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Axel Kühner spricht über Lebenswert und Lebenswürde
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In einer Kleinstadt erscheint eines Tages in der Zeitung eine Annonce: „Am Samstag findet im Bürgerhaus eine große Wohltätigkeitsveranstaltung statt, wir bitten alle Frauen der Stadt, dass sie ihren Haushalt danach durchsuchen, was sie nicht mehr brauchen, womit sie andere aber vielleicht noch glücklich machen können. Bringen Sie auch Ihre Ehemänner bitte mit.“ Dieser ungewollte Scherz erinnert uns daran, dass sich viele Menschen in der modernen Gesellschaft heute genauso vorkommen:  Wie Gebrauchsgegenstände. Das ist bitter. Wer sind wir Menschen? Und was macht die Würde und den Wert unseres Lebens aus? Sind wir Spielbälle, mit denen andere ihre Spiele spielen, bis uns fallen lassen, wenn sie keinen Spaß mehr daran haben? Sind wir winzige Tropfen, die sich im Meer der Menschheit auflösen und vergehen? Sind wir Blätter an einem Baum, die der Herbstwind irgendwann fortweht und die vermodern? Wer sind wir Menschen? Unbeschriebene Seiten, auf denen andere unser Leben schreiben? Fragen Sie sich doch mal: Schreiben Sie wirklich ihr Leben selbst? Wer sind die Autoren und Autoritäten Ihres Lebens? Sind wir überhaupt frei? Treffen wir unsere Entscheidungen selbst und haben wir darin ein Stück Menschenwürde, oder sind wir nur abhängig von tausend Dingen und Zwängen? Wer sind wir Menschen?

Das ist eine wirklich spannende Frage, die wir, indem wir sie uns stellen, schon ein klein wenig beantwortet haben. Wir Menschen sind nämlich die einzigen Geschöpfe in dieser großen Welt, die die Würde haben, zu fragen. Bäume blühen und bringen ihre Früchte. Sie fragen nicht. Sterne ziehen ihre Bahn. Sie fragen nicht. Tiere werden geboren, essen, trinken, paaren sich und sterben. Sie fragen nicht. Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das fragen kann und das ist ein Stück Ihrer Würde.

Wer bin ich? Wo komme ich her? Was will ich mit meinem Leben erreichen? Wo will ich hin? Was ist der Sinn? Gibt es einen Gott? Was ist nach dem Tod? Dass wir das fragen können, sind bereits ein Stück unserer Würde und ein Wert unseres Lebens. Wir sind im tiefsten Sinn des Wortes „frag-würdig“. Wir haben die Würde, dass wir fragen können: „Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was ist das Ziel des Lebens? Wo wohnt Gott und wie kann es ein wunderbares, erfülltes und vielleicht auch ewiges Leben geben?“ Das alles sind Fragen, die Ihre Würde ausmachen, und ich sage Ihnen: Hören Sie nie auf zu fragen. Und lassen Sie sich von niemand und nichts die Fragen verbieten, denn dann haben Sie ein Stück Ihrer Würde verloren. Aber diese Fragwürdigkeit hat noch eine ganz andere, tiefere Seite. Wir haben nämlich nicht nur die Würde, dass wir fragen können, die eigentliche Würde unseres Menschseins besteht darin, dass wir gefragt werden. Wir sind gefragt.

Als erstes fragt Gott in der Bibel: „Adam, wo bist du? (1. Mose 3,9)“. Eine rabbinische Legende erzählt, dass ein Rabbiner um seines Glaubens Willen lange Zeit im Gefängnis saß. Der Aufseher hatte einen Mordsspaß daran, ihn zu quälen und zu verspotten. Deshalb fragt er ihn eines Tages: „Rabbi, sag: steht in der Bibel nicht, dass Gott den Menschen gefragt hat: ‚Adam, wo bist du?‘, das verstehe ich nicht. Denn Gott wusste doch ganz genau, wo der Adam sich versteckt hat. Was soll also die Frage?“ Der Rabbi antwortete ihm: „Ja, weißt du, das ist völlig anders gemeint. Der Adam war damals 42 Jahre alt und Gott hat ihn in seiner ganzen Liebe gefragt: „Adam, wo stehst du denn jetzt, mit deinen 42 Jahren? Wo bist du denn im Moment? Was machst du mit deinem Leben?“ Der Aufseher wurde kreidebleich, als er das hörte, denn er gerade 42 Jahre alt. Diese kleine Geschichte erinnert uns daran, dass die erste Frage der Bibel heißt: „Adam, wo bist du?“ Gott fragt auch Sie ganz persönlich: „Mensch, wo steckst du denn?“