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Skandal: Aufklärung der Sechs- bis Zehnjährigen mit Hilfe einer Frauenpuppe über Sexpraktiken und Geschlechtsverkehr.
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Der kürzlich bekanntgewordene Fall von Sexualkundeunterricht in Wien lässt aufhorchen: in der Krone vom 26. Juli wird von einer öffentlichen Volksschule berichtet, in der Sechs- bis Zehnjährige gemeinsam von ihrer Lehrerin mit Hilfe einer Frauenpuppe über Sexpraktiken und Geschlechtsverkehr „aufgeklärt“ wurden. Die Kinder und auch deren Eltern waren nachher verstört und ein Bub musste deshalb sogar die Schule wechseln.

Zurecht stellt sich hier die Frage, wieso es im Rahmen der schulischen Sexualaufklärung in einer Volkschule zu so einem Vorfall kommen kann. Der Erlass des Unterrichtsministeriums zum Bildungsauftrag Sexualpädagogik ist diesbezüglich scheinbar „eindeutig“: zeitgemäß und vor allem altersentsprechend sollen Kinder und Jugendliche vom Schuleintritt bis zum Schulaustritt sexuelle Kompetenzen interaktiv, fach- und klassenübergreifend durch moderne Lernmethoden erwerben und weiterentwickeln können. Im Zeitalter der Neuen Medien und des Smartphones erscheint dies durchaus sinnvoll und wird von vielen Eltern dankend angenommen. Wo ist hier also der Haken?

Das WHO-Rahmenkonzept gibt den Ton an

In den sog. „Standards für die Sexualaufklärung in Europa“ der WHO Regionalstelle Europa – der Grundlage der Sexualpädagogik/-Aufklärung an unseren Schulen - finden wir gleich mehrere Antworten. Dort werden Kinder von Geburt an als sexuelle – nicht soziale - Wesen bezeichnet. Ihnen soll ein positiver Zugang zu ihrer Sexualität und ihrem Körper über das interdisziplinäre Lehrfach Sexualaufklärung ermöglicht werden, so die WHO Standards. Die „veraltete“ Sexualaufklärung – reduziert auf den negativen Fokus der ungeplanten Schwangerschaften und den sexuell übertragbaren Infektionen - decke nicht den „neuen Bedarf“ an Sexualaufklärung, meint dazu die WHO. Deshalb braucht es ein „Mehr“ – ein Mehr an Sexualwissen, vor allem aber ein Mehr an Sexualkompetenzen, -haltungen und -fähigkeiten und damit ein Mehr an sexueller Gesundheit. Was bedeutet das genau?
In der „Matrix Sexualaufklärung“ – nachzulesen ab Seite 37 - wird es ganz „praktisch“: dort werden für definierte Altersgruppen – von 0 bis 15 Jahren – genaue Inhaltsvorgaben beschrieben, die den Kindern und Jugendlichen vermittelt werden sollen. Unterschieden wird zwischen den Kategorien Informationen, Fähigkeiten und Einstellungen. Den Kindern und Jugendlichen soll in den Bildungseinrichtungen auch „Raum und Lernmöglichkeiten geschaffen werden, damit sie eigene Erfahrungen in einer sicheren und anregenden Umgebung sammeln können.“  So soll laut der WHO-Matrix die Altersgruppe 0 bis 4 Jahre über ihr Recht informiert werden, „Geschlechtsidentitäten zu erkunden“ . Sollte das Kind bei einem Doktorspiel beispielsweise den Penis oder die Vagina eines anderen Kindes berühren und die Eltern dies verbieten, so soll das Kind fähig sein, die Eltern auf ihr Recht aufmerksam zu machen. Ein 0-4-jähriges Kind soll nach den WHO Standards auch eine „positive Haltung zu unterschiedlichen Lebensstilen“ und ein „Bewusstsein für die Vielfalt von Beziehungen“ entwickeln. Es soll „kommunikative Kompetenzen entwickeln“ und zwischen „guten und schlechten Geheimnissen unterscheiden“ können. So viel zu den Vorgaben für die jüngste Altersgruppe.

