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Der christliche Arzt Denis Mukwege aus der Demokratischen Republik Kongo und die Jesidin Nadia Murad. Sie hielten jeweils eine Rede vor dem Europaparlament in Straßburg.
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Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an den christlichen Arzt Denis Mukwege aus der Demokratischen Republik Kongo und die Jesidin Nadia Murad für ihren Kampf gegen sexuelle Gewalt und Gruppenvergewaltigungen. Das gab das norwegische Nobelkomitee am 5. Oktober in Oslo bekannt. Beide hätten wesentliche Beiträge dazu geleistet, die Aufmerksamkeit der Welt auf derartige Kriegsverbrechen zu lenken, begründete das Nobelkomitee seine Entscheidung. Der 63-jährige Chirurg Mukwege kämpft gegen geplante und systematische Vergewaltigungen als Kriegsmittel. Er gilt als weltweit führender Experte für rekonstruktive Chirurgie nach inneren Verletzungen infolge sexueller Gewalt. 1999 gründete er das Panzi-Krankenhaus in Bukavu. Seitdem haben er und sein Team mehr als 50.000 Opfer behandelt. Die Frauen erhalten nicht nur medizinische Hilfe, sondern werden auch psychologisch betreut und in Rechtsfragen beraten.

„Papa, du betest mit den Kranken, aber warum gibst du ihnen keine Medikamente?“

Mukwege wuchs in Bukavu auf. Sein Vater war Pastor einer Pfingstgemeinde. Beim Besuch von kranken Gemeindemitgliedern sah Mukwege, wie wichtig eine bessere medizinische Versorgung in der Region war. Das inspirierte ihn, Arzt zu werden, wie er auf der Zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) 2017 in Namibia sagte. Er habe seinen Vater gefragt: „Papa, du betest mit den Kranken, aber warum gibst du ihnen keine Medikamente?“ Sein Vater habe geantwortet: „Weil ich kein Arzt bin.“ Mukwege: „An diesem Tag fand ich meine Berufung.“ Unterstützung bekam er von der Schwedischen Pfingstmission: 1984 erhielt er ein Stipendium des Werks, so dass er sich in Frankreich an der Universität von Angers auf dem Gebiet der Gynäkologie spezialisieren konnte.

Die Kirche muss die Stimme der Stummen sein

In seinem Vortrag vor der Hauptversammlung des LWB zum Thema „Befreit durch Gottes Gnade“ rief er die Teilnehmer auf, sich für die Rechte von Frauen einzusetzen: „Ob im Jemen, im Irak, in Syrien oder Burundi, die Kirche muss die Stimme der Stummen sein, die Stimme dieser Frauen, die die kostbare Quelle des Überlebens der Menschheit sind.“ Der christliche Glaube erscheine immer unzeitgemäßer und unfähig, den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Mukwege: „Wir sind nicht hier, um die Bibel neu zu schreiben und sie an die gegenwärtige Welt anzupassen, sondern um an die Glaubwürdigkeit des Evangeliums im 21. Jahrhundert zu denken, die Gnade zu befreien, die wir erhalten haben, indem wir die Kirche zu einem Licht machen, das leuchtet in dieser Welt der Finsternis.“ Durch Gnade befreit zu sein, wecke Freude in ihm. Es bedeute aber auch Verantwortung, sich für die einzusetzen, die Unrecht und Misshandlung erleiden: „Wie kann ich mich freuen, wenn ich weiß, dass in der ganzen Welt Tausende von Frauen in sexueller Sklaverei gehalten werden? Das Privileg, ,befreit durch Gottes Gnade‘ zu sein, zwingt uns, für diejenigen in der Welt zu kämpfen, die weniger frei sind.“ 2008 erhielt Mukwege den Menschenrechtspreis der Vereinten Nationen und 2014 den Sacharow-Preis. Dieser ist nach dem russischen Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow (1921-1989) benannt.

Die Jury konnte aus 216 Personen und 115 Organisationen auswählen

Zweite Preisträgerin ist die UN-Sonderbotschafterin Murad. Sie wurde von Kämpfern der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) versklavt und vergewaltigt. Die 25-Jährige lebt in Baden-Württemberg und setzt sich für die Strafverfolgung der IS-Verbrechen ein. Insgesamt konnte die fünfköpfige norwegische Jury in diesem Jahr zwischen 216 Personen und 115 Organisationen wählen. Der Preis ist mit umgerechnet 860.000 Euro dotiert. Es ist der einzige Nobelpreis, der nicht in Stockholm, sondern in Oslo überreicht wird – in diesem Jahr am 10. Dezember. Im vergangenen Jahr hatten die fünf Mitglieder des Nobelkomitees die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ICAN) ausgezeichnet.