page-header
Im Gespräch mit dem Publikum: Die Referenten Margit Appel und Florian Klenk.
Anzeige

Den Instrumenten des Rechtspopulismus und seinem Einfluss bis in die Kirchen hinein widmete sich am Freitag, 8. November, ein ökumenischer Studientag in St. Pölten. Falter-Chefredakteur Florian Klenk verband in seinem Eröffnungsvortrag im Bildungshaus St. Hippolyt das Wiedererstarken rechtspopulistischer Bewegungen mit einer Transformation medialer Prozesse in den letzten drei Jahrzehnten. Die sozialen Medien hätten zur Bildung einer „redaktionellen Gesellschaft“ beigetragen, in der jeder und jede potenziell zehntausende Menschen mit Nachrichten erreichen könne. Die Funktion klassischer Medien, solche Nachrichten – etwa von Politikern – zu analysieren und einzuordnen falle bei relativ neuen Massenmedien wie Facebook oder Twitter weg. Anstelle von Redaktionen seien es heute Algorithmen, die darüber entschieden, welche Nachricht am Bildschirm angezeigt würde oder nicht. Diese Algorithmen seien aber nicht auf Diversität von Meinungen angelegt, sondern orientierten sich ausschließlich an den ohnehin schon vorhandenen Meinungen und Präferenzen der Userinnen und User. „Es entstehen die legendären Echokammern, Räume, in denen Menschen nur mehr unter sich bleiben.“

Gegenüber dem Evangelischen Pressedienst bekräftigte Klenk, dass Rechte dieses Phänomen für sich besser zu nützen verstünden als Linke oder Liberale. Insbesondere SPÖ und Grünen hätten in Österreich die digitale Transformation weitgehend verschlafen. Zudem operierten Soziale Medien sehr oft auf emotionaler Ebene. Die Logik dieser Medien komme daher rechten Parteien, die auf klare Freund-Feind-Schemata setzten, entgegen. Sorgen macht Klenk weniger die Mediennutzung der Jugend, sondern vielmehr die der Generation „50 plus“, der die Prozesse im digitalen Raum in vielem unklarer seien als Jungen. Bildungsprogramme zur Entwicklung digitaler Medienkompetenz fordert er daher „nicht nur an Schulen, sondern auch in Pensionistenheimen, in Betriebsräten, in Firmen, in Kirchen.“

Appel: Leben in einer „Angstgesellschaft“

Die Politiologin Margit Appel sah in ihrem Vortrag die zunehmende Offenheit gegenüber populistischen Parteien in den Erfahrungen einer „konkurrenzorientierten Marktwirtschaft“ gegründet. Anders als in früheren Generationen könne man heute nicht mehr davon ausgehen, dass Kinder einmal ökonomisch besser gestellt sind als ihre Eltern. Diese Konkurrenzsituation schwäche Solidaritäten. Zudem werde die Gesellschaft verstärkt inhomogen. „Das ist gut so. Heißt aber auch, dass wir uns schwer tun, eindeutige Identitäten zu haben. Wir entscheiden uns für einen Lebensstil, aber es gibt viele andere Möglichkeiten.“ Betroffen sei davon auch die religiöse Identität. Das führe zu einer „Angstgesellschaft“, die sich dann durch hohe Zuwanderungsraten zunehmend bedroht fühle.

Auch Christinnen und Christen seien in einer solchen Gemengelage anfällig für die Parolen Rechter. Zudem gäbe es klare Angebote an christliche Gruppen, so Appel, die etwa das „Bekenntnis zum Kreuz“ der bayrischen CSU, Norbert Hofers Positionierung als „gläubigerer Kandidat“ im Präsidentschaftswahlkampf 2018 oder Viktor Orbáns Vorstellung einer „christlichen Nation“ als Beispiele anführte. Ihnen gelänge es, Angstpotenziale in der Bevölkerung im Namen des „christlichen Abendlandes“ abzuschöpfen. Den Kirchen komme vor diesem Hintergrund als politischer Kraft die Aufgabe zu, sich um die Demokratie zu sorgen – zugleich liebäugelten auch sie immer wieder mit der Nähe zu Machthabenden.

Im weiteren Verlauf des Studientages referierte auch der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej Cilerdzic. Veranstaltet wurde der Studientag vom Ökumenischen Arbeitskreis Niederösterreich-West, vom „Institut Religiöse Bildung – christliche Konfessionen“ der KPH Wien/Krems, dem Katholischen AkademikerInnen Verband, der Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung und dem Bildungshaus St. Hippolyt.