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Zur Erinnerung an Gemeindemitglieder, die während der Zeit des Nationalsozialismus in Konzentrationslagern umgekommen sind, wurde am Mittwoch, 8. November, in der Grazer evangelischen Heilandskirche ein Denkmal enthüllt. Das von der Grazer Künstlerin Adina F. Camhy gestaltete Mahnmal verweist auf die Schicksale von vier Mitgliedern der Pfarrgemeinde, die entsprechend den „Nürnberger Rassengesetzen“ von 1935 wegen ihrer Abstammung als Juden eingestuft worden waren. Die Schicksale von Hermann Brücklmeier, Margit Frankau, Eduard Huppert und Franz Öhler waren lange Zeit vergessen gewesen und erst durch ein von Heimo Halbrainer und Gerald Lamprecht von der Universität Graz geleitetes Forschungsprojekt 2010 aufgearbeitet worden.

Künstlerin Camhy setzte das Denkmal in ein direktes Verhältnis zu bereits bestehenden Gedenktafeln, die an die gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege erinnern und schon während einer Kirchenrenovierung 1991/92 um ein weiteres Schild ergänzt worden waren, das zur Versöhnung aufruft. „Der Text des Denkmals ‚Zur Umkehr schreiten wir voran‘ setzt sich mit der Beziehung der Evangelischen Kirche zu deutschnationaler Ideologie und Antisemitismus, ihrer Rolle im Nationalsozialismus und der Frage der Mitschuld auseinander. Er ist als Annäherung an die Praxis des Erinnerns und Vergessens zu verstehen“, erklärt die Künstlerin ihren Zugang zur Thematik.

Pfarrerin Ulrike Frank-Schlamberger sagte in ihrer Ansprache bei der Denkmalsenthüllung: „Es war uns wichtig, das Kriegerdenkmal weiterzuentwickeln. So wie der Blick auf die Opfergruppen und die Täter sich weiterentwickelt und verändert hat, sollte auch das sichtbare Gedenken sich weiterentwickeln.“

Kurator Heinz Schubert bekräftigte für die Pfarrgemeinde das bereits 1998 von der Generalsynode formulierte Bekenntnis der Mitschuld an der Schoah und strich heraus: „Wir gedenken nicht nur ermordeter Menschen einer Zeit, die kaum jemand von uns miterlebt hat. Wir wollen auch daran erinnern, wie auch die Kirche in die Irre gehen kann. Es soll dies Mahnung sein für unser Handeln und das Tun unserer Nachkommen.“

Mit dem Begriff der Zeugenschaft setzte sich die Autorin Gerhild Steinbuch in einer literarischen Intervention auseinander: „Was unterscheidet mich, die ich sprechen kann, weil ich gehört werde, was unterscheidet diese meine machtvolle Position von jemandem, der sich erhöht und auch zum Sprechen nicht herabtritt, der ordentlich nach unten zutritt, der seine Geschichte so schreibt, dass die Geschichte anderer darunter verschüttgeht?“

Die Historiker Halbrainer und Lamprecht haben sich in ihrem Forschungsprojekt im Jahr 2010 gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des Grazer Akademischen Gymnasiums der Geschichte der vom Judentum zum evangelischen Glauben konvertierten Mitglieder der Grazer Heilandskirche angenommen. Diese wurden, wie viele andere Konvertiten in Österreich, von den Nationalsozialisten ihrer „rassischen Abstammung“ wegen als Juden eingestuft und verfolgt. Die Autoren weisen in ihrer Publikation auch auf die Rolle der christlichen Kirchen während der NS-Diktatur hin. Diese hätten sich zumeist „beschämt von ihren ‚judenchristlichen‘ Mitgliedern abgewandt und ihnen während und auch lange Zeit nach dem Ende des NS-Regimes nur spärlich Unterstützung, Hilfe oder auch Anerkennung zukommen lassen“.