Der kleine, aber feine Unterschied

Vergleicht man den „alten“ und den aktuellen Sexualpädagogik-Erlass, so stellt man außerdem zwei wichtige Unterschiede fest: während im alten Erlass aus dem Jahre 1990 noch auf die Werteorientierung und die primäre Rolle der Eltern bei der Sexualaufklärung verwiesen wird, wird die Verantwortung für die „wertfreie“ Sexualkompetenz im aktuellen Erlass von 2015 auf die Kinder selbst übertragen.
Die aktuelle Sexualaufklärung an den Schulen stellt daher klar einen Paradigmenwechsel dar und ist mit entscheidenden Änderungen und auch Auswirkungen verbunden: Kinder und Jugendliche werden in der Praxis immer häufiger mit nicht altersgerechten Inhalten und Materialien – reduziert auf die Sexualität und die persönliche Lustbefriedigung – konfrontiert, was oft zu einer Überforderung und/oder Verletzung ihrer natürlichen Schamgrenze führt. Sexualpädagogische Workshops werden gerne von externen Experten oder Sexualpädagogen durchgeführt. 2019 gab es in Österreich um die 100 externe Vereine, die diesem stark nachgefragten Bildungsauftrag nachgekommen sind. Wie man jedoch dem jüngsten Sexualaufklärungs-Fall aus Wien entnehmen kann, können Grenzüberschreitungen auch bei den eigenen Lehrern passieren. Daher kommt den gerade in Ausarbeitung befindlichen Qualitätskriterien für die Akkreditierung externer Sexualpädagogik-Vereine eine hohe Bedeutung zu. Sie sollen und müssen sicherstellen, dass die Sexualaufklärung künftig stets alters- und entwicklungsgerecht abläuft und Sexualität als Teilaspekt des Menschen eingebettet in einer Beziehung, in Liebe und in Vertrauen vermittelt wird, und nicht bloß die reine körperliche Sexualität im Vordergrund steht.

Experten sind besorgt

Experten warnen mittlerweile vor den negativen Folgen der aktuellen Sexualpädagogik. „Der schulische Sexualkundeunterricht sollte vor allem informativ sein und darf nie die Schamgrenze überschreiten“, so Dr. Christian Spaemann . Durch die Beteiligung an Gruppenarbeiten und Diskussionen wird der Einzelne immer einem gewissen Gruppendruck ausgesetzt und so kann seine Scham erheblich verletzt werden. Der Begriff „Sexualerziehung“ solle zudem nicht verwendet werden. Die Schule hätte einen allgemeinen erzieherischen Auftrag, nicht einen spezifischen. Die Schule würde damit ihre Grenzen überschreiten und das Indoktrinations- und Manipulationsverbot verletzten, das an Schulen herrscht. Darüber hinaus würden die WHO-Standards laut Spaemann eine reine Verhandlungsmoral vertreten ohne übergeordnete sittliche Normen oder psychologische und ethische Voraussetzungen der menschlichen Autonomie.  Wenn nur mehr die Lust übrigbleibt, besteht die große Gefahr, dass Kinder, die nach dem WHO-Rahmenkonzept „als sexuelle Wesen“ betrachtet werden, in die Sexualität der Erwachsenen eingeführt werden.
Ähnlich sieht es Peter Stippl, Präsident des Verbands für Psychotherapie, der sich in der Krone klar dafür ausspricht, dass „der Sexualkundeunterricht immer alters- und entwicklungsadäquat sein muss“ und weiter: „Wir sollten an Schulen Sexualität nie losgelöst von Liebe und Beziehung erklären. Es verunsichert und macht Angst. Es schadet der Entwicklung von Kindern.“

Wegschauen und Tabuisieren ist keine Lösung

Es ist daher absolut wichtig für uns Familien, Eltern, Lehrer und sämtliche nahestehende Bildungseinrichtungen sich gut über die Sexualpädagogik-Workshops an den Schulen und deren Agenden zu informieren. Kommunizieren wir nicht, so überlassen wir die Kommunikation anderen. Für unsere Kinder und Jugendliche kann dies jedoch weitreichende Folgen haben. Sprechen wir als Eltern und Familien untereinander darüber und tauschen wir uns über dieses so sensible und zugleich entscheidende Thema aus. Nur gemeinsam können wir uns für eine „gesunde“ und positiv unterstützende Sexualaufklärung unserer Kinder und Jugendlichen einsetzen.