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In Linz ist der erst kürzlich generalsanierte jüdische Friedhof am Donnerstag der Stadt zur weiteren Pflege übergeben worden. Charlotte Herman, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Linz, hob bei diesem Feieranlass das "gute Gefühl, zu wissen, dass jemand hinter uns steht" hervor. Bei der Instandsetzung und Übergabe zur Pflege habe man vertrauensvoll kooperiert. Das Ergebnis: "Wir brauchen uns nicht mehr schämen für unseren Friedhof", so Herman vor den anwesenden Spitzen aus Religion und Politik, darunter Oberrabbiner Jaron Engelmayer, Bischof Manfred Scheuer, Superintendentialkuratorin Renate Bauinger sowie Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Landeshauptmann-Stellvertretreterin Christine Haberlander und Vizebürgermeisterin Karin Hörzing.

Im Zuge der einjährigen, im Oktober 2022 abgeschlossenen Generalsanierung wurden die Grabsteine gesichert und mit den Gräbern verbunden. Es wurden neue Bäume gepflanzt, befindet sich der jüdische Friedhof doch am Gelände des St. Barbara-Friedhofs, der mit etwa 1.200 Bäumen dicht begrünt ist. Vereinbart worden war die Instandsetzung bereits 2014. Ein Teil der dafür aufgewandten Mittel stammt aus dem "Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich", in den der Bund über 20 Jahre jährlich eine Million Euro einbringt.

Zwei größere Projekte warten noch auf die Finanzierung, erklärte die IKG-Linz-Präsidentin: Bei einigen Gräbern müssten noch Schriften nachgezogen werden, damit sie wieder gut erkennbar werden. Zudem hätten einst Bombeneinschläge Gräber unkenntlich gemacht, weshalb man diesen Gräbern nun "wieder einen Namen geben" wolle, dürften doch im jüdischen Glauben Gräber nicht aufgelöst werden. Weiters geplant ist auch die künstlerische Gestaltung von 116 "schwebenden" Rohstahl-Platten mit Inschriften des Künstlers Andreas Straus, der erst kürzlich mit Unterstützung von voestalpine-Lehrlingen 17 quer durch Linz aufgestellte Gedenkstelen für 144 jüdische Opfer des Nationalsozialismus produziert hat.

Aufrufe zur Wachsamkeit

Von einem "denkwürdigen und feierlichen Tag" sprach Oberrabbiner Jaron Engelmayer. Ein jüdischer Friedhof sei ein für die Seele bestimmtes "ewiges Haus" und eine "Liebestat" an Verstorbenen ohne Gegenleistung. Grabsteine hätten im Jüdischen zudem lange Tradition, komme in ihnen doch die "Würde der Verstorbenen" zum Ausdruck. Sie dienten "den Verstorbenen zur Ehre und den Lebenden zum Zeichen".

Auf die mit der Pflege verbundenen Verantwortung des Friedhofs wiesen Vertreter der Landes- und Stadtpolitik hin. Vizebürgermeisterin Hörzing bezeichnete ihn als "würdigen Ort der Begegnung, aber auch des Nachdenkens und der Erinnerung" und als Mahnung daran, dass antisemitischen Äußerungen "viel zu schnell auch Taten" folgen könnten. Ähnlich Landeshauptmann-Stellvertreterin Haberlander, die zu Wachsamkeit gegenüber jeglicher "Missachtung menschlicher Würde" aufrief. Die Tatsache, dass jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Nachkriegszeit nach Oberösterreich zurückgekommen seien, sah sie als "großen Vertrauensbeweis". Ein Friedhof als Erinnerungsort stehe für die Religiosität und Kultur des Judentums, die heute "lebendiger Teil unserer Wirklichkeit" seien und von jedem und jeder kennengelernt werden könnten, so Haberlander.

Für Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka sind jüdische Friedhöfe ein "Zeichen dafür, wie die Republik, das Land, die Stadt heute mit seiner, ihrer Geschichte umgehen". Antisemitismus sei heute in ganz Europa wieder im Steigen und dabei auch "in der Mitte der Gesellschaft vorhanden". Die Friedhöfe gäben dabei sichtbare Hinweise darauf, wie sich die jüdische Bevölkerung in die Gesellschaft eingebracht habe und dies auch heute noch tue: Schließlich seien die Mitglieder der IKG Linz weiterhin "wesentliche Treiber der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklung", so der Nationalratspräsident.

160 Jahre jüdische Bestattung in Linz

Seit 1862 ist eine jüdische Bestattung in Linz möglich. Heute beherbergt der Linzer jüdische Friedhof etwa 800 Grabstellen auf 5.405 Quadratmetern und gilt als denkmalgeschütztes "Juwel" im katholischen St.-Barbara-Friedhof nahe der Westbahnstrecke. Dieser wiederum befindet sich im Eigentum der St. Barbara-Gottesackerstiftung, deren Vorsitzender der Linzer Stadtpfarrer ist. Die zuständige Aufsichtsbehörde dieser Bischöflichen Stiftung ist der Wirtschaftsrat der Diözese Linz. (Infos: www.ikg-linz.at, www.barbarafriedhof.at)

Pressefotos von der Veranstaltung stehen honorarfrei zur Verfügung unter: www.kathpress.at/site/media/fotos