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„Wir sollten nicht über Menschen mit Demenz reden, als wären sie gar nicht da“, sagt Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser.
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Strukturelle und politische Maßnahmen im öffentlichen Umgang mit Demenz fordert Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser: „In Österreich Leben aktuell rund 130.000 Menschen mit Demenz, bis 2050 sind es wahrscheinlich doppelt so viele“, sagte Moser im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag, 18. April, in Wien. Auszubauen sei daher die stundenweise Betreuung von Menschen mit Demenz zuhause ebenso wie Tageszentren.  Es brauche eine professionelle Koordination der „helfenden Hände“, um ein gutes Betreuungsnetzwerk um Betroffene aufzubauen, und die „Lücke rund um die Diagnose“ müsse geschlossen werden, so Moser. Dazu brauche es niederschwellige Informationsangebote, denn mit durchschnittlich zwei bis drei Jahren dauere es oft viel zu lange, bis Betroffene oder Angehörige nach einer Diagnose Beratung einholten. „Diese Ziele finden sich auch in Demenzstrategie von 2015, aber es wäre wichtig, sie aus der Schublade herauszuholen und umzusetzen“, appelliert Moser an die politischen Entscheidungsträger.

„Wir sollten nicht über Menschen mit Demenz reden, als wären sie gar nicht da“

In einer Informationskampagne will die Diakonie insbesondere die Situation pflegender Angehöriger in den Fokus rücken, aber auch den gesellschaftlichen Blick auf die Krankheit ändern: „Die Botschaft von Ostern ist, hinzuschauen auf das Leiden und die Endlichkeit, aber zu sehen, das Leben ist stärker als der Tod. So ist es auch mit der Demenz: Vieles schwindet, aber das gute Leben ist stärker.“ Demenz sei ein Angst-und schambesetztes Thema, viele Angehörige trauten sich nicht darüber zu sprechen oder würden es vermeiden, mit betroffenen PartnerInnen, Eltern oder Großeltern in die Öffentlichkeit zu gehen. Gerade dieses Verhalten könne aber Symptome noch verstärken: „Wir sollten nicht über Menschen mit Demenz reden, als wären sie gar nicht da“, betont Moser.

Schönbacher: „Lassen Sie Menschen mit Demenz am Leben teilhaben“

Heike Schönbacher, Pflegedienstleiterin in einem Seniorenheim der Diakonie in Graz, gab Einblicke in die Praxis der Betreuung von Menschen mit Demenz. „Menschen mit Demenz sind nicht ohne Hirn. Sie merken, dass ihr Leben nicht mehr so funktioniert. Wahrzunehmen, dass ich mein Leben nicht mehr auf die Reihe bekomme, ist auch für diesen Menschen eine Herausforderung.“ Das könne zu herausforderndem Verhalten führen – von „Aggression“ will Schönbacher nicht sprechen. Wenn Menschen nicht verstanden würden, dann wollten sie das eben auf anderen Weg erreichen, „da kann es passieren, dass man ein Glas vom Tisch wischt oder laut wird“. Je mehr Menschen mit Demenz an ihren alltäglichen Fähigkeiten verlören, desto feinfühliger würden sie und „desto mehr werden Stimmungen wahrgenommen und widergespiegelt“.

Angehörigen empfiehlt Schönbacher:  „Lassen Sie Menschen mit Demenz am Leben teilhaben, besuchen Sie die Lokale, die Sie früher besucht haben. Auch wenn sie es wieder vergessen: Die Menschen fühlen das, erleben die schönen Momente.“ Zugleich sei es als Angehöriger in der Betreuung wichtig, auf eigene Bedürfnisse zu achten. Viele Menschen gingen ganz in dieser Aufgabe auf; das gehe oft auch lange gut, sei aber irgendwann nicht mehr zu schaffen: „Nehmen Sie sich Auszeiten, ziehen Sie rechtzeitig die Handbremse!“