kraushaar gibt es darüber hinaus bei den Frauen in der RAF den Anspruch, anderen Menschen zu helfen. Eine Reihe ehemaliger Terroristinnen sei nach der Haft in sozialpädagogische oder in karitative Berufe gegangen.

Die RAF sei keine „wertelose“ Gruppe gewesen, sondern habe „Gegen-Werte“ gehabt, in denen etwas „geronnen“ sei aus dem protestantischen Erbe. Vor 40 Jahren erreichte der RAF-Terror seinen Höhepunkt. 1977 ermordeten die Terroristen den Generalbundesanwalt Siegfried Buback, den Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto und Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer. Kraushaar ist Autor des Buches „Über die blinden Flecken der RAF“ (Verlag Klett-Cotta).