Schuld, Bekenntnis und Vergebung gelten als christliche Kernthemen. Schließlich beruht der christliche Glaube darauf, dass Menschen durch ihre Schuld von Gott getrennt sind und durch den Tod Jesu Vergebung erfahren können. Es lässt sich wissenschaftlich nachweisen, dass Menschen, die einen offenen Umgang mit Schuld pflegen, Fehler eingestehen und Vergebung aussprechen und suchen, eine höhere Lebenserwartung haben. Der richtige Umgang mit Schuld ist also wie eine Lebensoase. So jedenfalls bezeichnet es Prof. Ulrich Giesekus. In seinen Therapiestunden hat er immer wieder mit Menschen zu tun, die seit Jahren Schuldgefühle haben und Fehler aus der Vergangenheit mit sich herumschleppen. Ein solches Verhalten kann einen Menschen auf die Dauer regelrecht krank machen.
Aber auch Menschen, die kein Schuldgefühl entwickeln, gehen nicht richtig mit ihrer Fehlerhaftigkeit um und brauchen Hilfe. Schuldgefühle sind also nicht, wie oft irrtümlicherweise vermutet, etwas Negatives, sondern etwas Gesundes, denn sie zeigen uns Probleme, die wir anschließend ausräumen können, vorausgesetzt wir tun es tatsächlich und schleppen es nicht nur mit uns herum.
Dieser Umgang mit Schuld sollte bereits in den Familien beginnen. Denn zu Schuld und Unrecht kommt es in allen Beziehungen. Prof. Giesekus bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Wenn Sie zu einem Menschen gesagt haben, ich will dich lieben, achten und respektieren, bis dass der Tod uns scheidet, dann hätten Sie ebenso gut sagen können: Du wirst der Mensch sein, dem ich in meinem Leben am meisten schuldig bleibe.“ Doch es wäre falsch, dabei stehen zu bleiben. Denn die Frage ist nicht, ob wir aneinander schuldig werden, sondern wie wir mit unserer Schuld, mit Unrecht und Enttäuschungen umgehen. Wo Kinder erleben, dass Eltern um Verzeihung bitten und offen und ehrlich miteinander umgehen, können gesunde Beziehungen entstehen und ein guter Umgang mit Schuld zustande kommen. Schuld zu tabuisieren, kann den Familienalltag hingegen ruinieren.
Was aber, wenn sich jemand an mir schuldig macht und sich weder entschuldigt noch seinen Fehler einsieht? Prof. Ulrich Giesekus macht in seinen Vorträgen deutlich, dass Gott niemals eingefordert hat, dass Schuld unter den Teppich gekehrt und verdrängt werden muss. Man darf sie beim Namen nennen. Trotzdem sind diejenigen, die ihr Leben an Gottes Geboten ausrichten, aufgefordert, anderen zu vergeben. Lewis Smedes hat einmal gesagt: „Vergeben bedeutet, einen Gefangenen freizulassen und dann zu entdecken, dass der Gefangene du selbst warst.“
Vergeben bedeutet aber auch, dass ich Gott zutraue, dass er für Gerechtigkeit sorgen wird, wenn nicht heute, dann in der Zukunft. Er macht sie zu seiner „Chefsache“, so wie der Leiter einer großen Firma die Dinge, die in seinem Betrieb wirklich bedeutsam sind, selbst regeln möchte. Wenn wir Gott Vertrauen, können wir ihm diese Dinge vertrauensvoll überlassen, die uns verletzt und geschadet haben.
Näheres dazu im Podcast mit Prof. Ulrich Giesekus. Es ist der sechste Teil einer Serie des ERF Südtirol zum Thema des Monats „Miteinander reden – nur wie?“.